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St. Petrus Canisius setzt Pfarrer ein Denkmal

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

St. Petrus Canisius setzt Pfarrer ein Denkmal
Veröffentlicht:07.03.2012, 18:50

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Mit viel Aufwand hat die katholische Kirchengemeinde St. Petrus Canisius den Saal unter der Kirche renoviert. Am Sonntag, 11. März, wird das „Schmuckstück“ nach dem 9.30 Uhr Gottesdienst bei einem Stehempfang seiner Bestimmung übergeben und eingeweiht. Der Saal soll künftig den Namen von Valentin Mohr, dem ersten Pfarrer der Canisius-Gemeinde, tragen.

Etwa 250 000 Euro hat sich die Kirchengemeinde die Renovierung kosten lassen. Viel Geld für einen Raum, wie Pfarrer Bernd Herbinger einräumt. Doch für den Kirchengemeinerat ging es um die Frage, den Saal zu schließen und als Abstellkammer zu nutzen, oder ihn so herzurichten, dass sich Menschen dort treffen und wohlfühlen können. Das sei zuletzt nicht mehr möglich gewesen. 40 Jahre habe man nichts gemacht. Die sanitären Anlagen seien marode gewesen, der Raum abgewohnt und feucht, der Zugang nicht barrierefrei und das Raumklima drückend, umschreibt Herbinger die Lage.

Dabei war der Saal genau unter dem Altarraum der Kirche einmal ein Herzstück des Gemeindelebens. Hier liegt die Wiege des Kindergartens von St. Petrus Canisius. Bis in die 70er-Jahre wurden hier Kinder von Ordensschwestern betreut. Danach wurde der Raum als Gemeindesaal genutzt, unter anderem für die wöchentlichen Kaffeenachmittage der Senioren, die Schwester Maria Bart seit 40 Jahren anbietet. Nicht wenige der älteren Menschen fanden hier während der Fliegerangriffe auf die Stadt in den Jahren 1943/1944 Zuflucht.

Noch heute kann man an den Fenstereinfassungen die Rahmen für die Schilde sehen, die die Menschen vor Splitter und Druckwellen schützen sollten.

Unter Leitung von Architektin Nina Oberschelp wurden Saal, Küche, WC und Zugang in den vergangenen Monaten erneuert. Dabei sei der Charme der 30er-Jahre, als die Canisiuskirche noch jung war, erhalten geblieben, sagt der Pfarrer. Der Boden wurde erhöht, eine Akustikdecke eingezogen, in hellen Farben neu gestrichen, ausdrucksstarke Lampen montiert und ein durchgehender Vorhang sorgt für eine heimelige und gleichzeitig festliche Atmosphäre. Im Saal integriert sind eine moderne Audioanlage sowie ein fest installierter Beamer mit Leinwand. Eine neue Küche am alten Platz bietet die Möglichkeit einer kleinen Bewirtung und auch die Toilettenanlagen wurden komplett erneuert.

Ein wichtiges Anliegen war dem Kirchengemeinderat, dass der Saal behindertengerecht ist. Ein Treppenlift außen und eine Rampe innen, dort wo ehemals Treppen waren, sowie ein Behinderten-WC sorgen für diese Barrierefreiheit.

Bei der Namensgebung sei sich der Kirchengemeinderat schnell einig gewesen. Valentin Mohr, von 1934 bis 1959 Pfarrer von St. Petrus Canisius, sei in vieler Hinsicht eine prägende Figur gewesen.

„Ein Sklave aus dem Sklavenvolk“

Valentin Mohr war der erste Pfarrer der 1928 errichteten St. Petrus Canisius Kirche. Erst 1938 wurde aus Teilen der Pfarrsprengel von St. Nikolaus, Jettenhausen und Ailingen die neue Pfarrei gebildet. Mohr stand ihr bis 1959 vor. Ein Widerstandskämpfer war Mohr sicher nicht, doch machte er keinen Hehl daraus, was er vom Nationalsozialismus hielt. NSDAP-Oberbereichsleiter Seibold ließ seinne Genossen in einem Rundschreiben 1945 wissen: Der Pfarrer habe der Nationalsozialitischen Bewegung schon sehr viele Schwierigkeiten bereitet.

Ein Dokument, das zeigt, unter welchem Druck Mohr zuletzt stand, kam jetzt zu Vorschein. Es handelt sich um einen handschriftlichen, anonymen Brief, den der Canisius-Pfarrer am 5. Januar 1945 an den Kreishauptamtsleiter und Kompanieführer im Deutschen Volkssturm schrieb. Mohr wurde identifiziert und kurzzeitig in einem Konzentrationslager in Welzheim interniert.

Mohr schrieb: „Ihre letzte Rede im Volkssturm gibt mir Anlass, Ihnen zu schreiben. Sie zeigen, dass Ihnen die Volksstimmung bewusst oder unbewusst fremd ist. Ich will Ihnen sagen: Wir glauben Ihnen und allen Parteireden kein Wort. Unser Beifall ist erzwungenes Sklavengeheul. Denn mehr als Entrechtete sind wir nicht: Schlachtvieh für die Parteisache; Ihr heißt es Deutschland. Es ist nicht Deutschland. Das richtet ihr zu Grunde. Euch geht die Partei und eurer Nutzen über alles. Andere hebt ihr hin. Ihr selbst schont euch. Ihr verfolgt die Juden. Verübet auch selber vielfach die Verbrechen der Juden. Ihr haltet den Kriegsgegnern Lügen, Verbrechen vor, die ihr noch viel mehr auf dem Gewissen habt. Hitler verspricht schöne Städte. Womit? Um die Sklaven noch länger aufzupeitschen. Sie drohen unseren katholischen Volksgenossen, nach den Juden kämen sie daran. Und lügen uns vor, sie würden eine Jüdin anbeten. Ich fragte einen katholischen Volksgenossen über die Anbetung der Jüdin. Er legte mir die Lehre über Verehrung der Maria dar. Also wieder Lüge. Es kommt die Zeit, wo Euer Lügenthron gestützt wird.“ Unterzeichnet hat Valentin Mohr die auf Feldpostpapier verfassten Zeilen mit mit „Ein Sklave aus dem Sklavenvolk im Volkssturm“

Der Brief wird Teil der Ausstellung „Anständig gehandelt – Widerstand und Volksgemeinschaft“ sein, die das Haus der Geschichte in Stuttgart vom 9. Mai 2012 bis 13. März 2013 zeigt.