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Spitze Wortpfeile fliegen und treffen

Biberach / Lesedauer: 2 min

Spitze Wortpfeile fliegen und treffen
Veröffentlicht:17.09.2012, 17:25

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Ein langer Tisch, bedeckt mit der Bundesflagge, leere Namensschilder, ein Rollsessel , das ist Mathias Richlings Szenario. Und dann legt er los, in hohem Sprechtempo, mit Wortspielen, tiefgründigen Witzeleien und intellektuellen Spitzfindigkeiten.

Richling springt blitzartig von Thema zu Thema. Bekennt sich als Stuttgarter, nimmt das Geschrei um Stuttgart 21 aufs Korn: „Der Bahnhof wird zum Dschihad im eigenen Land, er soll oben bleiben“ – Pause – „die Stadt soll unter die Erde.“ Er kommt von der entarteten Kunst zum entarteten Mappus.

Nacheinander dreht er die Tischkärtchen um. Die Namen von Politikern erscheinen. Zu jedem hat er Deftiges zu sagen, interviewt Ministerpräsident Kretschmann mit abenteuerlichen Wortverdrehungen. Ex-Bundespräsident Wulff kriegt sein Fett ab als Marionette der Bundeskanzlerin: „Und es begab sich, dass ein Gebot ausging von Frau Merkel .“ Er karikiert die Gauck-Rede nach dessen Wahl im salbungsvollen Stil des neuen Testamentes, findet, dass Bosbach in allen Talkrunden des Fernsehens auftaucht, auch schon mal gleichzeitig bei Maischberger und wem auch immer. Und: „Pofalla beeindruckt durch seine Fähigkeit zur Farblosigkeit, er ist der Albino der Koalition.“

Ein Höhepunkt ist seine Merkel-Karikatur. Aus der sicherlich bekanntesten Blazersammlung der Bundesrepublik hing ein Exemplar über einem Gestell. Richling tritt dahinter, streckt seine Arme unter den Ärmeln nach vorne, macht das berühmte Fingerdreieck und legt los mit exquisiter Selbstbeweihräucherung der Blazerträgerin: „Ich warne alle Unzufriedenen. Wir können auch anfangen zu regieren, und dann hört der Spaß auf.“ Richling ist ein Parodist der Sonderklasse. Auch den Stimmcharakter der Politexponenten trifft er ziemlich gut. Wunderbar das Maischberger-Interview mit Helmut Schmidt: Gelabere auf hohem Niveau, ebenso wie die verdrehten und näselnden Auslassungen von Karl Lauterbach.

Spannend waren sein Gysi-Solo – wie ein verbales Maschinengewehr – und seine abenteuerliche Verdrehung der Tatsachen bis hin zu: „Ich war kein Mitarbeiter der Stasi, die waren meine Mitarbeiter.“

Richlings Kunst ist es, Politikersprech aufzuspießen, mit wenigen Sätzen deren Substanzlosigkeit zu entlarven, etwa das jede klare Aussage vermeidende, unverbindliche, aber natürlich alternativlose Gerede von Angela Merkel. Richling kann boshaft werden, wenn er von der Leyen empfiehlt, Hartz-IV-Empfänger im Zoo von Besuchern füttern zu lassen. Der Kabarettist räsoniert über Darwin, über Gene, das kulminiert dann in der Frage: „Stammt Gott vom Menschen ab?“.

Er schwingt die Keule der Moral über Gesellschaft und Kirche und deren Selbstgefälligkeit und stellt schließlich fest: „Es erleichterte die Politik ungemein, wenn diejenigen, die nichts zu sagen haben, auch tatsächlich nichts sagten.“