So genau kann sich Peter K. aus Ravensburg nicht mehr dran erinnern, was er am Sonntag, 17. April 2011, gemacht hat. Vielleicht eine Motorradtour. Könnte gut sein, denn der 45-Jährige wurde am betreffenden Tag in der Gegend von Markt Rettenbach im Unterallgäu geortet.
Der dortige Mobilfunkprovider, in dessen Netz sich das Handy des Ravensburgers eingeklinkt hatte, spuckte im Rahmen der Ermittlungen des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West nämlich die entsprechenden Daten aus. Und so die Handynummer die Beamten auf Peter K.s Spur. Jetzt wurde er zum DNA-Test per Speichelprobe gebeten.
36 Mal Ölflaschen geworfen
Denn die Kripo Kempten sucht noch immer den Mann, der vor fast zwei Jahren auf der Straße zwischen Markt Rettenbach und Ottobeuren so heimtückisch eine Ölspur legte, dass ein 37-jähriger Motorradfahrer dort weggerutscht und tödlich verunglückt ist.
War die Polizei zunächst von einem ortsansässigen Täter ausgegangen, fahndet sie mittlerweile deutschlandweit nach einem überregional agierenden Serientäter. Denn nach und nach sickerte unter anderem durch Aussagen von Feuerwehrleuten durch: In den Landkreisen Biberach, Sigmaringen und Alb-Donau wurden in den Jahren 2007, 2008 und 2010 ebenfalls Ölspuren gesichtet, die offenbar nach demselben Schema vorsätzlich gelegt – und mal beseitigt wurden, ohne die Polizei einzuschalten, mal stellten die Beamten die Ermittlungen in Sachen „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“ als ungeklärt ein.
Mindestens 36 Mal warf der Täter an unübersichtlichen Stellen mit Altöl gefüllte Wein- oder Sektflaschen aus seinem Autofenster auf die Straße – meist wählte er dafür beliebte Motorradausflugsstrecken. Weshalb die Polizei auf ihrer Fahndungshomepage nach potenziellen Tätern sucht, „die eine Abneigung gegen Motorradfahrer haben“.
Noch keine heiße Spur
Zwar hat die Ermittlungsgruppe „Ölfleck“ des Kemptener Polizeipräsidiums rund 330 Spuren ausgewertet und ist zahllosen Hinweisen aus der Bevölkerung nachgegangen. Allein: Eine heiße Spur ist nach wie vor Fehlanzeige: „Häufig wirkt der Täter bei einem Tötungsdelikt direkt auf ein Opfer ein – bei dem Ölfleckmord nicht“, beschreibt Polizeihauptkommissar Christian Owsinski vom Polizeipräsidium Schwaben Süd/West in Kempten die Schwierigkeit.
Weil es bis auf die an einigen zerdepperten Ölflaschen sichergestellte DNA nur wenig Anhaltspunkte gibt und erst vor wenigen Wochen bekannt gewordenen Öl-Schleuderfallen in Sigmaringen und Biberach ein neues Licht auf den Mordfall werfen, wollen die Ermittler nun mittels einer von der Staatsanwaltschaft Memmingen beantragten DNA-Reihenuntersuchung den Kreis der Verdächtigen eingrenzen.
Da kann jedem männlichen Wesen mit Führerschein, dessen Handy preisgibt, dass es sich am Spätnachmittag des 17. April 2011 rund um den Unfallort aufgehalten hat, eine „Einladung“ der Polizei ins Haus flattern: Der 45-jährige Ravensburger ist nur einer von 1200 Bürgern, deren Speichelprobe seit Spätherbst vergangenen Jahres mit der DNA des Täters abgeglichen wird – momentan werden die letzten 50 Betroffenen „untersucht“.
Als sich bei Peter K. unvermittelt telefonisch die Polizei meldet, ist er einigermaßen erstaunt. Und obschon die Beamten, die ihm beim Vor-Ort-Termin auf dem Revier je ein Wattestäbchen rechts und links in den Mund stecken, ausgesucht höflich sind und ihm versichern, das Ganze sei freiwillig, „die von der Maßnahme Betroffenen“ würden „als unbeteiligte und unschuldige Personen behandelt“ und seine DNA werde nicht etwa gespeichert, sondern nach dem Abgleich sofort vernichtet – ein mulmiges Gefühl bleibt.
Natürlich kann man seine DNA auch verweigern. Wobei Owsinski einräumt, dass die Polizei in einem solchen Fall „natürlich intensiver in die Ermittlungen einsteigt“ und „insbesondere, wenn keine entsprechenden entlastenden Momente vorliegen einen richterlichen Beschluss auf die Entnahme einer Speichel-, gegebenenfalls eine Blutprobe, beim Gericht erstreben wird“.
Strecken nicht alle überwachbar
Müssen Motorradfahrer zum Frühlingsbeginn nun fürchten, dass der Täter zwischen Oberschwaben und Allgäu erneut gefährliche Ölspuren auslegt? Entwarnung gibt Owsinski mitnichten: „Man kann spekulieren, der Täter hat damit aufgehört – vielleicht sind entsprechende Ölflecke 2012 aber einfach nicht bekannt geworden“. Der Polizeisprecher stellt überdies klar, dass seine Kollegen zwar „sensibilisiert“ seien, aber nicht sämtliche Strecken überwachen könnten, in denen schon Ölflaschenwürfe vorkamen.