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Hochrücken

Die Täter kommen nachts

Bayern / Lesedauer: 3 min

In Bayerns Wäldern gibt es immer mehr Wilderer – Jäger wollen reagieren
Veröffentlicht:01.09.2014, 14:39

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Die beiden Schüsse fielen am helllichten Nachmittag. Kaum hörbar, weil sie von einem Kleinkalibergewehr abgefeuert wurden. Es geschah am sogenannten Hochrücken, einem Waldgebiet im Jagdrevier Wörleschwang (Landkreis Augsburg). Und es waren Wilderer, das stellte sich später heraus. Seither sind die Jäger alarmiert. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie vor kurzem eine Rehdecke (Fell) mit Kopf und Läufen fanden. Der Bock war mit einem Schuss in den Träger, den Hals des Rehes, getötet worden. Das Wildbret wurde fachmännisch vom Fell abgetrennt und von den Tätern mitgenommen. „Da waren Profis am Werk“, sagen die Jäger.

Belohnung ausgesetzt

Es war nicht der einzige Fall in letzter Zeit. Auch im Revier rund um den Holzwinkelort Welden bei Augsburg wurde eine verendete Rehgeiß gefunden, die ein Kitz im Leib trug – ebenfalls erlegt von einer kleinkalibrigen Waffe. Die Jäger wollen dem Treiben der Wilderer nun nicht mehr länger tatenlos zusehen. Sie haben in Zusammenarbeit mit der Polizei inzwischen eine Belohnung in Höhe von 1200 Euro für sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung ausgesetzt.

Die Ermittlung der Täter ist häufig schwierig. Sie kommen meist in der Nacht und töten die Tiere im Scheinwerferlicht ihrer Autos. Flüchtet ein angeschossenes Wild, suchen sie nicht lange, sondern rasen im Schutz der Dunkelheit davon. Für die Tiere bedeutet dies in der Regel einen qualvollen Tod. Die illegale Jagd hat in Bayern in den vergangenen Jahren wieder zugenommen, die Tendenz ist steigend. 180 Fälle weist die Kriminalstatistik für 2013 aus. „Doch die Dunkelziffer ist viel, viel höher“, sagt der Präsident des Bayerischen Jagdverbandes (BJV), Jürgen Vocke . Dabei könne Wilderei mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belegt werden. Vocke: „Wilderei darf nicht romantisiert werden und ist kein Kavaliersdelikt.“

Bewaffnete Wilderer, „die ohne Rücksicht auf Verluste schießen“, so der BJV-Präsident, seien nicht nur für die Tiere, sondern auch für Waldspaziergänger, Radler oder Pilzsammler eine Gefahr. Und niemand wisse, wie ein ertappter Wilderer mit der Waffe in der Hand reagiere. Vocke: „Da kann die Situation schnell eskalieren.“ Vocke selbst hat in seinem Revier bereits eine gefährliche Konfrontation mit einem Wilddieb auf einem schmalen Bergweg erlebt. „Hier die Wand, dort der Abgrund, ich wusste nicht, was passiert.“ Der Mann sei glücklicherweise geflohen. Die illegale Jagd verstoße jedoch vor allem gegen den Tierschutz. „Die Wilderer schießen meist mit Kleinkalibern, damit der Schuss nicht so weit gehört wird“, sagt Vocke. Dabei würden die Tiere oft nur verletzt und verendeten erbärmlich.

Kaum Fälle in den Bergen

Auch der ehemalige Wildmeister Konrad Esterl bestätigt eine Zunahme der Wilderei im Flachland. Als Berufsjäger betreute Esterl einst Reviere im oberbayerischen Spitzinggebiet und im Ebersberger Forst. Heute geht er im Ruhestand in der bekannten Valepp an der Rotwand auf die Pirsch. „Am Berg kommt Wilderei inzwischen weniger vor“, sagt Esterl. Vielleicht auch deshalb, weil der Aufstieg für die Täter zu beschwerlich und der unbemerkte Abtransport der erlegten Tiere zu schwierig ist. Esterl ist in Schliersee zu Hause, dort, wo Bayerns legendärer Wildschütz Georg „Girgl“ Jennerwein unerlaubt in königlichen Wäldern jagte und zum Volkshelden stilisiert wurde. Esterl hört auch heute noch immer wieder von Fällen, bei denen erlegten Gämsen Trophäen und Bart abgetrennt wurden.

Als „Lump“ wird ein Wilddieb in diesen Alpenregionen bezeichnet, wie der passionierte Waidmann betont. Von einem Kavaliersdelikt will auch er bei der illegalen Jagd nicht sprechen. „Und richtig böse werde ich, wenn ein Muttertier ihrem Kind weggeschossen wird.“