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Auf den Spuren der Schwabenkinder

Wolfegg / Lesedauer: 3 min

Autor Elmar Bereuter führt die Teilnehmer der SZ-Leserreise mit Witz und Wissen durch den Bregenzerwald
Veröffentlicht:25.09.2012, 17:25

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Was ist geblieben von den Schwabenkindern? Kaum ein Artefakt gibt es, ein paar Bilder vielleicht, Einträge in Dienstbotenverzeichnisse und Geschichten. Was geblieben ist, ist also vor allem das Narrative, die Erzählung.

Und die Orte, aus denen die Kinder kommen, in Graubünden oder dem Bregenzerwald sowie die Orte, an denen die Kinder gearbeitet haben, in Oberschwaben und dem Allgäu. Um sich also mit der Thematik der Schwabenkinder zu beschäftigen, liest man am besten ein Buch von Elmar Bereuter und setzt sich dabei zum Beispiel auf eine Wiese auf dem Arlbergpass. Dann kann man sich einfühlen in die Schicksale und gleichzeitig sehen, wo die Kinder entlang gelaufen sind, die Kinderarbeiter. Oder man nimmt an der Schwabenkinder-Leserreise teil, die von der Schwäbischen Zeitung, Heine-Reisen aus Wangen und dem Bauernhausmuseum Wolfegg organisiert wurde.

Vergangenes Wochenende machten sich 14 SZ-Leser zusammen mit Elmar Bereuter auf den Weg nach Vorarlberg , um sich vor Ort auf die Spuren der Schwabenkinder zu begeben – sozusagen ohne Buch, dafür aber mit Autor. Noch dazu einem, der in der Region verwurzelt ist und sich wie kaum jemand anderes mit dem Thema Schwabenkinder auskennt, der ebenso gewandt über seine eigene Kindheit als auch über die des Schoppernauer Landwirts und Autors Franz Michael Felder sprechen kann.

Los ging es allerdings nicht in Vorarlberg, sondern im Bauernhausmuseum Wolfegg mit einer Führung durch die Schwabenkinderausstellung. Museumsleiter Stefan Zimmermann und Ausstellungskuratorin Christine Brugger erläuterten das Konzept. Das Besondere an der Wolfegger Ausstellung: Auch hier liegt die Konzentration auf dem Narrativen, dem persönlichen Schicksal – wenngleich dies auch fiktiv ist, aber zusammengestellt aus Aspekten realer Schwabenkinder-Leben.

Wo die Schwabenkinder herkamen, warum und wie beschwerlich der Weg sein konnte – das erzählte nicht nur Bereuter, davon bekamen die Reisenden eine Vorstellung. Vor allem bei der Fahrt durch nebelverhangene Täler und auch der Ausflug mit dem Wälderbähnle, wie die Bregenzerwaldbahn im Volksmund genannt wird, von der heut nur noch ein etwa fünf Kilometer langes Teilstück als Museumsbahn in Betrieb ist - inklusive Schwabenkinderwagon.

Dass das Schicksal der Schwabenkinder nicht nur eine singuläre historische Erscheinung war, das unterstrich Reinhard Schatz von Ubuntu, der Kulturinitiative der SOS Kinderdörfer, bei einem Vortrag. Kinder, die unter unwürdigen Umständen leben, oder besser: überleben, gibt es immer noch. Auch sie auf der Wanderung. Wie der inzwischen 23-jährige Hesmat aus Afghanistan, den Schatz als Beispiel nennt. Der sich aus Afghanistan in Richtung London aufmachte und bei einem SOS Kinderdorf in Österreich blieb. Der fast abgeschoben wurde und inzwischen doch die österreichische Staatsbürgerschaft hat. Dessen Mutter starb und dessen Vater von den Taliban ermordet wurde. Hermann Gmeiner, der Gründer der SOS-Kinderdörfer, stammt übrigens aus Alberschwende, ebenfalls Vorarlberg.

Birgit Ortner, die Leiterin des Museums Huber Hus in Lech, wagt noch einen anderen Blick auf das Thema: Der museumspädagogische Ansatz im Huber Hus ist, Lecher Kindern die Vergangenheit gegenwärtig zu machen, sie aufmerksam zu machen auf das Schicksal ihrer Vorfahren.

Wo diese Schwabenkinder landeten, erzählte in Ravensburg der Leiter des Museums Humpis Quartier, Dr. Andreas Schmauder. Denn Ravensburg war zusammen mit Friedrichshafen der Ort, an dem die Kinder von den Bauern ausgesucht wurden.

Den Abschluss fand die Reise am Ausgangspunkt: Wolfegg . Dort steht auch der Blaserhof, auf dem 1865 im Alter von acht Jahren der Graubündner Florin Derungs als Schwabenkind lebte und arbeitete. So schließt sich der Kreis und endet die Spurensuche. Und die Reiseteilnehmer dürften auf die Frage, was von den Schwabenkindern bleibt, wohl jeder eine eigene, persönliche Antwort gefunden haben.