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Sprachproblem

Videodolmetscher helfen im Gefängnis aus

Bayern / Lesedauer: 4 min

Gute Erfahrungen in Bayern – Testlauf auch in Baden-Württemberg
Veröffentlicht:18.05.2017, 19:40

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43 Prozent der Häftlinge in Bayerns Gefängnissen haben keinen deutschen Pass. Um die Sprachprobleme hinter Gittern besser zu lösen, hat das Justizministerium einen Onlinedienst getestet, bei dem Dolmetscher per Video zugeschaltet werden. Die Erfahrungen sind so gut, dass man die Technik in weiteren Haftanstalten einführen will. Nun zieht auch Baden-Württemberg nach.

Bayern setzt das System bereits seit rund 18 Monate in zwei seiner 36 Gefängnisse ein, nämlich in München und Landshut. „Nach unseren bisherigen Erfahrungen wird die Möglichkeit von allen Beteiligten positiv angenommen: Sprachbarrieren werden abgebaut. Die Gespräche lassen sich einfacher und zielführender gestalten“, sagt Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU).

Ausweitung geplant

Eine deutliche Ausweitung des Angebots sei geplant. Vor allem jene Anstalten sollen profitieren, die viele fremdsprachige Häftlinge haben. Derzeit klärt das Ministerium, welche technischen Voraussetzungen in den Gefängnissen geschaffen werden müssen. Außerdem prüft man, wie der Auftrag rechtssicher ausgeschrieben werden kann. Wie teuer das wird, könne man erst sagen, wenn der Betrieb regulär laufe.

Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) zieht nun nach und stellte das neue Handwerkszeug für seine JVA-Beamten am Mittwoch vor. Zwischen 2002 und 2015 sank die Zahl der Häftlinge im Land kontinuierlich. Das hat sich geändert. Seit dem Sommer 2015 sitzen rund 1000 Gefangene mehr in den JVA, derzeit sind es mehr als 7440.

Gestiegen ist auch der Anteil der Ausländer, und zwar von 39 auf heute 46 Prozent. Das liegt unter anderem daran, dass ausländische Verdächtige rascher in Untersuchungshaft kommen als deutsche – bei ihnen wird die Fluchtgefahr in der Regel höher eingeschätzt.

Auch in Bayern sind die Haftanstalten ausgelastet, die 12 000 Plätze im Freistaat sind zu 96 Prozent belegt. In einzelnen Anstalten sind deutlich mehr Gefangenen untergebracht als vorgesehen. Dabei hat das Land seit 1992 mehr als 3000 neue Plätze geschaffen, an drei Standorten wird in den kommenden Jahren neu gebaut. Im April 2015 hatten knapp 36 Prozent der Gefangenen keine deutsche Staatsangehörigkeit, im April 2017 waren es über 43 Prozent. Auch deshalb will das Ministerium das Video-Projekt rasch vor allem auf große Anstalten ausweiten.

Denn, so erläuterte Baden-Württembergs Justizminister Wolf: „Die Verständigung mit vielen Häftlingen ist schwer oder gar nicht möglich.“ Deshalb teste das Land seit April den selben Videodolmetscher-Dienst wie die Bayern. Dieser sitzt in Wien. Eine JVA bekommt nun eine App, also ein Programm, für einen Tablet-Computer. Damit können die Mitarbeiter den Videodienst in Wien per Videoanruf kontaktieren und sich innerhalb weniger Minuten mit einem Dolmetscher verbinden lassen. Dieser übersetzt in einem Videotelefonat, was die Beamten mit einem Häftling besprechen.

Rund um die Uhr erreichbar

Der Dienst ist täglich rund um die Uhr besetzt – ein Vorteil gegenüber den bisher eingesetzten Dolmetschern. Bis diese in eine JVA kommen können, vergeht bislang mindestens ein Tag. In einer Krise oder einem medizinischen Notfall dauert das zu lange. Auch in Erstgesprächen, bei denen neue Gefangene die Regeln und Abläufe des Gefängnislebens erklärt bekommen, werden die Dolmetscher zugeschaltet.

„Wenn ich Regeln nicht erklären kann, kann sie auch niemand einhalten. Unsere komplette Arbeit beruht entscheidend auf Kommunikation“, erklärte Matthias Nagel, Leiter der JVA Stammheim. Neben seinem Gefängnis beteiligen sich in Baden-Württemberg fünf weitere am Versuch. Nach sechs Monaten werden die Erfahrungen ausgewertet.

Hessen testet die Videodolmetscher seit Sommer 2016 in Frankfurt. Dort werden sie nur in medizinischen Notfällen eingesetzt. Bislang seien die Erfahrungen gut, so ein Sprecher des zuständigen Ministeriums. Letztlich sei es eine Kostenfrage, ob man das Projekt ausweite.

Dazu sagte Baden-Württembergs Minister Wolf am Mittwoch: „Am Geld darf das nicht scheitern.“ Für das laufende Jahr sind im Haushalt 150 000 Euro für Dolmetscherdienste vorgesehen, etwa 60 Prozent für den Videotestlauf. Wie hoch die Kosten für einen flächendeckenden Einsatz sind, will das Haus auf Basis des Modellprojektes kalkulieren.