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Passionskonzert

Auf Dramatik der Passion folgt betörend schöne Reflexion

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Kantorei an der Schlosskirche singt an Karfreitag ein berührendes Passionskonzert
Veröffentlicht:06.04.2012, 20:30

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Passionskonzerte am Karfreitag haben in der Schlosskirche eine lange Tradition. In der ausverkauften Kirche haben die Zuhörer diesmal ein Konzert erlebt, das die dramatische Wucht des biblischen Heilsgeschehens mit österlicher Reflexion verband.

Als Wagnis sah es Kantor KMD Sönke Wittnebel, drei so unterschiedliche Werke wie die Choralkantate „O Haupt voll Blut und Wunden“ und den Passionsteil aus dem Oratorium-Fragment „Christus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy und die „Sieben Worte Jesu am Kreuz“ von César Franck aneinanderzufügen, doch sein Wagnis ist aufgegangen – der von der jüdischen Herkunft mitgeprägte Protestant und Bach-Wiederentdecker und der in der französischen Musikkultur aufgewachsene, poetisch-mystische César Franck sind unter seiner umsichtigen Leitung zu einem farbenreichen Blick auf die Passion zusammengewachsen.

Die von einer Kreuzigungsszene von Francisco de Zurbarán inspirierte Mendelssohn-Kantate „O Haupt voll Blut und Wunden“ bildete den ernsten, meditativen Auftakt. Ausgehend vom Bachschen Choral, der in der Matthäuspassion immer wiederkehrt, hat Mendelssohn die Melodie in eigenständiger Tonsprache fortgeführt, in spannender Mehrstimmigkeit Chor und Orchester verwoben. Ein „Gegrüßet seist du mir“ des Chors, das in seiner Innigkeit an Schubert erinnert, führt zur Solo-Arie des Basses. Mit viel Wärme ließ Martin Hempel seine Stimme in den Raum strömen, eingebettet in die lieblich fließende Musik der Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben. Mit einem kraftvollen Amen beschloss der Chor die dritte Strophe.

Fast übergangslos führte Wittnebel zum Passionsteil aus dem Oratorium „Christus“. Ein kurzes Rezitativ des Solotenors und wie ausgewechselt erschien der gerade noch so innige Chor, der jetzt hart und kalt und erregt klingen musste.

Nur kurz ist das im Entwurf-Stadium erhaltene, stark von G.F. Händel und J.S. Bach beeinflusste Christus-Fragment, doch die dramatische Wucht des Passionsteils lässt ahnen, welch großes Werk der frühe Tod des Komponisten verhindert hat. Mit ungewohnter Emotionalität und Aggression schleuderte die Kantorei in den homophonen Turba-Chören die Wut des Volkes, das „Hinweg mit diesem“, das in großem Crescendo mehrfach wiederholte „Kreuzige ihn“ in den Raum, sehr klar und mit guter Artikulation führte Reginaldo Pinheiro als Solist durch die dramatische Szene vor Pilatus. Welch ein Kontrast zu dem kontemplativen Klagegesang, mit dem die leidenden Frauen den Weg zur Schädelstätte begleiten, ein leise trauernder Gesang, der aufgesogen wird vom ganzen Chor, begleitet von gezupften Tränen in den Celli. Ganz schlicht nimmt der letzte Choral die Melodie von „O Haupt und Wunden“ auf, der Kreis schließt sich.

Ein schöner Übergang zu César Francks Vertonung der sieben letzten Worte Jesu, die vertieft eindringt in deren Versprechen der Vergebung und Erlösung. Die Worte sind bald dem Chor, bald den Solisten in den Mund gelegt, zu denen jetzt auch die Sopranistin Ruth Ochsner und der Tenor Thilo Braun hinzutraten, beide aus der Jugendkantorei hervorgegangen und im Studium. Ganz zart ist Ruth Ochsners schöner Sopran, wie eine Knospe, die dabei ist, sich zu entfalten, kräftiger schon Thilo Brauns Tenor. Spannend der Wechsel zwischen betörend schöner Schlichtheit und opernhaften Chören voll glühender Farbenpracht. Noch einmal hüllte das Orchester die Stimmen ein, bezaubernd die Harfenklänge, die Soloflöte, die die Solisten begleiteten. Mit dem Läuten der Glocken klang das Konzert still aus.