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Turbulent: Die Fluglinie Intersky startet durch und landet hart

Friedrichshafen / Lesedauer: 6 min

Der ehemalige Geschäftsführer Claus Bernatzik berichtet, in welche Fallböen eine regionale Airline geraten kann
Veröffentlicht:17.04.2012, 21:05

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Im Idealfall geht es bei einer regionalen Fluggesellschaft lediglich auf und ab, wenn eine ihrer Maschinen startet oder zur Landung ansetzt. Im Normalfall bewegen sich aber auch die Zahlen auf sehr unterschiedlichem Niveau. So wie bei der österreichischen Intersky: Seit zehn Jahren fliegt die Airline mit Sitz in Bregenz und Basis am Bodensee-Airport in Friedrichshafen Ergebnisse ein, die von himmelhoch bis unterirdisch reichen.

„2007 war das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte, seit 2008 stolperte die Fluglinie von einer Krise in die nächste“, sagt Claus Bernatzik . Fünf Jahre lang war der Sohn der Intersky-Gründerin Renate Moser Geschäftsführer, Ende 2011 verließ er das Cockpit. Jetzt plaudert der 42-Jährige aus dem Bordbuch.

Die Konsequenz des Sinkfluges: Im Februar 2012 stiegen Hans Rudolf Wöhrl und Peter Oncken mit ihrer Beratungs- und Investmentfirma Intro Aviation GmbH mit 74,9 Prozent der Anteile bei der Bodensee-Airline ein. Die restlichen 25,1 Prozent verblieben zunächst bei den bisherigen Gesellschaftern Renate Moser und ihrem Mann Rolf Seewald . Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, hat die 69-Jährige jetzt auch ihre restlichen Anteile an die deutschen Mehrheitseigentümer abgegeben.

Geschäftsführender Gesellschafter ist heute Peter Oncken. Er bestätigt der Intersky trotz schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine Menge Potenzial, „das allerdings noch gehoben werden muss“.

Einen Schritt weiter geht Hans Rudolf Wöhrl, der sich in der Branche unter anderem einen Namen mit dem Aufbau des NFD (Nürnberger Flugdienst), heute Eurowings , oder der Übernahme der LTU International Airlines, inzwischen in Air Berlin integriert, gemacht hat: „Intersky soll für uns die operationelle und organisatorische Basis zur Sanierung und zum Aufbau weiterer Fluglinien und ganzer Fluggesellschaften werden.“

Gesagt, getan: In einem Interview in der Montagsausgabe der Süddeutschen Zeitung erklärte der Nürnberger Modehauskönig, dass er das Wissen der Intersky-Mannschaft nutzen wolle, um auf der Karibikinsel Saint Lucia mit der Regierung eine Airline zu gründen. Techniker und andere Fachleute könnten beispielsweise für zwei, drei Monate vor Ort einheimische Mitarbeiter trainieren. Und von den mindestens fünf Flugzeugen, die Heinz Rudolf Wöhrl mittelfristig am Himmel über dem Bodensee sieht, „kann man dann im Winter vielleicht eins in die Karibik schicken“.

Die Anfänge der Airline waren etwas überschaubarer: „Meine Mutter gründete Intersky 2002 in Bern. Sie war die Gallionsfigur“, erinnert sich Claus Bernatzik. Im Hintergrund: ihr Gatte Rolf Seewald, ebenfalls Besitzer und als Pilot für den Flugbetrieb verantwortlich, und ihr Sohn, der 2003 einstieg und den Bereich Finanzen übernahm.

„Der Start in der Schweiz war nicht besonders erfolgreich, weshalb ich bald unser regionales Low-Fare-Konzept entwickelte“, erzählt der gebürtige Wiener. Die Grundidee: Das Produkt wird abgespeckt. Die Umsetzung: Beispielsweise war das Catering nicht mehr inbegriffen. Die Folge: Die Ticketpreise konnten gesenkt und neue Kundenkreise angesprochen werden. Unüblich war die Methode zwar nicht, die Airlines Ryan-Air und Easy-Jet hatten es vorgemacht. Doch die Intersky-Crew wurde mit ihrer Variante „relativ schnell erfolgreich am Schweizer Markt“.

Das äußerte sich unter anderem darin, dass die Österreicher, die zunächst mit einem Flugzeug Wien und Berlin/Tempelhof ansteuerten, sich schon bald eine zweite Turboprop-Maschine des Typs Dash 8/300 zulegten, um ein neues Ziel zu verfolgen. Aber: „Paris funktionierte nicht, weshalb wir 2004 einen der zwei Flieger an den Standort Friedrichshafen verlegten.“

Der Aufschwung konnte beginnen: „Der Bodensee-Airport bietet einer regionalen Fluglinie gute Voraussetzungen, und die Region ist wirtschaftlich extrem erfolgreich, das haben wir uns zu Nutze gemacht“, betont Claus Bernatzik. „Wir hatten Köln, Hamburg und Berlin im Angebot und haben nach drei Monaten nachhaltig Geld verdient.“ Mit dem Umzug sei der Umschwung gekommen. Intersky holte im Jahr 2005 das zweite Flugzeug nach, „womit sich Bern erledigt hatte“.

Bereits 2006 folgte die nächste Zäsur: „Weil Rolf Seewald die Altersgrenze für Piloten, die bei 65 Jahren liegt, erreicht hatte und keine Linienflüge mehr absolvieren konnte, beschlossen er und meine Mutter, aufzuhören. Ich wurde Geschäftsführer“, erzählt der 42-Jährige.

In Turbulenzen geriet seine Regionalfluglinie, als sich im April 2010 der Konkurrent Germanwings am Bodensee-Airport niederließ und die Verbindung ausgerechnet nach Köln/Bonn aufnahm. „Diese Strecke war unsere Cash-Cow, sie ist kurz und der Kerosinverbrauch niedrig“, berichtet Claus Bernatzik, der sich das Geschäft nicht verderben lassen wollte und erst einmal dagegen hielt.

Ausschlaggebend für die harte Landung sei jedoch nicht nur Germanwings gewesen, sondern: „Wir haben uns selbst Konkurrenz gemacht. Wir dachten, wenn wir Düsseldorf anbieten, wechseln etwa 20 Prozent der Köln-Passagiere auf die neue Route, in Wirklichkeit waren es 30 Prozent.“ Claus Bernatziks Lichtblick am Ende des Tunnels: „2011 sprang die Wirtschaft wieder an, wir machten uns an eine Reorganisation. Diese gelang vor allem wegen der guten Zahlen auf den innerdeutschen Strecken, allen voran die Verbindung nach Düsseldorf.“

Lang bestimmte er die Neuausrichtung jedoch nicht mit. Im Juni 2011 verabschiedete er sich zunächst vom Chefsessel, um am 30. November dem Unternehmen endgültig den Rücken zu kehren. Wie er sagt, hatte sich für ihn der einst harmonische Familienbetrieb zu einer unerträglichen Tretmühle entwickelt.

In einer Pressemitteilung, die Intersky zum zehnten Geburtstag veröffentlichte, heißt es dazu vielsagend: Als Ende 2010 ein Verlust in den Büchern gestanden habe, „entschied sich Renate Moser, seit 2006 nur noch Gesellschafterin, zum Comeback“.

Die Konsequenz: Als neue, alte Geschäftsführerin bediente sie von Dezember an die Strecke Friedrichshafen-Wien nicht mehr drei-, sondern nur noch einmal am Tag und verkleinerte im Januar den Flugpark von vier auf drei Maschinen, indem sie ein Flugzeug an eine maledivische Fluggesellschaft verkaufte.

Vor wenigen Tagen kündigte Renate Moser auf dem Nachrichten-Portal Vorarlberg Online an, sich in den nächsten Jahren aus der Geschäftsführung zurückzuziehen und das Feld endgültig Peter Oncken und Hans Rudolf Wöhrl zu überlassen.

Nachdem die österreichische Geschäftsfrau bereits alle ihre Anteile abgegeben hat, war der bedeutendste Einschnitt zu dem Zeitpunkt aber schon besorgt. „Gratulation an das Team von Intersky!“, kommentiert Claus Bernatzik den Deal. „Damit ist die Zukunft des Unternehmens langfristig gesichert.“ Eine Zukunft, in der er keine und seine Mutter nur eine Nebenrolle spielt.

Die ganze Geschichte und einen weiteren Text dazu, was wirklich hinter Claus Bernatziks Ausstieg steckte - „ein rein emotionales Problem zwischen Mutter und Sohn“ – lesen Sie in der Mittwochsausgabe der Schwäbischen Zeitung Friedrichshafen.