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Zauberberg

Der Zauberberg der CSU

Bayern / Lesedauer: 6 min

40 Jahre Klausur in Kreuth: Weiß-blaue Winterlandschaft und klare Worte an die Schwesterpartei
Veröffentlicht:07.01.2016, 18:40

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Blauer Himmel, Schnee und davor der Helikopter, der Großbritanniens Regierungschef David Cameron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel einfliegt. Es sind die Märchenkulisse und die oft mehr als ein Hubschrauber donnernd-grollenden Worte der CSU gleichermaßen, die Wildbad Kreuth bundesweit bekannt machen, genauer gesagt, das Treffen der Landesgruppe zum Jahresbeginn.

Erstmals in diesem Jahr ist Angela Merkel dabei. Zum ersten Mal überhaupt ein Bundeskanzler. Zum Auftakt der Klausur erklärt sie zwei Stunden ihre Flüchtlingspolitik. Und kommt schnell in die Defensive. „Die Geschichte in Köln gibt eine Wendung, die wichtig ist“, sagt der CSU-Politiker Peter Ramsauer. „Wenn die Wende in der Flüchtlingspolitik nicht gelingt, hat die Union die besten Tage hinter sich“, warnt Horst Seehofer . Doch es sind an diesem frühen Abend im Bierstüberl nicht die Großkopferten, es sind die ganz normalen CSU-Abgeordneten, die ihr Unverständnis für die Kanzlerin zeigen. Sie gerät in die Defensive, verteidigt ein ums andere Mal ihre Politik, wird dabei auch lauter. Am Ende wird sie mit höflich knappem Applaus verabschiedet.

Die CSU hadert mit der Kanzlerin. Sie ist den Christsozialen viel zu langsam. „Schon Mitte, Ende Januar werden wir recht bekommen“, heißt es hinter den Kulissen. „Realität schafft in der Politik Zustimmung“, sagt CSU-Parteichef Seehofer öffentlich. Allein bis zu den drei bevorstehenden Landtagswahlen im März würden doch über 200000 neue Flüchtlinge in Deutschland sein, wenn es so weiter gehe. Man müsse schnell handeln, auch Merkel könne nicht auf Dauer die Obergrenzen ablehnen. Schengen hat sich aus Sicht der meisten CSU-Abgeordneten längst erledigt. Sie verstehen nicht, dass Merkel nicht reagieren will. Es gehe doch einfach nicht an, dass Österreich Leuchtstreifen in die Felder klebe, wo es nach Deutschland geht und als Busunternehmen funktioniere, meinen die CSU-Politiker.

Strauß schrieb Geschichte

Ist es in Kreuth wie immer – oder ist es diesmal schlimmer? „Es ist dramatischer“, sagen viele in der CSU, die auf eine lange Geschichte von Kreuth zurückblicken können. Hier, unweit des Tegernsees, wurde ein kleines bisschen bundesdeutsche Geschichte mitgeschrieben.

Hier wurde mit Franz Josef Strauß der berühmte Trennungsbeschluss von der CDU gefasst. Franz Josef Strauß selbst sagte später, der Gedanke an eine vierte Partei sei nicht als Angriff auf die CDU entstanden, „sondern aus der Befürchtung heraus, dass die Kombination SPD/FDP zu einer Dauererscheinung werden könnte. Die CDU und CSU hätten dann getrennt, aber friedlich nebeneinander im Kampfe gegen das liberal-sozialistische Regierungsbündnis vielleicht schon früher an die Regierung kommen können“, sagte Strauß 1985 auf dem CSU-Parteitag in München.

Dieser Geist von Kreuth wird immer wieder dann beschworen, wenn die CSU die Konfrontation mit der CDU sucht. Richtig ernst aber wurde es seitdem nicht mehr.

„Der Geist von Kreuth ist längst zum Phantom der politischen Oper mutiert“, sagt Peter Ramsauer, früherer CSU-Landesgruppenchef. Das Szenario ist jedesmal das gleiche. Die CSU fängt kurz nach Weihnachten an, ihre Forderungen zu stellen. Diesmal waren es die Obergrenze für Flüchtlinge, verpflichtende Integrationskurse, Sozialhilfe für EU-Flüchtlinge erst nach zwölf Monaten. Kurz: Kraftmeierei der CSU, die seit Franz Josef Strauß Tradition hat. Dieser meinte einst, dass „zunächst Mahnungen, Warnungen, Ratschläge aus Bayern als störende Begleitmusik, als überflüssige Einmischung, als Störmanöver, als Querschüsse abgetan worden sind. Es heißt dann oft, in Bayern gehen die Uhren anders. Das stimmt, aber sie gehen bei uns richtig.“

Berühmte Gäste

Es steht außer Frage, dass Nachfolger Horst Seehofer das heute genauso unterschreiben würde. Und zum Beweis verweist die CSU auf ihre alte Forderung nach Deutschkursen für Einwanderer, für die sie vor 13Jahren zunächst heftig angegriffen wurde, während das heute selbst die Grünen wollen. Seehofer verweist auch auf die Budgetierung, die er einst als Gesundheitsminister einführte. Und doch sei weiterhin jeder Kranke behandelt worden.

Aufmerksamkeit erregt die Klausur immer auch durch berühmte Gäste. Diesmal ist es David Cameron, Großbritanniens Premier, der in Kreuth zu Gast ist. „Ich kann verstehen, warum sich die Bayern gesegnet fühlen“, sagt er beim Blick auf die Kulisse, Berge, Schnee und das zauberhafte Tagungsgebäude.

Das Wildbad selbst hat freilich schon bessere Zeiten erlebt. Die Zimmer sind spartanisch, im Schwimmbad ziehen jeden Morgen dieselben Politiker mit Peter Ramsauer ihre Runden, die Sauna ist in die Jahre gekommen, und das Bier-stüberl auch. Doch genau das macht für viele Abgeordnete den Reiz aus. Hier will und kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren. Hier kann man streiten oder Schafkopf spielen, es gibt keinen Fernseher auf dem Zimmer. Und zum Festbankett zu 40 Jahre CSU in Kreuth soll am Abend wie jedes Jahr die Stubnmusi aus Rottach-Egern spielen. Mit nicht nur den gleichen Musikern wie vor 40 Jahren, sondern sogar denselben.

Seit 40 Jahren hat die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung das alte Gebäude gemietet, in dem einst Österreichs Kaiser Franz Josef I. sich erholte und die russischen Zaren Nikolaus I. und Alexander der I. einkehrten. In dem Wildbad fanden Seminare und Hochzeiten, Klausurtagungen und Familienfeste statt. Doch im letzten Sommer wollte Herzogin Helene von Bayern die Pacht erhöhen, Zeitungsberichten zufolge sollte die Miete von 84 000 Euro im Jahr auf 360000 Euro steigen, das Haus Wittelsbach widersprach dieser Darstellung. Sicher ist aber, dass die CSU die Notbremse zog. Horst Seehofer selbst meinte, auch andere Orte könnten das Flair liefern. „Wenn Sie Wert legen auf Bilder und Umgebung, da mangelt es in Bayern wirklich nicht“, hat er im letzten Sommer gesagt.

CSU kann wiederkommen

Doch jetzt zeichnet sich eine Lösung ab. Das Haus soll zu einem neuen Tagungs- und Kongress-Hotel mit Wellness- und Spa-Bereich ausgebaut werden. Und die CSU hat die Zusicherung, nächstes Jahr auch wieder dort tagen zu können.

Kreuth hat viel erlebt, nicht nur den Trennungsbeschluss von Strauß, sondern auch den Sturz Edmund Stoibers. Während die Landesgruppe 2007 noch zu ihm hielt, änderte sich dies, als Stoiber in einer Pressekonferenz, auch damals übrigens zusammen mit David Cameron, betonte, dass er bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben wolle. Drei Wochen später wurde er von der Landtagsfraktion der CSU, die ebenfalls jährlich in Kreuth tagt, dort gestürzt. Die Angestellten erinnern sich noch daran, wie Edmund Stoiber durch die Hintertür hinausrannte.

Das Grollen aus den Bergen

Horst Seehofer steht in Kreuth nicht zur Disposition. Sein potentieller Nachfolger Markus Söder ist an diesem Abend in Traunstein beim Neujahrsempfang, während Horst Seehofer zu 40 Jahre Klausur in Kreuth redet.

Bevor Angela Merkel am Abend im Schnee mit dem Hubschrauber wieder abhebt, hat Horst Seehofer ihr versichert, dass man die Flüchtlingskrise mit ihr gemeinsam lösen will. Doch beruhigt wird sie Kreuth nicht verlassen. Die CSU wird in Kürze ein Verfassungsgutachten vorstellen, demzufolge Deutschland sehr wohl eine Asyl-Obergrenze definieren kann, weil es eine Obergrenze der Belastbarkeit gebe.

Das Grollen aus den Bergen, in der Flüchtlingspolitik auf keinen Fall bis zum St. Nimmerleinstag zu warten, wird lauter. Das nächste Gewitter naht. Die schöne Kulisse kann trügen.