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Nachlass

Oberschwabens letzter barocke Bildhauer

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Josef Henger ist 80 geworden – Er hat seinen Nachlass wohlgeordnet
Veröffentlicht:22.11.2011, 10:45

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„Ein stiller, doch populärer Bildhauer“, „Mit den Heiligen auf du und du…“, „Ein Künstler ordnet seinen Nachlass“. So lauteten die Überschriften, die im fünfjährigen Rhythmus zu den großen Geburtstagen des Ravensburger Bildhauers Josef Henger in dieser Zeitung erschienen sind. Jetzt ist er 80 geworden, in beneidenswerter körperlicher und geistiger Frische.

Jahrzehntelang galt der in Empfingen bei Horb geborene Künstler als einer der erfolgreichsten der ganzen Region. Rund 1500 Werke stammen von seiner Hand, an mehr als 300 Orten hat er gearbeitet, zahllose Wettbewerbe gewonnen.

„Ich bin vom Barock gerissen“, hat er immer wieder gesagt und wohl „hingerissen“ gemeint. Wer sich angesichts all der modernistischen bis hin zur Video- und Konzeptionskunst reichenden Stile einen Blick für konventionelle bildhauerische Qualität bewahrt hat, wird Josef Hengers immenses Werk zu würdigen wissen. Ohne Übertreibung lässt sich sagen: Henger ist wohl der letzte barocke Bildhauer Oberschwabens , eine aussterbende Spezies.

Konservatives Handwerk

Seine filigranen Figuren bilden einen barocken Schau- und Bühnenraum voller fast tänzerisch wirkender, sich in ekstatischer Verzückung bewegender Figuren, Heiliger zumeist, die die Welt als irdisches Paradies widerspiegeln. Als er vor fünf Jahren im Städtischen Spital Ravensburg seine seit 1981 erst zweite Ausstellung in der Region bestritt, staunte so mancher Kunstkenner über seine hohe bildnerische Potenz.

In dieser schnelllebigen, auf Veranstaltungen aller Arten ausgerichteten Zeit gilt Josef Hengers Werk heute freilich als konservativ, ja veraltert. Dass man seine Arbeiten aus der Ravensburger Liebfrauenkirche – Osterleuchter, Ambo, Tabernakelträger – einfach entfernt hat, ohne ihn vorher nur zu informieren, und dass dies ausgerechnet seitens der katholischen Kirche geschah, für die er so viele Arbeiten geschaffen hat, ärgert, nein verletzt ihn noch heute. Doch will er darüber eigentlich nicht mehr groß reden. Die Arbeiten befinden sich mittlerweile in der „Rumpelkammer“ (Henger) eines ehemaligen oberschwäbischen Klosters. Der Vergleich mit dem Bildersturm der Reformationszeit (übrigens gegen Luthers Widerstand inszeniert) scheint nicht abwegig. Doch auch Hengers Elisabeth in der Kapelle des Elisabethenkrankenhauses wird es in Zukunft zumindest dort nicht mehr geben. Die OSK plant eine neue Kapelle mit neuer sakraler Kunst. Doch immerhin, so der Bildhauer, haben ihn die Klosterschwestern von Reute darüber informiert, dass die Elisabeth da keinen Platz mehr finde. Die Frage wirft sich auf: Wie groß ist der Verfallwert von Kunst?

Am wichtigsten war dem Bildhauer Henger, der sein Metier in einem achtjährigen Studium an der Kunstakademie München (1951 bis 1959) gelernt hat, unter anderem als Meisterschüler von Professor Josef Henselmann, zuletzt die Ordnung des Nachlasses. Die Scheune des 200 Jahre alten Bauernhauses seiner Eltern in Empfingen baute er aus und versammelte darin zum Teil auf edlen, fahrbaren Sockeln etwa 250 Gipsmodelle seiner Arbeiten, auch die Gipse des acht Meter hohen Weingartener Kreuzes (St. Maria) und des verspielten Ravensburger Rutenfestbrunnens am Obertor. Nur für wirklich Kunstinteressierte kann die Empfinger Scheune geöffnet werden.

Josef Henger hat sein gesamtes Werk fotografiert und katalogisiert – die Gipse und Originale – und in drei schönen Bänden der Nachwelt erhalten. Eine Sisyphusarbeit, die gut zehn Jahre dauerte. „Was daraus später wird, darüber müssen vor allem meine begabten Enkelkinder entscheiden“, sagt der 80-Jährige. Für alle neun Enkelkinder (acht bis 20 Jahre alt) – von August und Katharina bis Lukas und Viktoria – hat er inzwischen die Namenspatrone modelliert und in Bronze gießen lassen. „Dia muascht du no älle mache, sonscht händ mir koine, wenn du stirbscht“, hat eine Enkelin vor fünf Jahren zu ihm gesagt.

„Das alles wäre nicht möglich gewesen ohne meine Frau. Sie hat mich einfach machen lassen.“ Immer wieder betont der Künstler, der an der Münchner Kunstakademie mit dem berühmten, in diesem Jahr verstorbenen Holzbildhauer Rudolf Wachter studiert hat, die Rolle seiner Frau. „Er ist immer am Werkeln“, sagt Ans Henger über ihren Mann. Beim Modellieren habe er immer das Gefühl, „ich muss den Leuten eine Freude machen“, betont der Bildhauer. Die kommenden Jahre – das seien für ihn geschenkte, vergoldete Jahre.