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Eisenbahnstrecke

Zugunglück: Hinweise auf menschliches Versagen

Bayern / Lesedauer: 3 min

Technik der „Punktförmigen Zugbeeinflussung“ gilt als sehr zuverlässig
Veröffentlicht:09.02.2016, 20:29

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Eingleisige Eisenbahnstrecken kommen auch in Baden-Württemberg häufig vor: Von den 3335 Kilometern Streckenlänge werden im Südwesten 1439 Kilometer eingleisig betrieben.

Um den Zugverkehr bestmöglich zu sichern, hat die Deutsche Bahn 2012 das 33000 Kilometer lange Streckennetz in Deutschland mit der sogenannten „Punktförmigen Zugbeeinflussung“ (PZB 90) ausgerüstet. Dieses kommt bei Geschwindigkeiten bis zu 160 Kilometer pro Stunde zum Einsatz – auch auf der eingleisigen Strecke zwischen Kolbermoor und Bad Aibling, wo sich am Dienstagmorgen das Unglück ereignete. Wenn ein Zug ein Haltesignal überfährt, ist das System so ausgerichtet, dass der Zug automatisch per Zwangsbremsung zum Halten gebracht wird. Sensoren an Gleis und Fahrzeug sorgen dabei punktförmig für die Überwachung und Informationsübertragung. Einem Sprecher der Deutschen Bahn zufolge ist das Sicherungssystem an der Unglücksstelle erst vergangene Woche überprüft worden. Mängel seien keine festgestellt worden.

Auch für Roland Kortz , Sprecher der Deutschen Bahn Stuttgart, war der Zusammenstoß der beiden „Meridian“-Nahverkehrszüge des Schweizer Herstellers Stadler Rail aus technischer Sicht unerklärlich. „Eigentlich ist das Eisenbahnsystem zumindest von technischer Seite her so sicher wie kein anderes Verkehrssystem. Sobald das Signal rot zeigt und der Zugführer das ignoriert, reagiert das System automatisch mit einer Zwangsbremsung.“

Der Zugführer habe überdies in seiner Lok einen Buchfahrplan, „in dem die ganze Strecke mit den zulässigen Geschwindigkeiten hinterlegt ist“, erklärt Kortz. „Wenn der Zug zu schnell ist, kriegt er ein Signal in den Führerstand, vergleichbar mit einer Geschwindigkeitsanzeige an Ortseingängen auf der Straße.“ Wenn der Lokführer nicht darauf reagiert, komme es zur Zwangsbremsung. Problematisch kann es werden, wenn die Technik aus irgendeinem Grund nicht funktioniert – und der Mensch eingreifen muss. Das kann laut Manfred Foss, Geschäftsführer der Bodensee-Oberschwaben-Bahn und früher Fahrdienstleiter, zu Problemen führen: „Wenn Signale ausfallen, findet keine technische Überprüfung statt. Der Fahrdienstleiter muss dann selbst entscheiden, welche Weiche er stellen muss.“

Es könne auch dazu kommen, dass der Fahrdienstleiter einen entgegenkommenden Zug nicht abwartet. „Der Lokführer hat dabei keine Chance, die Streckenbelegung zu überprüfen“, erklärt Manfred Voss. So oder ähnlich könnte es sich in Bad Aibling zugetragen haben. Nach Medienberichten vom Dienstagabend will das RedaktionsNetzwerk Deutschland aus Ermittlerkreisen erfahren haben, dass ein Bahnbediensteter das automatische Signalsystem außer Kraft gesetzt hat, um einen verspäteten Triebwagen noch quasi von Hand durchzuwinken. Der Triebwagen hätte, um dem entgegenkommenden Zug auszuweichen, rechtzeitig einen sogenannten Begegnungspunkt erreichen müssen. Dort ist die ansonsten eingleisige Strecke zweigleisig ausgebaut.

Doch der Triebwagen habe es nicht rechtzeitig bis zu diesem Punkt geschafft. Dennoch bekam der entgegenkommende Zug grünes Licht. Auf Weisung aus dem Stellwerk habe der Lokführer weiter fahren dürfen, obwohl das reguläre Signalsystem auf Rot stand. Nichtsahnend sei der Lokführer dann aus dem zwei- wieder in den eingleisigen Streckenabschnitt gefahren – mit fatalen Folgen. Eine Bestätigung für diese Darstellung lag am Abend aber noch nicht vor.