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Rücktritt

Rücktritt ohne Schuldgefühle

Bayern / Lesedauer: 3 min

Bayerns Staatskanzleiministerin Christine Haderthauer wirft das Handtuch
Veröffentlicht:01.09.2014, 20:13

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Die Prozedur war kurz, aber nicht schmerzlos: Christine Haderthauer (51) trat am Montagabend im pinkfarbenen Blazer in der bayerischen Staatskanzlei vor die eilends zusammengetrommelten Medien und gab eine gerade einmal drei Minuten dauernde Erklärung ab. Sie habe in einem „freundschaftlichen Gespräch“ Ministerpräsident Horst Seehofer ( CSU ) ihren Entschluss mitgeteilt, ihr Amt als Mitglied der bayerischen Staatsregierung aufzugeben.

Einer Schuld ist sich die bisherige Ministerin für Staatskanzlei, Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben nicht bewusst. Nach wie vor sei sie der Ansicht, dass die gegen sie und ihren Ehemann eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen für einen Rücktritt nicht ausreichten. Zudem werde sie die juristischen Vorwürfe „vollständig ausräumen“ können.

Gefasst aber gezeichnet

Und dann trug die einstige CSU-Hoffnungsträgerin gefasst, aber doch gezeichnet vor, was in solchen Fällen immer vorgetragen wird: Nach den Erfahrungen der letzten Woche habe sie befürchten müssen, dass ihre Arbeit von der Diskussion über die Modellbauaffäre komplett überlagert würde und sie daher nicht leisten könne, „was die Bevölkerung zu Recht erwarten darf“.

Sprach’s und verließ den Raum 103 in der Staatskanzlei. Fragen wurden – auch das ist bei solchen Vorgängen üblich – nicht zugelassen. Und auch der Kommentar der Opposition war der Übliche: „überfällig, unvermeidbar“.

Überraschend kam der Rücktritt jedenfalls nicht und er trägt auch weniger die Handschrift der couragierten Christine Haderthauer, sondern eher des Ministerpräsidenten Horst Seehofer . Dessen Taktik war schon immer, ganz schnell die Notbremse zu ziehen ehe eine Sache heikel zu werden drohte. Die Sache: Ein offenbar schwunghafter und lukrativer Handel mit aufwendigen Modellautos, die psychisch kranke Straftäter in zwei Kliniken zusammenbauten. Zu den Geschäften der Modellbaufirma „Sapor“ mit der zeitweiligen Gesellschafterin Christine Haderthauer wurden in den vergangenen Wochen viele moralische und juristische Fragezeichen aufgeworfen.

Heikel ist die „Modellbauaffäre“ der Staatskanzleiministerin damit längst geworden. Schon vor einigen Wochen hatte Seehofer hinter das Bekenntnis zu seiner Staatskanzlei-Chefin ein dickes „Aber“ gesetzt: Sollten sich „Widersprüche herauskristallieren“, werde eine „neue politische Bewertung“ unumgänglich sein.

Nach Ansicht der Opposition haben sich seither so viele Widersprüche ergeben, dass man damit schon einen halben Meter Aktenordner füllen oder „drei Rücktritte begründen könnte“, wie SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher mehrfach betonte. Schwer gelitten hat die Glaubwürdigkeit der CSU-Politikerin vor allem deshalb, weil sie den Handel mit von Straftätern gefertigten teuren Modellautos als selbstlos dargestellt hatte. Ob es die Betroffene aus freien Stücken war oder sie ihr Chef zum Rückzug bewegt hatte: Jedenfalls ist dieses Problem für den jetzt wieder anlaufenden Politikbetrieb in Bayern aus dem Weg geräumt. Seehofer hat dennoch ein neues Problem: Der Erfinder der 40-Prozent-Frauenquote in der CSU hat massive Probleme, die Zahl der Frauen in seinem Kabinett aufrechtzuerhalten, denn eine Nachfolgerin für Haderthauer bietet sich nicht an.

Untersuchungsausschuss kommt

Mit dem Rücktritt wird die CSU nicht verhindern können, dass die Aktivitäten der Firma „Sapor“ mit allen möglichen peinlichen Details in den Bezirkskrankenhäusern von Ansbach und Straubing in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss durchleuchtet werden. Ein Untersuchungsausschuss werde auf jeden Fall beantragt, erklärten am Montag Sprecher aller drei Landtags-Oppositionsfraktionen. Das sei auch unabhängig davon, was die Sondersitzung erbringt oder „ob Christine Haderthauer vorher zurücktritt“, sagte der Freie Wähler-Abgeordnete Peter Bauer.