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„Jugendlichen brauchen jemanden zum Reden“

Aulendorf / Lesedauer: 5 min

„Jugendlichen brauchen jemanden zum Reden“
Veröffentlicht:01.12.2011, 19:55

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Klaus Poppenmaier von der Initiative „Aktiv in Auledorf“ (AKA) engagiert sich seit rund sechs Jahren in der Jugendarbeit der Stadt. Jetzt ist er für den Zivilcourage-Preis vorgeschlagen worden, der am Samstag in Leutkirch vergeben wird. Simone Harr hat sich mit Poppenmaier getroffen und mit ihm über seinen Einsatz für die Jugendlichen und die Nominierung gesprochen.

SZ : Was war ausschlaggebend für Ihr Engagement in der Jugendarbeit?

Poppenmaier: Ich habe vor etwa sechs Jahren erfahren, wie viel Gewalt auf den Schulwegen in Aulendorf herrscht. Auch in der Zeitung konnte man immer wieder über Gewalttaten lesen. Ich wollte nicht mehr tatenlos zu schauen. Ich habe deshalb mich mit vielen Personen unterhalten, mit der Polizei, den Schulen, dem Rathaus und mit Betroffenen. Ich hörte oft, man wäre machtlos oder nicht zuständig.

SZ: Wie sind sie zur Initiative AKA gekommen?

Poppenmaier: Ich bin in dieser Zeit zu einer Sitzung des AKA eingeladen worden. Dort hieß es, dass sich der AKA auflösen möchte. Ich habe gesagt, wenn es den AKA nicht geben würde, müsste man ihn neu erfinden. Ich war als Zuhörer zu der Sitzung eingeladen worden und als Vorsitzender bin ich gegangen.

SZ: Wie ging es dann weiter?

Poppenmaier: Ich bin Handwerker und ich wusste, dass ich jemanden aus der Jugendsozialarbeit brauche, der mich unterstützt. Schulsozialarbeiter Jonathan Schütz und ich haben uns überlegt, wie wir die Jugendlichen erreichen können. Es wurde uns schnell klar, dass es ohne einen Hauptamtlichen nicht gehen wird. Die Jugendlichen brauchen jemanden, der kontinuierlich und verlässlich da ist. Wir haben dann drei Jahre gearbeitet, eine Konzeption erstellt und das Geld für die Finanzierung für einen Jugendsozialarbeiter für Aulendorf zusammengetragen.

SZ: Wie haben die Jugendlichen auf ihre Engagement reagiert?

Poppenmaier: Sie waren froh und dankbar, dass nun jemand für sie da ist. Das hat mich weiter motiviert. Bei ein paar Schlägertypen konnten wir gleich Veränderungen erreichen. Früher war Aulendorf stark am Amtsgericht vertreten. Das haben wir jetzt auf ein normales Maß bekommen, wenn nicht sogar weniger.

SZ: Warum kommt es überhaupt zu Vandalismus und Gewalt durch Jugendliche?

Poppenmaier: Die Taten geschehen, weil die Jugendlichen auf ihre Probleme aufmerksam machen wollen. Sie können sich nicht anders ausdrücken. Dass sie dann Ärger bekommen, ist ihnen egal. Um ein anderes Bewusstsein in ihre Köpfe zu bekommen, muss man mit ihnen reden und zeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Die Jugendlichen sind froh, wenn sie jemanden zum reden haben. Es ist überraschend, wie offen sie über ihre Probleme reden.

SZ: Wie reagieren die Aulendorfer auf Ihr Engagement?

Poppenmaier: Am Anfang haben mich manche Leute gefragt, warum ich den Tätern und nicht den Opfern helfe. Ich möchte mit den Tätern arbeiten, auch sie sind irgendwie Opfer. Inzwischen ist in Aulendorf und in der Umgebung bekannt, dass ich mich für die Jugendlichen einsetze.

SZ: Seit kurzem gibt es den Kinder- und Jugendtreff in der Osteria. Wie bewerten Sie die Einrichtung?

Poppenmaier: Es ist eine ganz wichtige Einrichtung. Wir haben nun neben der aufsuchenden Jugendarbeit auch die Osteria. Es ist ein Treffpunkt für Jugendliche und bietet den Jugendsozialarbeitern die Möglichkeit Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen zu halten. Es gibt für den Treff bereits viele Ideen, wie beispielsweise eine Hausaufgabenbetreuung oder ein Treffpunkt für Eltern. In Leutkirch gibt es so etwas im Jugendhaus. Dann sehen die Eltern auch, wo sich ihre Kinder treffen.

SZ: Als Jugendsozialarbeiter kam Yauhen Lukashevich nach Aulendorf. Das Projekt „Aktive Kinder-, Jugend- und Familienarbeit“ endet Ende Januar 2012. Was passiert dann?

Poppenmaier: Zur Zeit ist Marco Eckle, ebenfalls gelernter Sozialarbeiter, mit im Team. Mit ihm arbeiten wir daran, die Nachhaltigkeit zu sichern. Im vergangenen Jahr konnten wir Jugendliche gewinnen, die einen Jugendleiterkurs machten. Auf sie wollen wir aufbauen, aber parallel benötigen wir Erwachsene, notfalls gegen eine Aufwandsentschädigung für die Betreuung in der Osteria.

Yauhen Lukashevich arbeitet nahtlos in Aulendorf weiter, unser Platz im Spitalhof gehört zu dem Projekt „Wika – Wir können auch anders“. Es kommen zum Teil dieselben Leute, auch Jugendliche, die ansonsten nachts auf dem Schulhof oder am Bahnhof herumhängen. Hier sind die Grenzen nicht zu eng, meistens auch ohne Aufsicht. Hier bekommen wir Kontakt zu denjenigen, die über offene Jugendarbeit nicht zu erreichen sind. Hier beginnt man ganz unten, wir zeigen, dass es auch anders geht: eben Wika. Der AKA, also wir Aulendorfer sind aufgefordert, Herr Lukashevich bei seiner Arbeit zu unterstützen.

SZ: Was haben Sie selbst durch Ihr Engagement gelernt?

Poppenmaier: Am Anfang war ich eine Art Hartliner. Ich wollte mit der Brechstange rein und aufräumen. Ich wollte die Namen der gewalttätigen Jugendlichen herausfinden und sie an den Pranger stellen. Doch durch die Zusammenarbeit mit den Jugendsozialarbeitern habe ich gelernt, dass Prävention anders funktioniert. Ich habe gelernt, wie ich mit den Kindern und Jugendlichen umgehen muss, was ich ihnen sagen darf und was nicht.

SZ: Was wünschen Sie sich für die Jugendarbeit in Aulendorf für die Zukunft?

Poppenmaier: Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Erwachsene in der Jugendarbeit engagieren. Es gibt den Spruch aus Afrika: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“. Die Erwachsenen könnten die Hausaufgabenbetreuung übernehmen oder etwas mit den Kindern und Jugendlichen basteln. Die Arbeit mit den Jugendlichen kostet einen nicht nur Zeit, sondern sie gibt einem auch viel. Außerdem bleibt man selbst jung, wenn man mit Jugendlichen zusammenarbeitet.

SZ: Wie haben Sie darauf reagiert, dass Sie für den Zivilcourage-Preis vorgeschlagen wurden?

Poppenmaier: Yauhen Lukashevich hat mich für den Preis vorgeschlagen. Das hat mich natürlich gefreut. Aber letztendlich geht es dabei nicht um mich als Person. Der Vorschlag soll ein Zeichen nach außen sein, dass ehrenamtliches Engagement anerkannt wird.