StartseiteRegionalRegion LindauLindauSkipper Andreas Lochbrunner reizt das unbekannte Gewässer

Behandlungszimmer

Skipper Andreas Lochbrunner reizt das unbekannte Gewässer

Lindau / Lesedauer: 4 min

Seit 125 Jahren bringt erstmals ein Bayer den deutschen Segler-Verband auf Kurs
Veröffentlicht:17.01.2014, 16:40

Von:
Artikel teilen:

Langsam geht bei ihm nichts. Im Laufschritt eilt er aus dem Behandlungszimmer, gibt der Sprechstundenhilfe noch ein paar Anweisungen, erledigt ein kurzes Telefonat – und schon ist Andreas Lochbrunner bei seinem nächsten Patienten. Dabei verliert er den See nie aus dem Blick. Wenn es windig wird, kann der Zahnarzt schon mal unruhig werden - weil es ihn auf sein Boot zieht.

Das wird jetzt wohl öfters im Hafen bleiben. Denn der Lindauer hat Ende des vergangenes Jahres ein nicht ganz unbedeutendes Ehrenamt übernommen: Er ist Präsident des deutschen Segler-Verbandes ( DSV ). Damit steht zum ersten Mal in der 125-jährigen Geschichte des DSV ein Vertreter aus dem Süden an der Spitze des Dachverbands der Segler in Deutschland.

„Bisher sind die Präsidenten immer nur aus Hamburg , Kiel oder Berlin gekommen“, erklärt Lochbrunner. Dass er diese Tradition durchbrochen hat, freut den 65-Jährigen, der seit 50 Jahren Mitglied im Lindauer Segler-Club (LSC) ist. „Natürlich bin ich stolz“, gibt er zu. „Aber nicht nur für mich, sondern für den ganzen Süden, insbesondere für den Bodensee.“ Die Freunde vom See lassen „ihren“ Präsidenten entsprechend hochleben. Die Glückwunschpost stapelt sich inzwischen bei Lochbrunner. „Ich hatte noch gar nicht die Zeit, alle Briefe zu beantworten“, sagt er kopfschüttelnd.

Andreas Lochbrunner hebt deswegen nicht ab. Das ist nicht die Art des bodenständigen Seglers. „Wenn da zwei, drei aus dem Norden gewesen wären, die gesagt hätten, wir machen das, wäre einer von denen Präsident geworden“, wiegelt er ab. „Das muss man realistisch sehen.“ Doch die großen Herausforderungen, die auf den neuen Präsidenten warten, reizten offensichtlich nicht viele. Andreas Lochbrunner sehr wohl. Er ist ein Macher, einer, der gern selber anpackt und den Kurs vorgibt.

Und er hat schon gezeigt, dass er auch auf rauer See und in unbekannten Gewässern den richtigen Kurs findet. Als Präsident des Sailing Team Germany (STG), einer Initiative zur Förderung des Hochleistungssports, bewies der Lindauer, wie er selbst sagt, dass er „gut strukturiert und klar vorgehen“ kann. Dadurch machte sich Lochbrunner in Hamburg und Kiel einen Namen, die Kontakte zum DSV wurden enger. Und so war es nur eine logische Folge, dass der Lindauer bei der Suche nach einem neuen Präsidenten bald als Wunschkandidat galt.

„Da merkt man, was Vergangenheit heißt“

Lochbrunner kann mit einem lebendigen Netzwerk punkten. „Ich bin 40 Jahre wie verrückt rumgefahren.“ In verschiedenen Regattaklassen, bei Weltmeisterschaften wie bei kleinen Regatten knüpfte er viele Kontakte. „Ich kenne tausend Leute. Da merkt man, was Vergangenheit heißt“, sagt der 65-Jährige. Heute profitiert er von den „guten Spuren“, die er in der „großen Seglerfamilie“ hinterlassen hat.

Jetzt heißt es Ärmel hochkrempeln. Als Präsident müsse er repräsentieren, verschiedene Meinungen zusammenführen und moderieren. Lochbrunner weiß aber auch, dass ein guter Präsident klar Position bezieht. „Man muss die Meinungsführerschaft bei wichtigen Themen innehaben.“

Und die haben es in sich - angefangen von der Etablierung der Bundesliga bis hin zu den Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele in Rio. „Da müssen wir die Strukturen des Verbandes umstellen, das wird richtig Arbeit“, ist sich Lochbrunner sich. Außerdem möchte sich der neue Präsident um die Breitensportler kümmern, die „Außendarstellung des Verbandes auffrischen“ und die Arbeitsstrukturen verändern. „Jetzt, in der Phase des Wechsels, ist die Zeit dafür.“

Trotz des großen Pensums - als Zahnarzt will Andreas Lochbrunner nicht kürzer treten. Er werde lediglich alle zwei Wochen für einen Tag fehlen, denn vieles ließe sich per E-Mail regeln. Wichtig sei, „seine Arbeit zu konzentrieren und andere Arbeiten abzugeben“. Deshalb habe er im Sailing Team Germany, im Bayerischen Segler-Verband, im Bodensees-Segler-Verband und im LSC sein Engagement zurückgeschraubt. Dadurch habe er Kapazitäten für den neuen Job frei, in den er mit voller Energie startet. „Ich brauche nicht viel Schlaf, fünf Stunden sind ausreichend.“

Zurückstecken will er auf keinen Fall bei seiner großen Leidenschaft, dem Segeln. Er habe das neue Jahr auf dem See begonnen – und so solle es auch weitergehen. Weltmeisterschaften, die Kieler Woche und weitere Regatten sind fest gebucht. Seine Kräfte zu messen und „auch schon mal an die Grenzen zu kommen“ – Andreas Lochbrunner braucht das.

Auf dem Wasser hat er viel gelernt. Als ehemaliger Finn-Steuermann blieb ihm nichts anderes übrig, als Verantwortung für die eigenen Fehler zu übernehmen, als Skipper lernte er Teamgeist. Beides kommt ihm bei der Verbandsarbeit zugute, ebenso wie seine Gründlichkeit. „Wenn man etwas anpackt, muss man es durchdenken bis man auf den Boden kommt und darf nicht irgendwo zwischendurch liegenbleiben“, sagt Lochbrunner, der nichts übergehen und nichts verschleiern will. „Du musst halt ein Fiseler sein.“