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Vogelspinne

Eine haarige Angelegenheit

Lindau / Lesedauer: 4 min

Besucher können im Kolpinghaus mehr als 500 Insekten und Spinnen sehen und anfassen
Veröffentlicht:23.04.2014, 14:15

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„Irgendwie flauschig“ hat das Tier sich angefühlt, sagt Michelle Bartenschlager und lacht. Aber hier geht es nicht um kuschelige Kaninchen oder Lämmer, wie man sie sonst aus dem Streichelzoo kennt, sondern um eine handtellergroße Rote Chile-Vogelspinne mit haarigen Beinen. Diese setzt Veranstalter Sergio Neigert mutigen Besuchern bei der großen Spinnen- und Insektenausstellung in Kolpinghaus am Ostermontag auf die Hand.

Viele Interessierte sind zur Ausstellung gekommen, aber nicht alle möchten gleich mit den Spinnen auf Tuchfühlung gehen. Durch das sichere Glas der Terrarien können diese Besucher die Vogelspinnen verschiedener Arten eingehend betrachten. Da gibt es die Goldknievogelspinne, die laut Infotafel „eine sehr pflegeleichte Vogelspinne“ und „relativ friedlich“ ist. Die Rote Usambara-Vogelspinne dagegen „wird oft als aggressiv bezeichnet.“ Im Moment zeigt sich das Tier aber nicht, sondern verschwindet hinter einem klebrigen Vorhang aus dichten Spinnweben im Terrarium. In anderen Terrarien scheinen zunächst zwei Spinnen zu sitzen – bei genauerem Hinsehen handelt es sich jedoch nur um die verlassene Haut, denn Vogelspinnen häuten sich in regelmäßigen Abständen.

„Solange ich die Spinnen nicht anfassen muss, ist alles gut“, sagt Besucherin Silke Krüger. Ihre kleine Tochter Doreen hat keine Angst vor den Spinnen. Am besten hat ihr die größte Spinne der Welt gefallen, die Vogelspinne Theraphosa Blondi. „Die ist so groß“, sagt Doreen und hält ihre Hände etwa 30 Zentimeter weit auseinander. Doch nicht nur Vogelspinnen gibt es zu sehen, Freunde von harmloseren Tieren können schillernde Schmetterlinge in Vitrinen betrachten oder sich ungewöhnliche Arten wie den bunten Musikantenkrebs genauer anschauen.

Viele Kinder trauen sich

„Bitte gehen Sie alle ein, zwei Schritte zurück“, fordert Neigert die Besucher auf, bevor der Streichelzoo in die nächste Runde geht und er die Vogelspinne aus einer Box holt. „Selbst wenn jemand gebissen wird, muss er keine Angst haben“, beruhigt Neigert. Ein Spinnenbiss sei zwar achtmal so schmerzhaft wie ein Wespenstich, aber nicht gefährlich. In den viereinhalb Jahren, die er jetzt schon mit seiner Ausstellung unterwegs ist, habe er über 1000 Besuchern eine Vogelspinne auf die Hand oder sogar ins Gesicht gesetzt und kein einziger sei gebissen worden. Viele Kinder trauen sich und halten ganz still, während die Spinne über die Hand krabbelt oder reglos dasitzt. „Es hat nur ein bisschen gepikst“, erzählt Lorenz Wendland. Auch Doreen Krüger und ihre Mutter sitzen Neigert jetzt erwartungsvoll gegenüber. Silke Krüger scheint ihre Meinung geändert zu haben – auch wenn man eine Vogelspinne anfassen muss, ist alles gut. Sie lacht, als Neigert ihr das Tier auf die Hand setzt.

Während die meisten Besucher, die das Spektakel verfolgen, trotz leisen Ekels vergnügt zuschauen, sitzt ein junger Mann mit angespanntem Gesichtsausdruck ein wenig abseits. Cesare Stabel möchte die Gelegenheit nutzen, seine Spinnenphobie zu überwinden. Neigert nimmt sich für solche Besucher extra Zeit. Stabel erzählt, dass der Spinnenaussteller ihm nachher in einer ruhigen Ecke alles über die Spinnen erklären werde, bis er sich traue, eine von ihnen auf die Hand zu nehmen. Stabel sagt, er habe große Angst vor Spinnen: „Wenn ich eine Spinne nur sehe, fange ich an zu weinen und zu schreien, ich bekomme Panik. Ich möchte mir am liebsten die Klamotten vom Leib reißen, weil ich Angst habe, dass sie irgendwo auf mir rumkrabbeln könnte.“

Stabel ist mit dieser Abneigung nicht allein – viele Menschen haben Angst vor Spinnen, doch nur wenige würden ihre Angst wohl so radikal beenden wollen. Ob Stabel die Spinne wirklich auf die Hand nimmt, bleibt offen, denn das Vorgespräch mit Neigert könne dauern, sagt er. Aber der Wille ist da: „Das ist wie in der Schlange bei einer Achterbahn anstehen. Wenn man sich doch nicht traut, bereut man es hinterher zwei Jahre lang.“