StartseiteRegionalRegion LindauLindauErmittlungen im Fall Sajira abgeschlossen

Ermittlung

Ermittlungen im Fall Sajira abgeschlossen

Lindau / Lesedauer: 5 min

Ermittlungen im Fall Sajira abgeschlossen
Veröffentlicht:31.03.2010, 08:45

Artikel teilen:

Sajira S. ist das 14-jährige Mädchen, das am Tag vor Weihnachten auf der A 96 zu Tode kam. Nach ihrem Tod hat die Kripo Lin- dau umfangreiche Ermittlungen angestellt, ob möglicherweise ein Verbrechen im Spiel ist. Nach dem Abschlussbericht steht für die Polizei fest, dass es kein Verbrechen war. Dennoch bleiben Fragen zum Tod des Mädchens offen.

Von unserem Redakteur Michael Brandt

In der Wohnung von Semira D. ist ihre Tochter Sajira noch lebendig. Im Wohnzimmer und in Sajiras Zimmer steht jeweils ein kleiner Altar mit Bildern des Mädchens und brennenden Kerzen. Das Handy der Tochter liegt noch da, die Mutter zeigt die Bilder, die das Mädchen wenige Stunden vor ihrem Tod mit einer Freundin beim Brillenanprobieren gemacht hat.

Die letzten Bilder wurden gegen 13 Uhr gemacht. Wenige Stunden später, am 23. Dezember um 20.45 Uhr wurde sie auf der A96 von einem VW-Bus erfasst und zog sich dabei so schwere innerliche Verletzungen zu, dass sie am nächsten Morgen kurz vor 3 Uhr im Ravensburger Krankenhaus nach mehreren Notoperationen starb.

Auch nach umfangreichen Ermittlungen der Polizei ist noch immer rätselhaft, wie das Mädchen auf die Autobahn kam. Fest steht nur, dass das entsprechende Autobahnstück, die Verzögerungsspur zur ehemaligen Zollabfertigung in Richtung Österreich, nur wenige Minuten von ihrem Zuhause entfernt ist, und dass sie etwa 15 Minuten vor dem Unglück das Haus verließ. Es ist jedoch unklar, wie sie auf die Autobahn kam. Möglichkeit eins wäre, dass sie von der Brücke, die an dieser Stelle über die Autobahn führt, stürzte. Möglichkeit zwei ist, dass sie vom Fahrbahnrand auf die Straße lief.

Gerüchte über Verbrechen

Nach dem Ereignis hatte es in ihrem Umfeld eine ganze Reihe von Gerüchten gegeben, wie es zu dem gewaltsamen Tod gekommen sein könnte. Nach einer Version hatte sie Streit mit einem anderen Mädchen, das mehrere junge Leute aus Vorarlberg mit Migrationshintergrund engagiert haben soll, um Sajira zu entführen. Da sie sich gewehrt habe, sei sie von der Brücke gestoßen worden. Nach einer anderen Version sei sie mit anderen in einem BMW auf der Autobahn gefahren. Es sei zum Streit gekommen, worauf sie aus dem Auto gestoßen worden sei.

Nach den Ermittlungen der Kripo ist mittlerweile aber sicher, dass beide Versionen falsch sind. Dabei stützen sich die Ermittler vor allem auf ein Telefonat, das Sajira fünf Minuten vor dem Unfall geführt hat, aus dem klar hervorgeht, dass sie nicht entführt war.

Umfangreiche Ermittlungen

Diese Erkenntnisse sind das Ergebnis ungewöhnlich umfangreicher Ermittlungen von Schutz- und Kriminalpolizei. Wie Polizeisprecher Christian Owsinski im Gespräch mit der Lindauer Zeitung berichtet, wurde nach dem Tod zunächst von der uniformierten Polizei ermittelt, ob eine Unfallflucht in Frage kommt. Hierzu wurden umfangreiche Spuren gesichert und mithilfe des Landeskriminalamtes ausgewertet. Ergebnis: „Es gibt weiterhin keinen Hinweis auf ein weiteres Fahrzeug.“

Die Kripo hat unterdessen geprüft, ob ein Verbrechen in Frage kommt oder möglicherweise auch Selbstmord. Was die Verbrechenstheorie angeht, so haben die Beamten umfangreiche Vernehmungen gemacht. Unter anderem mit einem anderen jungen Mädchen, das offenbar am Todestag Drohungen gegen die 14-Jährige ausgestoßen hatte. Das Ergebnis dieser Ermittlungen heißt jedenfalls, so Owsinski: „Die Verbrechenstheorien sind komplett erfunden und lassen sich in keiner Weise verifizieren.“

Aus Sicht der Polizei ist der Fall damit zunächst abgeschlossen. Was aber auch heißt, dass es letztlich im Dunkeln bleiben wird, was in den Minuten vor dem Unglück genau passiert ist. Selbstmord ist eine Möglichkeit, ein Unfall die andere.

Mutter hat noch Fragen

Für Sajiras Mutter allerdings bleiben noch Fragen offen. Sie berichtet von einer ganzen Reihe Merkwürdigkeiten, die sich im weiteren und engeren Vorfeld ihres Todes ereignet haben, und die für sie nicht zu erklären sind.

Unter anderem auch am Tag des Unglücks selbst: Die Tochter sei tagsüber mit einer Freundin in Wangen gewesen. Am Nachmittag sei sie nach Hause gekommen und habe mit der Mutter telefoniert, die zu diesem Zeitpunkt bei einer Freundin war. Sie habe berichtet, dass sie von einer anderen Freundin bedroht worden sei, offenbar weil es Streit um ein Paar Schuhe gebe. Dieses Schuhpaar sei bei Bekannten in Lochau und die Freundin habe nun von Sajira verlangt, es dort abzuholen und ihr auszuhändigen.

Gegen 20 Uhr kam die Mutter dann nach Hause, wo sie die Tochter schlafend vorfand. Sie machte sich Gedanken über die Geschichte mit den Schuhen und rief daher mit dem Handy der Tochter die Freundin an und fragte, warum sie ihre Tochter bedrohe. Ein Wort gab das andere, und nach den Worten der Mutter hat die Freundin der Tochter schließlich zu ihr gesagt: „Passen Sie gut auf, was mit Ihrer Tochter passiert!“.

Da das Gespräch zunehmend laut wurde, wachte die Tochter auf, nahm der Mutter das Handy weg und telefonierte weiter mit der Freundin. Anschließend sagte sie zur Mutter: „Mama, du hast alles noch schlimmer gemacht. Ich hole jetzt die blöden Schuhe.“ Wenig später verließ sie das Haus und 10 bis 15 Minuten später kam es zu dem Unglück.