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Vom Konsumenten zum Prosumenten

Friedrichshafen / Lesedauer: 2 min

Ulrich Dohle und Niko Paech diskutieren über die Grenzen des Wachstums
Veröffentlicht:05.02.2014, 16:25

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„Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht.“ Wer das sagt? Niko Paech, Nachhaltigkeitsforscher von der Universität Oldenburg . Er ist überzeugt, dass ökonomisches Wachstum keine Option mehr ist, um Gesellschaften zukünftig zu gestalten. Warum, erklärte der 53-Jährige am Mittwochabend vor 300 Zuhörern in der Zeppelin Universität anhand von fünf Thesen. These 1: Die Verknappung der für Wachstum benötigten Rohstoffe führt zu Verteuerungen. These 2: Weiterem Wachstum sind psychologische Grenzen gesetzt. Denn obwohl die Menschen in Deutschland immer wohlhabender werden, steigt die Zahl der eingenommenen Anti-Depressiva. These 3: Wachstum ist kein Instrument, um soziale Gerechtigkeit herzustellen. Im Gegenteil. Die Reichster werden reicher, die Ärmster armer. These 4: Mit systematischer Verschuldung und „gnadenloser Subventionitis“ werde in Europa versucht, dem Erlahmen der Konjunktur zu begegnen – und somit die nächste Finanzkrise heraufbeschworen. These 5: Es gibt ökologische Grenzen, denn das Klima mache nicht alles mit.

Die große Frage ist für Niko Paech: „Was kann sich ein Individuum im 21. Jahrhundert erlauben, ohne über seine Verhältnisse zu leben?“ Nicht viel. Der Mensch müsse sich vor allem unabhängiger machen von der Fremdversorgung durch industrielle Systeme und stattdessen eigene Ressourcen mobilisieren: Zeit, handwerkliche Kompetenz und ein soziales Umfeld. Der Konsument müsse zum „Prosument„ wandeln, der beispielsweise sein Gemüse im eigenen Garten zieht, Möbel selber tischlert, seine Bohrmaschine mit dem Nachbarn teilt und seine Konsumgüter durch Pflege, Instandhaltung oder Reparatur länger nutzt. Um diese „Urbane Subsistenz“ aufzubauen, bedarf es der Halbierung der Industrie durch Prosumenten. So manchem Zuhörer in der Aula stand das Fragezeichen auf der Stirn geschrieben, nachdem Paech seinen kühnen Entwurf einer Postwachstumsökonomie skizziert hatte.

Rolly-Royce entwirft Szenarien

Deindustrialisierung? Das kann Ulrich Dohle , Chef der Rolls-Royce Power Systems AG, natürlich nicht gefallen. Er wollte die Paechschen Thesen nicht rundweg ablehnen, konnte aber dessen Modelle „nicht ganz nachvollziehen“. Dohle betonte, dass sich Wachstum und Nachhaltigkeit aus seiner Sicht durchaus vereinbaren lasse. Seine Unternehmen strebe nach wie vor Wachstum an, vor allem außerhalb Europas. Weil man aber nicht vor Perioden von Nullwachstum oder gar einem Rückgang gefeit sei, würden bei Rolls-Royce entsprechende Szenarien entworfen. „Unsere Produkte – für Mobilität, Transport und Energieerzeugung – werden auch in schrumpfenden Wirtschaften gebraucht“, sagte Dohle. Wichtig sei auf jeden Fall, die Technologie-Führerschaft zu behalten.

Das ständige Streben nach besserer Technologie sieht Niko Paech dagegen mit gemischten Gefühlen. Er fordert eine Reduktion der technischen Innovationen - und damit auch „der Fallhöhe für die Menschen, wenn das System ausfällt.“