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Metzgerturm

Schwäbische Sterne: Die drei märchenhaftesten Türme der Region

Ulm / Lesedauer: 6 min

Jede Woche „die 3 Besten der Region“ – vom Badesee bis zur Brezel. Folge #48 zeigt Ihnen Türme aus der Region, so schön wie im Märchen.
Veröffentlicht:19.10.2022, 06:00

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Schwaben ist bekannt für seine malerischen Altstädte. Schlendert man durch die Straßen, fühlt man sich zuweilen in eine ganz andere Zeit versetzt. Wo andernorts Bürokomplexe und Wolkenkratzer in die Höhe ragen würden, haben sich viele Orte im Ländle ihre ursprüngliche DNA bis heute bewahrt.

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Ihre Skyline prägen noch immer dieselben Bauwerke wie schon vor hunderten Jahren. Meist sind es die Türme, die vor allem Besuchern aus der Neuen Welt auf einem Stadtbummel das Gefühl vermitteln, mitten in einem Märchen gelandet zu sein.

In der Region gibt es freilich genug Türme, die direkt aus einer Erzählung der Gebrüder Grimm gefallen sein könnten. Um drei Finalisten zu küren, stellt sich zunächst die Frage, was genau den Bauwerken ihre magische Aura verleiht.

Am Offensichtlichsten ist natürlich das Erscheinungsbild. Markante Bauformen und ungewöhnliche Details fallen ins Auge. Von Vorteil ist es außerdem ein exponierter Standort, an dem das Bauwerk seine Wirkung voll entfalten kann.

Geschichte und Bedeutung in der Stadtgeschichte mögen sich nicht auf den ersten Blick erkannbar machen. Doch letztendlich sind sie es, die aus einem Bauwerk einen Mythos machen. Es sind Geschichten aus einer anderen Zeit, in der sich das gesamte Leben der Menschen zwischen den Stadtmauern abspielte.

Und es sind Legenden, die es so farbenfroh wohl nie wieder geben wird. Dieser Text wirft einen prüfenden Blick auf alle Türme im Ländle. Ausgeschlossen werden lediglich Kirchtürme – sie würden eine Rubrik für sich allein in Anspruch nehmen.

1. Der Metzgerturm in Ulm

Er ist das schwäbische Pendant zum Schiefen Turm von Pisa . An der Spitze neigt sich der Metzgerturm um ganze 2,05 Meter in Richtung Nordwesten. Das entspricht einer Schieflage von 3,3 Grad. Zum Vergleich: Der Schiefe Turm von Pisa neigt sich um 3,97 Grad. Das sticht auch dem unbedachten Besucher sofort ins Auge. Über die gesamte Höhe des Turms reihen sich Schießscharten aneinander – ein Hinweis auf die Rolle, die er einst für die Stadtbefestigung spielte.

Erbaut wurde der Metzgerturm in den 1340er Jahren. Damit ist er rund 130 Jahre älter als die heutige Stadtmauer, die direkt vor ihm entlangführt. Vom Neu-Ulmer Ufer der Donau aus betrachtet, wirkt er fast wie der Bodyguard des Ulmer Münsters. Doch auch hier trügt der Schein: Der Grundstein der Kirche im gotischen Stil wurde erst im Jahr 1377 gelegt.

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imago0086416002h (Foto: Jochen Tack/Imago)

Bis das Münster sein heutiges Erscheinungsbild erlangte, dauerte es gar bis zum Jahr 1890. Der Metzgerturm hat also schon einiges gesehen und stammt aus einem Ulm , das aus heutiger Sicht kaum noch wiederzuerkennen wäre. Dass er sich den Status eines Wahrzeichens trotz seiner Nachbarschaft zum höchsten Kirchturm Deutschlands bis heute bewahrt hat, spricht für sich.

Doch woher kommt nun also die Schieflage? Die erste Antwort auf diese Frage findet sich im Untergrund. Der weiche Boden und das marode Holzfundament ließen das schwere Bauwerk mit der Zeit einsinken. Es gibt allerdings noch eine zweite, viel bessere Antwort auf diese Frage: Der Legende nach sperrten die Ulmer einst die ortsansässigen Metzger im Inneren des Turms ein, die verbotenerweise gestreckte Würste verkauft hatten.

Als schließlich der zornige Bürgermeister das Verließ betrat, flüchteten die beleibten Metzger in die gegenüberliegende Ecke des Raums. Dadurch kippte das gesamte Bauwerk. Ein Turm, um den sich ein eigenes Märchen rankt, muss in dieser Liste einfach auftauchen. Obwohl er 1911 durch ein Betonfundament verstärkt wurde, kippt der Metzgerturm übrigens weiterhin um 0,2 Millimeter pro Jahr.

2. Der Mangturm in Lindau

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Mangturm Lindau_Fotocredit_Zumtobel (Foto: Zumtobel)

Dass der Mangturm genauso aussieht, wie man sich den Turm aus dem Märchen Rapunzel vorstellt, fanden die Lindauer offenbar selbst. Aus einem der Fenster hängt ein geflochtenes Seil, das an den Zopf der eingesperrten Märchenfigur erinnert. Zu Lindau gehört der Mangturm ebenso wie der berühmte Löwe, der einen Katzensprung entfernt an der Hafenmauer wacht.

Es ist kein Zufall, dass der Mangturm so einsam und isoliert am Ufer des Hafens steht. Mit seiner Erbauung im zwölften Jahrhundert kam ihm eine doppelte Rolle als Leuchtturm und Verteidigungsanlage zu. Damals umgab ihn deswegen noch ein Wassergraben.

Erst im Jahr 1856 löste ihn Lindaus neuer Leuchtturm ab. Das oberste Stockwerk sowie das Dach mit den glasierten Ziegeln erhielt er erst später. Der Name „Mangturm“ geht auf ein Gebäude zurück, das während des Mittelalters in direkter Nachbarschaft stand – im sogenannten Tuch- und Manghaus wurde zu jener Zeit Leder verarbeitet.

3. Der Mehlsackturm in Ravensburg

Ravensburg-Mehlsackpanorama-Foto-Stadt-Ravensburg
Ravensburg-Mehlsackpanorama-Foto-Stadt-Ravensburg (Foto: Reinhold Armbruster-Mayer/Stadt Ravensburg)

Es wäre fast schon ein Frevel, in einer Liste wie dieser die „Stadt der Türme und Tore“ auszulassen. Stolze neun Türme sind entlang der mittelalterlichen Stadtbefestigung von Ravensburg erhalten. Da wäre etwa der Gemalte Turm mit seinem auffälligen Rautenmuster, der neben der heutigen Feuerwache in die Höhe zeigt. Oder der Schellenberger Turm, im Volksmund auch „Katzenlieselesturm“ genannt, dem nach seinem teilweisen Einsturz im 18. Jahrhundert bis heute eine Wand und das Dach fehlen.

Ein Turm jedoch sticht in Ravensburg besonders hervor – und zwar wortwörtlich. Der Mehlsackturm erhebt sich majestätisch über die Stadt und ist von fast überall aus zu sehen. Seinen Namen haben ihm die Ravensburger wegen seines Aussehens verpasst: Er ist kreisrund und seine Fassade ist mit glattem, hellweißem Putz versehen. So ähnelte er den im 18. Jahrhundert üblichen Kornsäcken.

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IMG_4818 (2).JPG (Foto: Jennifer Kuhlmann)

Erbaut wurde er zwischen 1425 und 1429 und war ursprünglich als „Weißer Turm bei St. Michael“ bekannt. Die namensgebende Kapelle wurde später jedoch abgerissen. Ein besserer Ausblick als vom Mehlsackturm wäre wohl nirgendwo anders möglich gewesen.

Am höchsten Punkt der Altstadt wächst er stolze 51 Meter aus dem Boden. Anfangs bezogen Armbrustschützen im Turm Stellung. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Dach entfernt, um stattdessen Platz für Kanonen zu schaffen.

Noch heute ragen ihre Läufe reihum knapp unter dem Zinnenkranz hervor. Der Mehlsackturm ist gerade deswegen so auffällig, weil er wie eine überdimensionierte Schachfigur wirkt. Jederzeit erwartet man, dass er seitlich ausschwenkt, um einen Springer zu schlagen.