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Papamobil

Überwältigt: Dem Papst ganz nah

Markdorf / Lesedauer: 5 min

Überwältigt: Dem Papst ganz nah
Veröffentlicht:27.09.2011, 13:40

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Der Papst nähert sich. Man hört es an den jubelnden Menschen etwas weiter weg. Wie eine riesige La-Ola-Welle in Zeitlupe folgt der Jubel dem Papamobil durch die Gasse aus Gläubigen. Mittendrin, im Sektor B2 auf dem Messegelände in Freiburg, steht auch eine kleine Gruppe aus Markdorf. Noch ist es still. Aber dann brausen auch um sie herum die Rufe nach „Benedikt!“ auf. Alle quetschen und drängen sich an den Zaun und vergessen kurz, dass sie eigentlich zu einer friedlichen Messe wollen. Jetzt geht es darum, dem Papst ganz nahe zu sein. Dann fährt das Papamobil langsam vorbei. Papst Benedikt dreht den Kopf und lächelt, keine fünf Meter entfernt. In diesem Moment scheint die Welt kurz ganz ruhig zu werden. Die Markdorfer schauen gebannt. „Er schaut zu uns, er schaut zu uns!“, ruft jemand aufgeregt. Diesen Augenblick werden sie wohl nie wieder vergessen.

Es ist einer der Momente, für den die Pilger all die Strapazen auf sich genommen haben, für den sie mit etwa 100000 anderen Menschen nachts aufgestanden sind und sich in den Reisebus gesetzt haben. In Bermatingen ist der Reisebus um vier Uhr losgefahren und hat dann die Markdorfer eingesammelt. In Freiburg dann reihten sie sich in die Ströme ein, die anhand von farbig markierten Pilgerrouten durch die Stadt geleitet wurden. Obwohl dabei alles friedlich geblieben ist: Der Weg zum Papst war kein leichter. Morgens waren viele der Straßenbahnen in der Stadt hoffnungslos überlastet.

Eine kleine Gruppe der Markdorfer Pilger schafft es trotzdem sich in einen S-Bahn-Waggon zu quetschen. Jetzt sind sie mitten in einer Papst-Party. Draußen geht langsam die Sonne auf, und im Wagen klatscht und singt sich eine Gruppe italienischer Pilger mit orangefarbenen Mützen schon mal warm. Die Haltestellen, an denen sie vorbeikommen, sind überfüllt mit winkenden Menschen. Die Markdorfer mischen sich unters Volk. Raimund Thöne aus Oberteuringen und Mihály Orosz aus Bermatingen sind in ein Gespräch mit einer Frau vertieft. „Die ganze Diskussion im Vorfeld finde ich übertrieben“, sagt sie. „Richtig, schließlich ist das ja auch ein Wirtschaftsfaktor“, sagt Raimund Thöne. In der überfüllten S-Bahn kommt es zwischen vielen Pilgern sofort zu ernsten Themen. Kein Smalltalk, es geht um den Islam, um die Missbrauchsfälle, um den Zölibat. Keiner beschwert sich über die Lautstärke oder die Enge.

Der Weg der Markdorfer Pilgergruppe ist mit der Farbe „Rot“ gekennzeichnet. Jeder hat eine Karte mit dem Anreiseplan bekommen. Zuvor hat Sebastian Döbele vom Markdorfer Pfarrbüro die Pilger bereits darauf aufmerksam gemacht, dass der letzte Teil ein Fußmarsch von zweieinhalb Kilometern sein wird. Und zwar über eine abgesperrte Autobahn.

„Das sieht aus wie ein riesiger Bandwurm!“, staunt Elisabeth Fleischmann als die kleine Gruppe aus Markdorf mit Zehntausend anderen Pilgern Richtung Flugplatz läuft. Neben Elisabeth Fleischmann geht Barbara Dittrich aus Bermatingen. Sie versucht, nicht an ihr Knie zu denken – das soll bald operiert werden. „Aber wenn ich zuhause geblieben wäre, das hätte mir keine Ruhe gelassen“, erklärt sie. „Ein guter Christ ist man nicht einfach so, da muss man auch etwas dazutun.“ Während sich die Pilgermasse gemächlich voranschiebt, singen einige Pilger vor sich hin. Dann strömen sie mit den anderen Menschen am Flughafengelände ein. Hinter dem „Pilgertor Rot“ laufen sie über die Startbahn des Flughafens Richtung Altar.

Das Flughafengelände ist in Sektoren eingeteilt. Von ihrem Teil aus kann die Markdorfer Pilgergruppe den Altar gut sehen. Allerdings gibt es ein Platzproblem: Viele Pilger haben die Nacht bereits auf dem Gelände verbracht. Als die Markdorfer Pilgergruppe in ihrem Sektor ankommt, sind die meisten Sitzplätze auf den Holzbänken schon belegt.

Die Messe beginnt, und die Sonne brennt vom Himmel. Das frühe Aufstehen, die Anstrengung, die Hitze – bei vielen Pilgern macht sich das jetzt bemerkbar. Helfer laufen zwischen den Gläubigen hindurch und verteilen Wasserflaschen mit dem Aufdruck des Gesichts von Papst Benedikt. Als die Menschen auf die Knie fallen und leise beten, liegt etwas Seliges in der Luft. Viele Menschen schließen die Augen und lauschen den Worten des Papstes.

„Es war eine unglaubliche Energie da“, beschreibt das Mihály Orosz später nachdenklich, als die Gruppe auf die Abfahrt des Buses wartet. Dank dieser Energie sind die Pilger über sich hinausgewachsen. Barbara Dittrich hat ihr Knie gleich vergessen. Niemand jammert über Fußschmerzen obwohl sie definitiv jeder hat, nach fünf Kilometer Fußmarsch. Auch Elisabeth Fleischmann lächelt glücklich und erschöpft über einem Becher Kaffee und stellt zufrieden fest: „Also heute haben wir mal ordentlich Buße getan.“