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Politikerverdrossenheit

Schüler zeigen Politikerverdrossenheit

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Schüler zeigen Politikerverdrossenheit
Veröffentlicht:14.05.2010, 18:00

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In regelmäßigen Abständen wird den Jugendlichen Politikverdrossenheit attestiert. Sie haben es selbst zum Thema gemacht in einer Podiumsdiskussion mit Dr. Andreas Schockenhoff (CDU), Claus Schmiedel (SPD), Siegfried Lehmann (Grüne), Pascal Kober (FDP). Joachim Umbach, Mediendirektor des Schwäbischen Verlages, moderierte die Diskussion.

Eine Männerrunde saß auf dem Podium der Mensa von Albert-Einstein-Gymnasium, Spohn und Welfen. Zwei Schüler der Oberstufe hatten die Runde organisiert und Fragen zusammengestellt, die Moderation jedoch Joachim Umbach übertragen.

Es dauerte, bis die erste Frage der Schüler gestellt wurde: Ob es sinnvoll sei, dass Schul- und Bildungspolitik Sache der Länder sei? „Wenn Schul- und Kulturpolitik in der Hand der Länder bleibt“, so Claus Schmiedel, „dann gibt es mehr Möglichkeiten, unterschiedliche Wege zu gehen.“ Er wünschte sich mehr Eigenständigkeit für die einzelnen Schulen. Kober war für mehr Wettbewerb unter den Schulen und für Entscheidungsspielräume von Schülern, Eltern und Lehrern. Auf Umbachs Frage, ob die Vergleichbarkeit der Ausbildung dann nicht auf der Strecke bleibe, antwortete Kober, dass er zwar für einheitliche Standards sei, aber trotzdem wünsche, dass Eigenes nicht aufgegeben werde. Schockenhoff plädierte ebenfalls für mehr Spielräume, sprach sich aber gegen andere Schulmodelle aus. In Baden-Württemberg gebe es nach wie vor die meisten Abiturienten, entscheidend sei die Durchlässigkeit der Schulen.

Genau diese Durchlässigkeit sieht Lehmann in Gefahr, sie sei immer mehr reduziert worden. Er sprach sich für eine längere gemeinsame Beschulung aus und gegen das Aussortieren von Schülern zu einem frühen Zeitpunkt. Schmiedel hält das pädagogische Konzept der Gymnasien für fragwürdig: „Die soziale Herkunft bestimmt den schulischen Abschluss, in Baden-Württemberg mehr als in jedem anderen Land, das darf nicht sein.“ Schockenhoff polemisierte gegen die „Einheitsschule“, er sei dagegen, alle zum Abitur zu treiben.

Um die Frage nach Gründen für die Verzögerung des Atomausstiegs ging es anschließend. Kober glaubt, dass man auf den Atomstrom noch nicht verzichten könne. Ein aktuelles Gutachten weise jedoch genau das nach, so Umbach, auf Atomstrom könne verzichtet werden. Kober kannte es nicht. Umbach: „Die AKWs Philippsburg und Neckarwestheim sind seit 30 Jahren am Netz und schon lange nicht mehr sicher, warum werden die nicht abgeschaltet?“ Kober weiß es auch nicht so genau, Lehmann ist dafür, beide AKWs sofort abschalten: „Wir hätten gern einen schnelleren Ausstieg gehabt. Wir stehen zu dem Atomkonsens. Restlaufzeiten sollen nicht überschritten werden. Der Ausbau erneuerbarer Energie muss Vorrang haben.“

Schulden in Billionenhöhe

Weiteres Thema: die Schulden in Billionenhöhe. Schmiedel ist dagegen, der Krise hinterherzusparen, es sei richtig, Schulden zu machen, Ziel müsse trotzdem ein ausgeglichener Haushalt bleiben. Als Antwort auf die Jugendarbeitslosigkeit wünschen sich alle Diskussionsteilnehmer mehr Geld für Bildung. Lehmann bedauert, dass es immer wieder zu Warteschleifen in der Ausbildung komme, er forderte, Abschlüsse vom Berufskolleg anzuerkennen. Schmiedel wünscht mehr Ausbildungsplätze, seine Beobachtung: Schwächere werden an den Rand gedrängt. Die Frage Umbachs, wie viele Abiturienten Migrationshintergrund haben, konnte keiner der Herren beantworten. Man einigte sich auf die Aussage: „Viel zu wenig.“

Um Politikverdrossenheit ging es nur ganz kurz, ein Schüler stellte fest, dass sich die Verdrossenheit auch auf den Umgang von Politikern untereinander beziehe. Umbach: „Man muss also von einer Politikerverdrossenheit der Schüler sprechen.“ Kober verdross die Anwesenden mit langen Ausführungen über die Hotelsteuer, man wunderte sich über die Unsensibilität, mit der er über die Köpfe der Schüler hinweg monologisierte. Und Umbach ließ ihn reden. Lehmann kam zum Thema zurück, er setzte sich ein für die Stärkung der Mitbestimmungsmöglichkeiten der Jugendgemeinderäte. Schockenhoff sprach sich gegen eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 aus, das Wahlrecht müsse an die Geschäftsfähigkeit gekoppelt bleiben. Schockenhoff: „Es gibt viele Erwartungen, die wir in einlösen können. Man muss genau wissen, was Politik leisten kann und was nicht.“