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Kartoffelernte

Kartoffelernte fällt so gering aus wie nie zuvor

Ellwangen-Neunheim / Lesedauer: 4 min

Ellwanger Landwirt Anton Wagner muss auf die Hälfte seines durchschnittlichen Ertrags verzichten
Veröffentlicht:30.08.2013, 21:33

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Die Kartoffel mag alles, bloß keine nassen Füße, sagt die Bauernweisheit. Und mit seiner Weisheit ist Kartoffelbauer Anton Wagner in diesem Jahr ziemlich am Ende.

Zumindest, was das Wetter anbelangt. Denn solche Kapriolen wie in diesem Jahr hat er noch nicht erlebt – das ganze Land hat das noch nicht erlebt: ein extrem langes, kaltes Frühjahr, ein extrem trockener, heißer Sommer, tischtennisgroße Hagelkörner und badewannenweise Platzregen. Kartoffeln haben in diesem Jahr ziemlich nasse Füße bekommen. Deshalb wird die Kartoffelernte wohl so gering wie nie seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland ausfallen.

„Alle Zeichen deuten europaweit auf eine sehr knappe Versorgung der Märkte für Speise-, Industrie-, und Pflanzkartoffeln hin“, schreibt die Fachzeitschrift Kartoffelbau in ihrer August-Ausgabe. „Bleibt es weiterhin trocken, dürften die ohnehin schon festen Preise noch Luft nach oben haben. Es zeichnet sich ein echter Verkäufermarkt ab.“ Für Direktvermarkter wie Anton Wagner ist das eine gute Nachricht in einer unglücklichen Saison.

Nur die Hälfte des Ertrags

Ganz in der Nähe von Ellwangen stapft Wagner in weiten Schritten über eines seiner Felder, das mehr braun als grün ist, um in der Mitte nach Kartoffeln zu stechen. Auf einem Drittel seiner Felder zerstörte der Hagel Ende Juli rund 90 Prozent der Blattmenge. „Viele denken, der Kartoffel passiert nichts im Boden“, sagt er. „Ohne Blätter wachsen die Kartoffeln aber nicht.“

Glücklicherweise seien die Stängel geblieben, so dass die Pflanzen neue Triebe entwickelten. Der Kartoffelbauer rechnet etwa mit der Hälfte der Menge, die er normalerweise erntet. Angesichts der Landwirte, deren gesamte Ernte im Jahrhunderthochwasser unterging, will er jedoch nicht klagen. „Dagegen geht es uns richtig gut.“

Hohe Qualität

Er sticht seine Gabel in den Boden, hebt eine Hand voll Knollen aus der Erde, schneidet eine auf und reibt die Schnittflächen aneinander. Schaum bildet sich. Das ist Stärke. „Optimal“, erklärt Wagner. „Weil die Kartoffeln langsam gewachsen sind, sind die Zellen klein geblieben. Deswegen ist viel Stärke drin.“

Das ist die gute Nachricht für die Verbraucher: hohe Qualität. Zwar gibt es wenige Kartoffeln, aber diese werden wunderbar schmecken. Schon jetzt sagt Wagner vielen Großabnehmern ab, die noch nie bei ihm eingekauft haben. Die geringe Menge, die er hat, verkauft er nur an seine langjährigen Kunden – aus Dankbarkeit.

Alte Sorten halten durch

Ein paar Reihen weiter sticht Wagner erneut in die Erde. Jetzt kommen dunkle Knollen ans Tageslicht. „Der Blaue Schwede“ heißt die Lieblingssorte seines Sohnes Maximilian. Seine Großmutter mache daraus blaue Chips, die schmeckten ihm besonders gut.

Blaue Chips? Wagner schneidet sie auf und zeigt das blauviolette Fruchtfleisch. Es war vermutlich eine solche blaue Kartoffel, die Kolumbus aus Amerika mit nach Europa zurückbrachte. Etwa 30 verschiedene Sorten baut Wagner an, auch aus Risikoabsicherung. „Die Sorten, die normalerweise gut durchkommen, haben in diesem Jahr am meisten geschwächelt.“ Das würden viele Kollegen bestätigen. Besonders gut hätten die alten Sorten durchgehalten. „Wir hoffen jetzt auf einen schönen Altweibersommer“, sagt Wagner und blickt über sein Feld bis hinunter zur Jagst. Für die Kartoffeln, die jetzt noch im Boden seien, wäre das ideal. Auch für die Hobbygärtner, die Kartoffeln im Garten pflanzen. „Was die meisten falsch machen, ist: Sie schauen nicht in die Erde.“ Ob die Kartoffel keime, sei anders kaum zu sehen. In dem Fall müssten aber die Blätter sofort abgeschnitten werden. So sei wenigstens noch die Qualität, aber nicht mehr der Ertrag zu retten. Wenn dies nicht etwa acht Tage nach dem ersten Regen geschehe, sei es vermutlich schon zu spät.

Wenn all die Kartoffeln der Hobbygärtner auch noch ausfielen, verringere das die Erntemenge zusätzlich. Unter zehn Millionen Tonnen Kartoffeln, schreibe die Fachpresse, habe es in Deutschland noch nie gegeben. Die ersten Schlagzeilen verkündeten bereits Hiobsbotschaften: „Die Pommes werden teurer.“ Das gelte natürlich auch für Chips. Na, das wird wohl am allermeisten die Couch-Potatoes treffen. Vielleicht gibt es dann auch davon ein paar weniger.