StartseiteRegionalBodenseeFriedrichshafenSelbsttest beim Narrensprung in Friedrichshafen oder Rascheln macht lustig

Selbsttest

Selbsttest beim Narrensprung in Friedrichshafen oder Rascheln macht lustig

Friedrichshafen / Lesedauer: 5 min

SZ-Mitarbeiterin Lydia Schäfer springt als Seewaldkobold mit und erlebt den Umzug von innen
Veröffentlicht:11.02.2013, 11:50

Artikel teilen:

„Eigentlich ist es hier viel voller“, sagt Elli Pieck auf dem Weg in die Kellerräume der Häfler Gockelwerkstatt.

Der meiste Kram sei jetzt zur Dekoration im Graf-Zeppelin Haus. Sie ist neben Luise Noack und Oliver Venus für die Häser verantwortlich. „So, da wollen wir mal sehen“, sagt sie und beäugt mich kritisch von oben bis unten und beschließt: „50“. „Okay, werden hier Häser nach Alter ausgesucht?“, will ich wissen. „Ach was“, winkt Elli Pieck ab. Größe 50 passt, wobei mir bei der Gelegenheit die geschlechtsspezifischen Merkmale der Seewaldkobolde erklärt werden: Die Frauen tragen eine Wedel, die Männer einen Stecken. Elli Pieck gibt mir noch gute Ratschläge auf den Weg: „Ich trage immer Skiunterwäsche, und unter der Maske kannst du keine Brille tragen.“ Mit dem Fingerzeig auf meine Füße meint sie: „Das Schuhwerk muss schwarz sein“. „Braun geht nicht?“. Nein, Elli Pieck ist unerbittlich.

Cool, ich muss mir neue Schuhe kaufen. Direkt am nächsten Tag nerve ich drei Verkäuferinnen in drei verschiedenen Läden. Schuhe, elegant, aber bequem, schön und leicht zu tragen und nicht zu teuer bitte. Schließlich werde ich fündig. Ich bin stolz auf meine wunderschönen neuen Schuhe. Die sind zwar noch nicht schwarz, aber die finde ich auch noch – schließlich sind es noch zehn Tage bis zum Narrensprung .

Dann ist es so weit. Nach drei Tagen Kontaktlinsen-Probetragen und Bewegungsübungen vor dem Spiegel, beschließt mein Sohn: „Du siehst aus wie Puh der Bär, nur in Grün.“ Das sind diese Momente, in denen sich Kinder glücklich schätzen können, vom Umtausch ausgeschlossen zu sein. Mir gefällt es. Der grüne Bast raschelt bei jeder Bewegung, und ich staune über den Effekt, wenn man mit einer Maske auf dem Kopf nur den Kopf schief legt. Da sieht selbst so ein furchteinflößender Seewaldkobold richtig lieb aus. Muss ich mir merken. Ich fahre in den Hafen zum Zunftmeisterempfang im Schloss und raschel mich drei Stunden im Koboldhäs durch die herzöglichen Hallen.

Jeder kennt jeden

Im Anschluss gehen Karl Haller, Gruppenführer der Kobolde, und ich Richtung Innenstadt. „Auf dem Adenauerplatz stellen sich die Maskengruppen auf, da muss ich jetzt hin. Aber unsere Gruppe ist erst später dran. Es reicht, wenn du um drei Uhr da bist“, erklärt er. Ich schließe mich den anderen Kobolden an, die im „Athen“ sitzen, unter ihnen ist auch Elli Pieck. Jeder kennt hier jeden. Es ist gemütlich miteinander. Alle möglichen Themen werden besprochen und unterhalb der Fenster ziehen jetzt bereits die ersten Maskengruppen vorbei. Ich schnapp mir meine Maske und laufe Richtung Adenauerplatz, auch wenn ich zu früh bin: ich möchte schließlich wissen, was da so abgeht. Unterwegs treffe ich Alex von den Bäfis und mir fällt auf, dass ich meinen Wedel habe liegenlassen. „Hol ihn schnell, so was kann teuer werden“, klärt Alex mich auf. Also - schnell zurück, nur welcher war meiner? Egal, sehen eh alle gleich aus. Schnell bin ich wieder auf dem Adenauerplatz.

Einige Seewaldkobolde sind schon da. Schließlich kommt eine Frau fröhlich auf mich zu und stellt fest: „Du bist Lydia, die Reporterin, und weißt du woher ich das weiß?“, „Keine Ahnung“, gebe ich zu. „Ich habe im Athen meinen Wedel gesucht und da hat jemand gesagt: den hat bestimmt die Reporterin mitgenommen“. Stimmt – ich habe wirklich ihren Wedel. Nur wie kann sie die unterscheiden?

Endlich ist Abmarsch. Direkt neben mir der Musikwagen und hinter uns die Gruppe die Froschties. Das kann ja nur heiter werden. Die Masken werden übergezogen, und ich habe ehrlich gesagt den Überblick verloren. Das räumliche Sehen ist derart eingeschränkt, dass ich prompt in den Kobold vor mir laufe, als die Gruppe zum Stillstand kommt. „Macht nix“, höre ich von allen Seiten. Langsam werde ich sicherer und wage mich an den Rand. Ich springe und hüpfe, tänzel ein wenig, raschel mit dem Wedel über die Köpfe der Kinder. Selbst Erwachsene, die todernst am Rand stehen, müssen lachen, wenn ich den Kopf schief lege. Ich werde gefühlte 100 Mal fotografiert. und als ich vor unserem Fotografen Felix Kästle auf und abtänzel, um auf mich aufmerksam zu machen, meint er nur: „Du bist Lydia? Du bewegst dich ja schon wie sie“. Ha, da fühlt man sich doch gleich gebauchpinselt.

Es sind nur wenige Kinder, die sich vor der Koboldmaske erschrecken. Ein kleiner Junge sieht mich mit großen Augen an, ich knie mich hin und streichele seine Finger. Schließlich nimmt er seinen Mut zusammen und tätschelt den Bast. Ich komme mir vor wie ein Außerirdischer bei der ersten Kontaktaufnahme.

Gute 12 000 Besucher stehen laut Polizei am Straßenrand. Wir sind schon fast beim Graf-Zeppelin-Haus, und die Reihen lichten sich. Ich kann es gar nicht glauben, dass es schon vorbei ist. Ich bin doch gerade erst gestartet. Wir ziehen die Masken ab, und erst jetzt fällt mir auf, dass mir der Schweiß von der Stirn gelaufen ist und meine Haare sich feucht anfühlen. Die Gesamtstrecke über bin ich gesprungen und getanzt, mir tun die Füße weh, und ich habe Durst. Trotzdem: eine tolle Sache, durch die Straßen zu jucken und den Besuchern ein Lachen abzuringen, selbst den todernsten.