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Liselotte Lohmiller sieht am liebsten politische TV-Sendungen

Bad Saulgau / Lesedauer: 3 min

Die erste Saulgauer Stadträtin nach dem Krieg feiert ihren 90. Geburtstag
Veröffentlicht:01.07.2011, 19:10

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Liselotte Lohmiller neunzig? Diese weißhaarige ältere Dame mit den wachen blauen Augen, der rosigen Haut und dem flott gebundenen Schal um den Hals? „Jawohl!“, bestätigt sie vergnügt und lässt ihren Lebenslauf anhand kleiner Episoden Revue passieren. 1921 im Unterland geboren, zog sie als Schulkind mit den Eltern nach Ulm. Ihre Kindheit und Jugend waren vom Krieg geprägt. So spürte sie die Nachwehen des ersten Weltkriegs und fürchtete im Bombenhagel des 2. Weltkriegs um ihr Leben. In der Ulmer Mädchenoberrealschule saß sie mit Sophie Scholl in derselben Klasse und verkehrte oft im Hause Scholl. Bis heute beschäftigt sie die Tatsache, dass Sophie und ihre Schwester Inge sich anfangs begeistert in Hitlers Jungmädelschaft engagierten und auch sie zur Mitarbeit überredeten. Erst als alle drei „strafbeurlaubt“ wurden, setzte ein Umdenken ein, das Sophie schließlich in den Widerstand trieb.

Weil „Mädchen ja doch heiraten“ verwehrte ihr der Vater das Abitur und steckte sie in die höhere Handelsschule. Darauf absolvierte Liselotte auf dem Zweiten Bildungsweg die Ausbildung zur Handarbeits- und Sportlehrerin. Da nach dem Krieg akuter Lehrermangel herrschte, wurde sie in die damalige Volksschule versetzt, wo sie in Saulgau und Mengen mehr als siebzig Buben pro Klasse das Lesen und Schreiben beibringen sollte. Weil sie dafür nicht ausgebildet war, habe sie viel mit den Schüler gesungen, lachte sie und fügte hinzu: „Aber vielleicht haben sie auch was g’lernt“. Auf der Rückfahrt von ihrer Zweiten Dienstprüfung saß August Lohmiller mit im Linienbus. Er kam von einem Brauereitag und ließ die frisch gebackene Lehrerin nicht mehr aus den Augen, bis sie ihm die Heirat versprach. Mutter Lohmiller allerdings war weniger begeistert von einer Schwiegertochter aus dem Lehrermilieu und soll spitzzüngig bemerkt haben: “Was hat dia scho mitbrocht? A Klavier!“

Nein, die erste Frau im Saulgauer Gemeinderat sei sie nicht gewesen, korrigierte Liselotte Lohmiller entsprechende Vermutungen. Bereits vor dem ersten Weltkrieg habe es mit Frau Fritz eine Gemeinderätin gegeben. Nach 1945 jedoch sei sie die erste Frau in diesem Gremium gewesen, wobei Anton Lutz, der spätere Direktor des Aufbaugymnasiums, sie zur Kandidatur ermuntert habe. Nach zwanzigjähriger Zugehörigkeit zum Rat erklärte sie 1989 ihren Rücktritt: „I han denkt, i muss net ewig dabei sei. Manche send ja gar nemme ganga.“ Wesentlich länger, bis zu ihrem 88. Lebensjahr, hat sie als Übungsleiterin beim TSV Gymnastikkurse gegeben. Dafür dankte ihr Vorstand Martinus Blaser. German Schreibeis gratulierte im Namen des Bürgerausschusses, für den Liselotte Lohmiller lange Jahre den „Musischen Abend“ ausgerichtet hatte. Gleich drei verschiedene Grußadressen zog Bürgermeisterin Doris Schröter aus der Tasche, vom Ministerpräsidenten, vom Landrat und von der Stadt. Auf die Frage, was sie als 90-Jährige denn für Hobbys pflege, überlegte sie nicht lange: Regelmäßig geht sie zur Gymnastik, fährt mit Begeisterung Auto und schaut sich im Fernsehen mit Vorliebe politische Sendungen an.