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Gezerre

Markus Söder: der ungeliebte Kronprinz

Bayern / Lesedauer: 4 min

Der Finanzminister soll bayerischer Ministerpräsident werden. Ausgesucht hat sich Horst Seehofer seinen Nachfolger aber nicht.
Veröffentlicht:04.12.2017, 18:31

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Nach wochenlangem Gezerre ging nun alles ziemlich schnell: Bereits am vergangenen Sonntag sickerte durch, dass Seehofer dem Drängen nachgegeben hat, das in seiner Partei seit den massiven Verlusten bei der Bundestagswahl wohl nicht mehr zu bremsen war. Ebenso klar: Als Parteichef bleibt der 68-Jährige bis auf Weiteres unangefochten. Die gute Figur, die er aus CSU-Sicht bei den geplatzten Jamaika-Gesprächen in Berlin abgab, sichert seine Position – gerade im Blick auf weiter anstehende Koalitionsverhandlungen.

Söder gilt aus Seehofer-Sicht als das Gegenteil eines Wunschkandidaten. Beide sind sich in zunehmend herzlicher Abneigung verbunden. Seehofer hat sich schon vor Jahren und vor Publikum über die „Schmutzeleien“ des Franken ausgelassen. Und Söder macht schon lange kein Geheimnis daraus, dass er Seehofers Posten will. Bis in die letzten Tage hinein allerdings, ohne das übermäßig laut zu sagen. Aber mit unmissverständlicher Härte, wenn er in der Sache gelegentlich anderer Meinung war als sein Kabinettschef.

Rasante Karriere

Früher hieß derlei Verhalten in der CSU frei nach Franz Josef Strauß „Tapferkeit vor dem Parteifreund“. Auch CSU-Übervater Strauß ließ selten Zweifel aufkommen, nach welchen Ämtern ihm der Sinn stand. Und so gilt Söder schon seit Jahren als ungeliebter Kronprinz mit Qualitäten, die auch von Gegnern kaum zu übersehen sind: Ein Jahr nur war er Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, wurde 2008 zum mit Fachkompetenz geachteten Umweltminister und arbeitete sich 2011 in atemberaubendem Tempo in den eher spröden Aufgabenbereich des Finanzministers ein, nachdem Vorgänger Georg Fahrenschon zu Seehofers Enttäuschung den fürstlich bezahlten Job des Sparkassenpräsidenten dem Ministeramt vorzog.

Ein Intellektueller

Seitdem ist Söder das Gesicht hinter der schwarzen Null im Bayern-Haushalt und geschätzter Talkshow-Gast, längst nicht nur zu Fragen der Finanzen. Der studierte Jurist und gelernte Rundfunkredakteur gehört zur raren Spezies jener Politiker, die jedem Ressort gewachsen scheinen – und obendrein zu jener Härte fähig sind, die auch Seehofer nachgesagt wird. Und er ist – in Bayern besonders wichtig – ein Intellektueller, der das nicht ständig raushängen lässt.

Während Widersacher noch bis in die vergangene Woche hinein von Söder geschlagene Wunden aus der Vergangenheit beklagten, waren die entscheidenden Fronten wohl längst geklärt. Zumal in der Landtagsfraktion, die den rasanten Aufstieg des Markus Söder lange Zeit argwöhnisch beobachtet hatte: In mühevoller Kleinarbeit hatte der Finanzminister über Jahre Vorbehalte entkräftet und Pfründe verteilt, um plötzlich – aber nicht überraschend – als Favorit zu gelten.

Als cleverer Schachzug der jüngeren Vergangenheit darf gelten, dass der Franke im Flüchtlingsstreit zwar knallharte CSU-Forderungen vertrat, aber diese nicht zum persönlichen Streitinstrument gegen die Bundeskanzlerin einsetzte. So hätten sich viele Mandatsträger auch von Seehofer die Auseinandersetzung mit der Schwesterpartei gewünscht beim wichtigsten Thema der dann auch für die CSU so schmerzlich endenden Bundestagswahl.

Söders scheinbar mächtigster Rivalin, der oberbayerischen CSU-Bezirksvorsitzenden Ilse Aigner, gingen in der Endrunde um die Seehofer-Nachfolge die Nerven durch. Aber da war das Rennen in Wahrheit längst gelaufen: Während die Wirtschaftsministerin eine Partei-Urwahl des Kandidaten (oder natürlich der Kandidatin) fürs Ministerpräsidentenamt vorschlug und dabei auf die Minderheitenrolle der Franken unter den CSU-Mitgliedern setzte, marschierten Söders Truppen auf. Voran Kultusminister Ludwig Spaenle, der im Urwahl-Vorschlag „ein Lehrbeispiel für politisches Leichtmatrosentum“ erkennen will.

Geheimwaffe Ilse Aigner

Nötig war die Grobheit, für die sich der Münchner Spaenle wenig später entschuldigte, allerdings damals schon nicht mehr. Nicht nur in Franken, sondern auch in Altbayern häuften sich die Entschließungen von Orts- und Kreisverbänden, die von ihrer Partei und dem Vorsitzenden einen personellen Neuanfang rechtzeitig vor der bayerischen Landtagswahl im Herbst des kommenden Jahres forderten. Und mit dem CSU-Gespür für Leithammel-Qualitäten längst auf Söder schielten. Auch in Oberbayern, wo die von Seehofer aus Berlin zurückbeorderte Ilse Aigner als das empfunden wurde, was sie wohl auch war: vermeintliche Geheimwaffe, um Söder auszubremsen.

Zuletzt gingen auch Pläne nicht auf, das Franken-Lager zu spalten. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zögerte noch übers Wochenende, bis er gestern vor der entscheidenden Fraktionssitzung auf eine Kampfbewerbung gegen Söder verzichtete. Richtig echte Ambitionen auf den Posten des Ministerpräsidenten hatte er zuletzt im Jahr 2008, nachdem die CSU die absolute Mehrheit im Landtag einbüßte. Seinerzeit waren es Seehofers Truppen die dem grundsoliden Innenminister (und anderen) seinerzeit schnell klar machten, wer die Hosen anhat. Was nun auch der scheidende Amtsinhaber selber erleben muss.

Ihm bleibt der Trost, dass er als Parteichef noch für Berlin und die dort anstehenden Koalitionsverhandlungen gebraucht wird. Sogar mit Empfehlung des Grünen-Vormanns Cem Özdemir der sich nach den geplatzten Jamaika-Sondierungen ausdrücklich bei der CSU und ihrem Vorsitzenden fürs gute Verhandlungsklima bedankte. Mit Freundschaften ist es in der Politik eben so eine Sache.