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Barrierefreiheit

Von wegen Barrierefreiheit: Die Reise endet an Gleis 1

Sigmaringen / Lesedauer: 3 min

Eine Gruppe der oberschwäbischen Werkstätten erkundet, wie barrierefrei Sigmaringen ist
Veröffentlicht:28.01.2014, 21:00

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Das Gleis 2 am Sigmaringer Bahnhof ist für Dennis Pfrieger unerreichbar. Er sitzt im Rollstuhl und hat damit keine Möglichkeit, die Treppen zu überwinden. Einen Aufzug gibt es nicht. Doch auch an Gleis 1 kann er nicht einfach in den Zug einsteigen. Nicht alle Züge haben einen niedrigen und flachen Einstieg, der für Rollstuhlfahrer geeignet ist. Oft ist der Waggon nur über hohe Stufen zu erreichen. Das ist auch ein Problem für Karin Häuptle, die nur schlecht gehen kann. Mit dem Zug fährt sie deshalb nur, wenn sie eine Begleitung dabei hat.

Der Bahnhof hat für Menschen mit Behinderung aber noch mehr Tücken. Die Türen zum Schalterbereich kann ein Rollstuhlfahrer alleine nicht öffnen. Und auch zum Bahnschalter kommt er nur schwer. Die schmalen Gänge des Kiosks sind ein Hindernis. „Das ist auch mit dem Kinderwagen schwierig“, sagt Susanne Groß , die mit der kleinen Gruppe testet, wie barrierefrei Sigmaringen ist. Dabei geht es für sie nicht nur um Rollstuhlfahrer, sondern auch um Menschen, die schlecht laufen oder nur eingeschränkt sehen, zum Beispiel ältere Personen.

Gegenüber vom Bahnhof, am Eingang zum Park, gibt es eine Informationstafel mit Stadtplan und Hinweisschildern zu den Sehenswürdigkeiten. Zwar ist die weiße Schrift auf grauem Hintergrund nicht optimal, aber dennoch ist Groß zufrieden. Die Tafel hängt nicht zu hoch und so kann sie auch Dennis Pfrieger im Rollstuhl gut lesen. Für ihn ist eher der Weg in die Innenstadt ein Problem. Am kürzesten wäre es durch den Park. Doch sein Rollstuhl bleibt schnell im lockeren Kies stecken. Die Gruppe muss also den weiten Weg außen herum nehmen. „Man könnte den Verbindungsweg befestigen“, schlägt Susanne Groß vor. Das wäre für alle gut: Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen und ältere Menschen.

Angekommen in der Innenstadt will Dennis Pfrieger Geld abheben. Das ist für ihn kein Problem. Fast alle Banken sind ebenerdig zu erreichen und auch im Inneren kommt er gut zurecht. In der Hohenzollerischen Landesbank Kreissparkasse Sigmaringen stehen die Geldautomaten zwar einen Stock höher, dafür gibt es aber einen Aufzug. Die ersten und letzten Treppenstufen sind durch eine rote Linie markiert – das ist gut für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung. Die Geländer an der Seite geben Halt. Da Susanne Groß bei dem Test ganz genau hinschaut, findet sie aber doch ein kleines Manko. Am Aufzug würde sie sich ein Schild wünschen, dass er benutzt werden darf.

Beim Einkaufen und Kaffee trinken wird es in Sigmaringen schon schwerer. Viele Geschäfte in der Innenstadt sind nur über Treppen zu erreichen. „Man findet meistens jemanden, der hilft“, lobt Groß die Mitarbeiter und Passanten, die zum Beispiel schwere Türen aufhalten.

Bei ihrem Rundgang durch die Stadt darf natürlich das Schloss nicht fehlen. Michael Strottner schiebt Dennis Pfrieger also den steilen Berg hinauf. Doch dann ist Schluss. Das Schloss ist für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich. Groß bemerkt aber positiv die Piktogramme neben der Eingangstür, die jedem die Orientierung erleichtern. Auf dem Weg zurück macht die Gruppe noch halt in der Stadtkirche. Dort gibt es eine induktive Höranlage. Susanne Groß hat sowas in der Region bisher noch nie gesehen. Die Anlage verstärkt für Hörgeräteträger die Töne, sodass sie die Konzerte in Hifi-Qualität hören können.

Rollstuhlfahrer können kulturelle Veranstaltungen oft nur schwer besuchen. Das Kino in Mengen oder die Alte Kirche in Rulfingen sind beispielsweise nur durch Stufen erreichbar. Doch auch in Gebäuden wie der Stadthalle Sigmaringen, die barrierefrei sind, stellen die Veranstalter die Stuhlreihen häufig so eng, dass ein Rollstuhlfahrer kaum durchkommt. „Ich wünsche mir, dass viel mehr Angebote für Menschen mit Einschränkungen nutzbar sind“, sagt Susanne Groß.