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Lernerfolg

Frühe Bildung verbessert Lernerfolg

Lindau / Lesedauer: 3 min

Hirnforscher Gerhard Roth erklärt Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen
Veröffentlicht:15.04.2014, 15:00

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„Bildungsnahe Elternhäuser, das ist ein positives Schicksal“, sagte Biologe und Hirnforscher Gerhard Roth und verband so das Thema „Schicksal“ der zweiten Lindauer Psychotherapiewoche mit den Inhalten seines Vortrags. Unter dem Titel „Begabung, frühe Umwelt und Lernerfolg“ schilderte er physiologische und psychologische Vorbedingungen für eine möglichst ideale Entwicklung der kindlichen Intelligenz. Fördernde, nicht fordernde Eltern und Lehrer spielen dabei genauso eine Rolle wie Charaktereigenschaften des Kindes. Als langjähriger Präsident der „Studienstiftung des deutschen Volkes“ sprach Roth außerdem über die Förderung besonders begabter Jugendlicher und analysierte deren positive Entwicklung.

Prinzipiell sind die Startvoraussetzungen im Kindesalter erfreulich ähnlich: „Bildung beginnt bei null“, betonte Roth. Die Chance, Kinder für das Lernen zu begeistern, hängt stark von den äußeren Bedingungen ab: Kompetente, vertrauenswürdige Lehrer, Unterstützung durch die Eltern und die Persönlichkeit des Schülers sind wichtige Voraussetzungen ‒ genau in dieser Reihenfolge. Doch schon weit vor dem ersten Schultag laufen alle wichtigen Entwicklungsschritte ab, die für ein unkompliziertes Lernen nötig sind: Das Kind lernt, Stress zu bewältigen, sich selbst zu beruhigen und zu motivieren, eine vertrauensvolle Bindung zu Eltern und Umgebung aufzubauen und auch, seine Impulse zu hemmen. „Schulerfolg hängt von diesen Rahmenbedingungen ab“, betonte Roth die Bedeutung der ersten Lebensjahre. Störungen der Cortisol-Produktion in der Schwangerschaft könnten zum Beispiel eine Übererregbarkeit beim Kind zur Folge haben. Generell soll man kleine Kinder, bei allem Wunsch, aus diesem Grund nicht zum Lernen zwingen: „Kinder haben bis zum Alter von drei Jahren ein höchst sensibles Stressbewältigungssystem“, erklärte Roth. Bei Überforderung blockiert das Gehirn einfach. „Anregen statt aufregen“, laute deshalb die Devise bei Kindern unter drei Jahren, so Roth.

Generell hängt der Lernerfolg eines Schülers stark von Charaktereigenschaften wie Fleiß, Motivation und Durchhaltevermögen ab. Der Faktor Intelligenz, definiert als „kreatives Problemlösen unter Zeitdruck“, ist jedoch zu 50 bis 60 Prozent angeboren, sagte Roth. Das hängt von der Grundstruktur des Gehirns ab: Wie schnell es im Gehirn „vor und zurück geht“, also vom vorderen Arbeitsgedächtnis im Schläfenlappen in die hinten im Gehirn angesiedelten Areale des „Expertenwissens“, ist in die Wiege gelegt und „kaum trainierbar“.

Die Ergebnisse liebevoller Ermutigung und Anleitung durch die Eltern sind jedoch nicht zu unterschätzen: Kinder unter 15 Jahren verändern ihren IQ-Punkte-Durchschnitt noch und können bis zu 120 Punkte erreichen. Das ist deutlich über dem Abiturienten-Durchschnitt von 113,6 Punkten. Das Gehirn lernt jedoch in jedem Fall nur, wenn es regelmäßig und fleißig „gefüttert“ wird.

„Unser Gehirn merkt sich besonders gut, wofür es viel getan hat“, gibt Roth die wichtigste Lernregel wieder. Stetige Wiederholung, im besten Fall über mehrere Jahre und sechs Stunden täglich, benötigt das Gehirn im Normalfall, um ein komplexes neues System wie Mathematik oder eine Sprache zu lernen. Bei Kindern könne dieses stete Training noch einen IQ-Punkte-Zuwachs von bis zu 15 Punkten nach oben bewirken. Erwachsene erzielen dagegen nur noch marginale Punkteveränderungen, die durch regelmäßiges Training ständig stabilisiert werden müssen. „Wir sollten uns dann auch auf soziale Kompetenzen konzentrieren“, gab Roth schmunzelnd einen Tipp.

Im Umgang mit den Hochbegabten der Studienstiftung , die überwiegend einen IQ von 135 erzielen, stellte Roth folgende Auffälligkeiten fest: Rund 80 Prozent der Eltern hatten ein Abitur, die Mehrheit ein Studium und verfügten damit über eine hohe soziale Herkunft. Eine kleine Gruppe von Studenten (11 Prozent) erarbeitete sich die Stipendien jedoch durch Fleiß und dank guter Förderung durch Eltern und Lehrer. „Frühe Ermutigung, liebevolle Unterstützung und Aufmerksamkeit sind und bleiben entscheidende Faktoren für Lernerfolg“, hob Roth den emotionalen Anteil zum Abschluss seines Vortrags noch einmal hervor.