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Rechtsstaat

Film über den Fall Wörz löst Internet-Reaktionen aus

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Film über den Fall Wörz löst Internet-Reaktionen aus
Veröffentlicht:30.01.2014, 10:15

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Die Ausstrahlung des ARD-Filmes zum Fall Harry Wörz am Mittwochabend hat im Netz eine breite Diskussion ausgelöst. In ihr offenbart sich auch ein gewisses Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat. Insgesamt sahen über fünf Millionen Zuschauer den Justizfilm.

Gustl Mollath, der sieben Jahre wohl zu Unrecht in der Psychatrie saß. Ulvi K., der als geistig Behinderter wegen eines Mordes aufgrund von Indizien und einem widerrufenen Geständnis verurteilt wurde. Und Harry Wörz, in dessen Fall eine einseitige Ermittlungsarbeit der Pforzheimer Polizei für die Verurteilung sorgte und bei der Wiederaufnahme des Prozesses plötzlich Beweismittel verschwanden. Alles sind Beispiele von zweifelhaften Gerichtsentscheiden, die erst in jüngster Zeit gefällt wurden.

Die ARD zeigte am Mittwochabend nun den Spielfilm zum Fall Wörz – und schon im Laufe der Ausstrahlung kochten im Netz die Reaktionen hoch: „Habe mir jetzt Artikel über den Fall Wörz durchgelesen und mir ist schlecht. Wie sich ein Rechtsstaat bei eigenem Irrtum verhält...schlimm“, schrieb die Nutzerin JulietteSawyer auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Wörz war aufgrund eines Indizienprozesses wegen versuchtem Totschlag an seiner Ex-Frau verurteilt worden – diese ist durch den Vorfall nicht mehr in der Lage zu sprechen und geistig behindert. Pikant: Sowohl sie, ihr Vater und ein weiterer Hauptverdächtiger waren damals bei der Polizei – die Kollegen nahmen nun die Ermittlungen auf.

Großes Misstrauen gegenüber Polizei und Justiz

Dementsprechend kamen auch im von der ARD eingerichteten Online-Forum kritische Gedanken zum Vorgehen der Beamten auf. „Es gibt mehr schwarze Schafe bei der Polizei die kriminelle Handlungen vornehmen als man denkt. Belangt wird bei der Polizei fast nie jemand, vorher deckt man sich unter Kollegen“, so der User Andreas . Und auch allgemeines Misstrauen gegenüber der Justiz offenbarte sich: „Echt unfassbar und es ist wirklich kein Einzelfall, dass Leute zu Unrecht beschuldigt werden und für viele Jahre ins Gefängnis müssen“, schrieb etwa der Nutzer kimbybimby bereits 20 Minuten nach Beginn des Films. „Emotional aufrüttelnd. Rechtsstaat Deutschland? Mir kommen Zweifel. Hoffentlich haben wir mehr Glück als Harry Wörtz“, schrieb die Nutzerin Kerstin später.

Doch die Chatteilnehmer äußerten vereinzelt auch Kritik – zum einen am badischen Dialekt des Hauptdarstellers, der insbesondere im nördlichen Teil Deutschlands nicht immer verstanden wurde. Zum anderen an der alleinigen Konzentration auf die Perspektive von Wörz: „Der Film ist mir zu einseitig - auch wenn sicher nicht alles gut gelaufen ist“, schrieb beispielsweise KathrinFelix .

Wörz zu Gast bei Anne Will

Später am Abend diskutierte Anne Will mit ihren Gästen über den Fall: Mit Wörz selbst, der seine Akten wie einen Schutzwall stets auf dem Schoß trug und immer wieder intensiv in ihnen blätterte. Mit einem seiner Anwälte, dem Richter Heinrich Gehrke, den Politikern Wolfgang Bosbach (CDU) und Hertha Däubler-Gmelin (SPD, ehemals Bundesjustizministerin). Im Laufe der Diskussion ging es auch darum, wie man besser gegen die Manipulation von Akten vorgeht: „Vernehmungen, vor allem Geständnisse per Video aufzeichnen – wäre ein Mosaikstein, um Fehlurteile zu vermeiden“, twitterte der ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam als Zusammenfassung.

Insgesamt ist dem Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen mit der Ausstrahlung des Falles von Harry Wörz vor allem eines gelungen: eine Diskussion über die für unsere Demokratie wichtige Justiz und auch ihre Fehlbarkeit anzufachen.