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Nationalsozialismus

Ein Spanier vergräbt sich im Heidegger-Archiv

Meßkirch / Lesedauer: 3 min

Raimon Pàez Blanch aus Barcelona forscht in Meßkirch zur „Weltfrage“ des Philosophen
Veröffentlicht:02.08.2013, 18:25

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Martin Heidegger ist das Aushängeschild der Stadt Meßkirch. Er ist berühmt für seine philosophischen Thesen, kritisiert für seine Nähe zum Nationalsozialismus. Was Heidegger garantiert nicht ist: leicht zu verstehen. Trotzdem oder gerade deshalb reizt der Philosoph viele Forscher – auch der 37-jährige Spanier Raimon Pàez Blanch beschäftigt sich in seiner Doktorarbeit mit dem Meßkircher.

„Ich bin so glücklich, dass ich hier für zwei Monate leben und arbeiten kann“, sagt Pàez Blanch. Er hat am 9. Juli die kleine Wohnung im Dachgeschoss des Schlosses in Meßkirch bezogen. Pàez Blanch ist der Ansicht, dass es sich in der Geburtsstadt Heideggers besonders gut forschen lässt. Denn der Ort selbst schaffe eine enge emotionale Bindung zum Meisterphilosophen. Dazu gehört auch der Besuch des Heidegger-Grabes. Für Pàez Blanch war der Moment, als er vor dem Grabstein des Philosophen stand „einmalig“. Er hatte den Besuch nicht geplant, sondern war nach einem Sturm in einer Arbeitspause spazieren gegangen. „Alles war nass vom Regen, es war ruhig – und als ich mich umdrehte, stand ich vor dem Grab des Mannes, mit dessen Schriften ich mich schon so lange beschäftige“, sagt Pàez Blanch.

Mit dem Auto ist Pàez Blanch von seiner Heimatstadt Barcelona in den Süden Deutschlands gefahren, um seine Dissertation voranzutreiben. Diese beschäftigt sich mit der „Weltfrage“ bei Heidegger. Im Speziellen untersucht er dazu Abhandlungen, die Heidegger in den Jahren 1927 bis 1930 geschrieben hat. Heidegger selbst nutze den Begriff der „Weltfrage“ nur selten, sagt Pàez Blanch. „Es geht in meiner Arbeit eher darum, danach zu fragen, was Welt im Sinne Heideggers bedeuten kann“, sagt er. Schon jetzt hat er seine Ideen in zwei Teile gegliedert: „Erstens will ich aufzeigen, wie man auf verschiedenen Wegen über Heideggers Schriften zur Weltfrage gelangen kann.“ In einem zweiten Teil will der 37-Jährige versuchen, Heidegger frei zu lesen und zu interpretieren.

Zum ersten Mal Kontakt zur Philosophie hatte der Spanier in der Schule. „Bei uns ist das Fach Philosophie Pflicht“, sagt Pàez Blanch. Und weil er nicht genau wusste, was er studieren sollte, hat er es mit Philosophie versucht. „Schon zu Beginn des Studiums hat mich dann die Leidenschaft für Heideggers Ideen gepackt“, sagt er. Nach seinem Studium absolvierte Pàez Blanch aber erst einmal noch einen Kurs, der ihn zur Lehre am Gymnasium befähigte. Seit zwei Jahren arbeitet er nur noch in Teilzeit als Philosophielehrer – um die Idee, die er schon mit 20 hatte, auf Papier zu bringen.

Um die Dissertation von Pàez Blanch lesen zu können, muss man allerdings des Katalanischen mächtig sein. Pàez Blanch war die Sprachwahl für seine Arbeit wichtig: „Literatur zu Heidegger gibt es im Katalanischen kaum. Es existieren auch nur wenige Übersetzungen von Heideggers Schriften.“

Einige Kapitel wird der 37-Jährige aber auch auf Deutsch übersetzen. Und eine deutsche Zusammenfassung soll es auch geben.

„Die Geschichte des Heidegger-Archivs in Meßkirch reicht bis in die 1950er-Jahre“, sagt Alfred Denker, der zusammen mit Holger Zaborowski das Archiv betreibt. Heute enthält das Archiv Erst- und Gesamtausgaben von Heidegger sowie Sekundärliteratur, Übersetzungen und eine kleine philosophische Arbeitsbibliothek. 2004 haben Denker und Zaborowski begonnen, ein Bild- und Tonarchiv anzulegen. „Etwa ein bis zwei Forscher im Jahr arbeiten in Meßkirch“, sagt Denker. Im Jahr 2011 wurde das erste Mal ein Fellowship ausgeschrieben, das die Heidegger-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Geschichte der Philosophie und philosophische Ethik der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar vergibt.

Pàez Blanch ist ebenfalls ein Fellow. Er kann das Archiv zu jeder Zeit nutzen und darf kostenfrei in der Dachgeschosswohnung im Schloss wohnen.