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Zungenschlag

Mürsel I. schreibt Fasnetsgeschichte

Bad Schussenried / Lesedauer: 3 min

Seine Tollität regiert als erster Prinz mit türkischen Wurzeln über Narrenried
Veröffentlicht:24.01.2013, 19:55

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Er schwätzt im breitem schwäbischen Zungenschlag, nennt „Wuahla“ – im Schwäbischen die Steigerungsform zum „Schaffa“ – als sein liebstes Hobby, lässt melodische Wörter wie „a bebbigs Göttslesbabier“ (hochdeutsch: „ein klebriges Bonbonpapier“) geradezu auf der Zunge zergehen und macht im Häs der Riedteufel eine gute Figur. Wäre da nicht sein Name, Mürsel Bahceci wäre ein ganz normaler Oberschwabe. So aber wird der 36-Jährige in die Geschichte der Schussenrieder Fasnet eingehen: als erster Prinz mit türkischen Wurzeln, der an der Seite Katharina Zinsers in diesem Jahr das Narrenrieder Zepter führt.

Wer es zum Fasnetsprinzen geschafft hat, der ist wohl in der Gesellschaft angekommen. Doch Mürsel Bahceci winkt ab. Mit Worten wie „Integration“ oder „Migration“ scheint er wenig anfangen zu können. Was heißt das denn schon, wann ist jemand integriert? Und überhaupt: „Für mich ist das ganz normal. Ich bin schon immer zwischen beiden Kulturen, ich fahre da zweigleisig. Es kann auch nur ein Gewinn sein, wenn man beide Kulturen kennt.“

Während seine Geschwister alle in Deutschland leben, wohnen Bahcecis Eltern in der Türkei . Sie stünden eher distanzierter zur Fasnet – schließlich gibt es etwas Vergleichbares in der Türkei nicht. Für den gebürtigen Bad Waldseer aber übte die fünfte Jahreszeit schon seit seiner Kindheit einen ganz besonderen Zauber aus. „Das ausgelassene Feiern, dass man irgendwie anders sein kann, sich auch mal aus dem Alltag befreit“, beschreibt Bahceci seine Faszination fürs Närrische. „Aber es gehört auch zum Brauchtum – ich finde, dass man die Kultur wahren sollte, das macht die Gegend aus.“

Und seit neun Jahren pflegt der Schussenrieder mit Waldseer Migrationshintergrund die Kultur der Riedteufel. Seine Freundin Silvia Zinser dagegen ist bei den Schalmeien Haidgau aktiv. Und als ihre jüngere, ebenfalls fasnetsbegeisterte Schwester Katharina das Angebot bekam, Prinzessin zu werden, hielten die Schwestern nach einem geeigneten Prinzen Ausschau. „Wir haben uns gesagt“, blickt Katharina I. lachend zurück, „der Mürsel macht so was immer mit.“

„Prinzessinnen findet man immer, aber bei den echten Märchenprinzen wird es schon schwieriger“, berichtet Ulrich Schmid von der Schussenrieder Narrenzunft und schmunzelt. Einer, der es wissen muss: Vor genau 30 Jahren gab Schmid zusammen mit seiner Verlobten das Prinzenpaar – „und wir schwärmen noch heute davon.“ Auch Mürsel I. hofft auf unvergessliche Momente als Narrenrieder Prinz: „Ich glaube, davon kann ich noch meinen Kindern erzählen.“

Einmal so richtig im Mittelpunkt

Sicher, das Regieren hat viele schöne Seiten: Das Prinzenpaar darf einmal so richtig im Mittelpunkt stehen, wird am Rosenmontagsumzug von einem Pickup aus den Tausenden Besuchern zuwinken und hat viele spannende Auftritte wie den Staatsempfang im Neuen Schloss Stuttgart am Fasnetsdienstag. Doch mit dem hohen Amt kommen auch die Pflichten. Weit über 20 Termine stehen im Kalender des Prinzenpaars. Und dazwischen steht insbesondere für Katharina I. eine aufwendige Garderobe an. Bis zu drei Stunden benötigt Ihre Lieblichkeit, um sich salonfähig zurecht zu machen, wobei ihr mit Schwester Barbara Zinser, einer Friseurin, eine kunstfertige Hofdame zur Seite steht.

„Trotzdem muss sich das Prinzenpaar im Klaren sein, dass es in der Hauptphase Urlaub nehmen muss“, betont Schmid. Für Katharina Zinser, die an der Fachhochschule Biberach Projektmanagement-Bauwesen studiert, fallen die närrischen Tage ohnehin in die vorlesungsfreie Zeit. Und Bahceci, der als Servicetechniker ebenfalls in der Baubranche tätig ist, konnte sich auf einen verständnisvollen Chef verlassen – und kann sich so ganz darauf konzentrieren, als türkischer Prinz Narrenrieder Fasnetsgeschichte zu schreiben.