StartseiteRegionalRegion TuttlingenTuttlingenTuttlinger Modedesignerin: Die Spitze sticht gerade alles aus

Reifrock

Tuttlinger Modedesignerin: Die Spitze sticht gerade alles aus

Tuttlingen / Lesedauer: 5 min

Tuttlinger Designerin Eva-Maria Geißer hat eigene Show bei der Fashion Week in Berlin
Veröffentlicht:03.07.2012, 08:00

Artikel teilen:

Ein BH aus 3000 einzeln aufgereihten Perlen. Ein Reifrock aus tickenden Uhren. Ein Kleid ganz aus Spitze. Eva-Maria Geißer hat ausgefallene Ideen. Und diese Ideen sind ihr Kapital. Eva-Maria Geißer, 30 Jahre alt, ist Modedesignerin mit eigenem Label – Black Jewels Clothing – und hat bei der heute in Berlin beginnenden Fashion Week ihre eigene Show.

Ihre Heimat ist die Gothic-Szene, ihr Ziel: Lady Gaga einzukleiden. Gaga und Gothic – geht das zusammen? „Ja“, sagt die gebürtige Tuttlingerin. Denn festgelegt hat sie sich nicht. „Ich mache alles, Hauptsache es ist ausgefallen.“ Und so treffen in ihren Look-Books – eine Art Bewerbungsmappe – Eleganz und Szene-Outfit aufeinander, folgt ein Einzelstück auf ein Modell aus ihrer Kollektion.

Während Geißer sich gerade in Tuttlingen auf ihre Show bei der Fashion Week vorbereitet, die letzten Nadelstiche setzt und ihren Kleidern den Feinschliff verpasst, kreisen zwei ihrer Look-Books in den Modewelten von Beverly Hills. „Man muss alles probieren, den Leuten auf den Geist gehen“, sagt Geißer. Beharrlichkeit ist eine der Eigenschaften, die ihr einen Namen in der Gothic-Szene gemacht haben und sie nun nach Berlin führen. Und ihre Ausdauer soll sich irgendwann auch in puncto Lady Gaga auszahlen: „Ich versuche es regelmäßig bei ihrem Management. Irgendwann wird es mal klappen.“ Bis dahin heißt es „dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben“.

Das Dasein in der Modewelt ist hart, der Weg aufwärts schwierig, arbeitsintensiv und von Kämpfen geprägt. „Wenn du Geld hast, ist es einfach, dann kannst du dich in jede Show einkaufen“, sagt die 30-Jährige. Geld hatte sie nicht, erst langsam, nach mehr als drei Jahren Selbstständigkeit, rechnet sich das Unternehmen Modedesign.

Ohne den finanziellen Rückhalt durch ihren Mann, der in der IT-Branche beschäftigt ist, wäre ihr Traum des Aufstiegs in der Modewelt wohl in den Kinderschuhen stecken geblieben. So aber macht sich die Arbeit der vergangenen Jahre nach und nach bezahlt. Zwar verbringt Eva-Maria Geißer immer noch nahezu genauso viel Zeit damit, sich selbst zu bewerben und nach Shows und Kontakten zu suchen, wie damit, Kleider zu nähen, mittlerweile ist aber auch der Erfolg da. In dieser Woche in Form der Fashion Week, „ein ganz anderes Kaliber“, als die Shows, die Geißer und ihre Models bisher gemacht haben. 13 Stücke wird sie dort präsentieren; sechs aus ihrer Kollektion, sieben Unikate.

Anders als für Shows auf Gothic-Festivals wie dem M’era Luna in Hildesheim oder dem Wave Gothic Treffen in Leipzig, steht für die Präsentation in der Hauptstadt Eleganz im Vordergrund. Eine ausgefallene Eleganz, die sich bald in einem eigenen Label wiederfinden soll, um den Weg in die Haute Couture zu ebnen.

Jean-Paul Gaultier ist ihr Vorbild – „bei dem hat auch niemand geglaubt, dass er es mit seiner Art von Mode weit bringt“ – und eine eindeutige Meinung zur Glitzerwelt der Catwalks rund um den Globus hat Geißer auch, vor allem beim Thema Models. „Für mich wird niemals ein Mager-Model laufen“, sagt sie und erklärt: „Ich verstehe auch nicht, warum die großen Designer Mager-Models laufen lassen. Die Kleider leben doch erst durch die Menschen; ihre Charaktere und ihre Figuren erwecken das Kleid zum Leben.“ Ein Mager-Model, da ist sich die 30-Jährige sicher, „transportiert nichts“.

Und so bringt Eva-Maria Geißer auch ihre eigenen Models mit nach Berlin. Was für große Augen der Veranstalter sorgte; die anderen Designer wählen sich meist „Standard-Models“ aus Katalogen aus. Nicht Geißer. Ihre Mädchen – wie es im Jargon heißt – „laufen seit Jahren für mich – ohne einen einzigen Cent zu bekommen, einfach, weil es ihnen Spaß macht“. Eines ihrer Models fliegt extra aus London ein. Die Mannequins machen sich gegenseitig die Haare und schminken sich, eines ist für die Choreografie zuständig, alle übernachten gemeinsam in einer Jugendherberge.

„Meine Welt ist das Designen und Nähen“, sagt Eva-Maria Geißer und man glaubt es ihr sofort. Längst ist sie in der Gothic-Szene etabliert. Der Verkauf ihres ersten Kleids am 31. Dezember 2009 hat hier den Weg geebnet. Ein Mitglied eines Sherlock-Holmes-Fanclubs erstand das Unikat im viktorianischen Stil für die Premiere des Holmes-Streifens im Kino. Seither fertigt sie auf Anfrage – „Machst du mir ein Rabenkostüm?“ – oder kleidet diverse Bands der Szene ein, etwa Terminal Choice, Mina Harker oder Oberer Totpunkt. „Auch hier half nerven, nerven, nerven. Ich bin einfach zu Bands hin und habe sie gefragt, ob ich nicht mal ihr Bühnenoutfit machen könnte.“

Obwohl die Aufträge stetig zunehmen und Geißer nun mit der eleganteren Kollektion zweigleisig plant, schneidert sie, die eine Ausbildung zur Modedesignerin und Maßschneiderin hat, alle Einzelstücke selbst. „Das dauert, je nach Aufwand, zwei Tage bis zwei Wochen pro Kleid.“ Bei der Kollektion jedoch geht ihr eine Schneiderin zur Hand, wobei Geißer auch hier die Schnittmuster und Zuschnitte selbst fertigt.

Ihr Atelier hat sie in ihrer Wohnung im Bayrischen Hof, ihre Kleider verkauft sie online. Und was schneidert und verarbeitet sie am liebsten? „Das ist stimmungsabhängig. Momentan könnte ich für Spitze morden“, sagt’s und lacht.

Die Begeisterung für ihre Arbeit ist Eva-Maria Geißer anzumerken, genauso, wie ihre Aufregung vor der großen Show mit dem Namen „Berlin Night of fashion“. Sie hat sich bis zu diesem Punkt durchgebissen, jetzt gilt es, das Publikum in der Hauptstadt von ihren Kleidern – die Unikate haben übrigens alle Frauennamen – zu überzeugen. Und wer weiß, vielleicht schaut Lady Gaga ja zu.