StartseiteRegionalBaden-WürttembergWie regionale Gin-Brenner England überholen

Wacholderschnaps

Wie regionale Gin-Brenner England überholen

Baden-Württemberg / Lesedauer: 7 min

Wie regionale Gin-Brenner England überholen
Veröffentlicht:27.06.2016, 18:21

Von:
Artikel teilen:

Der Inselstaat gilt als das Stammland der Spirituose. Nun feiern aber auch hiesige Produzenten Umsatzerfolge mit dem Wacholderschnaps.

Martin Steinhauser bezeichnet sich selbst als Müller-Thurgau-Typ. Doch seit rund zweieinhalb Jahren brennt der gelernte Weinküfer aus Kressbronn seinen eigenen Gin . „Die Branche boomt“, sagt er. „Da wollte ich natürlich dabei sein.“ Die Idee hat sich gelohnt. Jeden Tag verschickt der 54-Jährige seinen Gin deutschlandweit. Das macht sich auch im Umsatz der Weinkellerei bemerkbar.

Keine Spirituose in Deutschland hat in den vergangenen zwei Jahren mehr an Beliebtheit gewonnen als Gin. Der Wacholderschnaps, der je nach Rezeptur mit Kräutern, Gewürzen oder Früchten aromatisiert ist, ist derzeit der Hochprozenter, dessen Absatz sich deutschlandweit am meisten erhöht hat. Das geht aus dem Absatzveränderungsranking zu Spirituosen im Lebensmitteleinzelhandels der Marktforschung Information Resources aus dem vergangenen Jahr hervor. Danach sind von 2014 und 2015 insgesamt über 514 Millionen 0,7 Liter-Flaschen Spirituosen verkauft worden. Rund sieben Millionen davon sind Gin.

Das Tonic muss zum Gin passen

In vielen hipen Bars wird der Gin nicht einfach mit einem Tonic gemischt. Das Tonic muss zum Gin passen – ob extra trocken, mit einem höhreren Chininianteil oder aromatisiert mit Kräutern – mittlerweile gibt es eine große Auswahl an der bitteren Limonade. Gespickt wird der Longdrink auch längst nicht mehr nur mit einem simplen Stück Zitrone, sondern je nach Gin mit einem Rosmarinzweig, ein paar Stückchen Ingwer oder auch Gurkenscheibchen. Je nachdem, welche Geschmacksnote des Schnaps betont werden soll.

Schwarzwald-Gin überzeugt

Alexander Kreft , Vorsitzender der Deutschen Barkeeper Union Sektion Baden-Württemberg, hat bis Ende März dieses Jahres als Barkeeper in Karlsruhe gearbeitet. Seiner Meinung nach hat der Gin „Monkey 47“ aus dem Schwarzwald den Hype vorangetrieben. Seit 2010 wird der Gin von Alexander Stein und Christoph Keller produziert. Das Marketing ist durchdacht – die komplette Homepage ist auf Englisch und erscheint in der Optik einer alten Zeitung. Auch die Flasche im Apothekerstil mit riesiger Briefmarke mit Affen drauf gefällt.

Kreft ist von der Qualität der Spirituose überzeugt. „Der Geschmack ist einfach einzigartig“, sagt er. Monkey schmeckt leicht blumig und hat eine liebliche sowie leicht pfeffrige Note. „Mittlerweile steht der Gin in jeder guten Bar – und das weltweit.“ Seit Anfang des Jahres gehört Black Forest Destillers zu einem Mehrheitsanteil zum französischen Spirituosenkonzern Pernod Ricard. Der Monkey sei es auch gewesen, der die Gin-Preise ordentlich angehoben hat. Die Flasche liegt bei 30 bis 35 Euro – damit war er der erste Gin, der sich in diesem Preissegment bewegte. „Früher hätte jeder gesagt, dass man bescheuert ist, wenn man für eine Flasche Gin über 20 Euro ausgibt“, sagt Kreft. Auch die meisten anderen Hersteller bewegen sich jetzt in diesem preislichen Bereich.

Steinhauser hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren rund 60000 Flaschen seines Gins verkauft. Auch beim ihm liegt der Preis für eine Flasche bei mehr als 30 Euro. Die Idee auf den Zug aufzuspringen hatte er auf der Fachmesse für Wein- und Spirituosen „Pro-Wein“ vor drei Jahren in Düsseldorf. „An jedem dritten Stand gab es auf einmal Gin“, sagt er. Zusätzlich war er aber inspiriert von dem erfolgreichen Wacholderschnaps aus dem Schwarzwald . Da sei klar gewesen, dass er auch welchen brennen wird.

Weihnachten 2013 hat Steinhauser die ersten 18Flaschen seines „See Gins“ abgefüllt. „Er hat sofort geschmeckt, wir haben seitdem nichts mehr an der Rezeptur verändert“, erklärt der 54-Jährige zufrieden. Gins werden mit sogenannten Botanicals, das sind Pflanzen und deren Extrakte, aromatisiert. Steinhäuser verfeinert seinen Gin mit Zitrone, Melisse und Wacholder – mehr verrät er nicht.

Edelbrandsommelière Silke Senft aus Salem brennt auch seit 2013 ihren eigenen Wacholderschnaps. Sie verarbeitet in ihrem Gin Wachholder von der Schwäbischen Alb und Kräuter von der Insel Reichenau. „Die Kunden wollen immer regionale Produkte und Gin ist derzeit sehr beliebt“, sagt sie. Deshalb habe sie entschieden, auch Gin herzustellen. Ein Konzept, das aufgeht. Die Nachfrage nach dem Schnaps sei derzeit sehr hoch, doch wieviel der Gin tatsächlich im Umsatz ausmache, lässt sie offen. Seit Beginn des Jahres bietet die Familienbrennerei aus Salem noch einen weiteren Gin an. Der erste soll eher fruchtig sein, der neue kräftiger und wärmend.

Familie Schätzle aus Deilingen im Landkreis Tuttlingen brennt seit 1893 Spirituosen. In den 1960er-Jahren gehörte auch ein Gin zum Sortiment. Wenige Jahre zuvor hatte Queen Elizabeth II. bereits den Gordon´s Gin zum Hoflieferanten erklärt – ein Erfolg, an den der Gin von Familie Schätzle nicht anknüpfen konnte. „Unser Gin war damals nicht so erfolgreich, deshalb haben wir wieder aufgehört ihn zu produzieren“, sagt Destillateurmeister Uwe Schätzle. Doch als Gin in den vergangenen Jahren immer beliebter wurde, entschied sich Schätzle das alte Familienrezept neu aufzulegen und die Spirituose wieder zu brennen. „Wir haben das Rezept auf das heutige Geschmacksempfinden abgestimmt“, sagt Schätzle. Mit Erfolg. Sein Gin ist von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft mit einer Goldmedaille ausgezeichnet worden.

Eisqualität ist auch wichtig

Auszeichnungen auf die Barkeeper wie Kreft keinen großen Wert legen. „Ich habe noch nie auf Medaillen geachtet, mir ist egal, was eine Spirituose für eine Auszeichnung hat“, sagt er. Trotzdem sollte ein Gin in einer Bar ein Markenprodukt sein und das Tonic ein gutes. „Auch die Eisqualität ist für einen guten Gin Tonic wichtig“, sagt er. Für ihn muss es auch nicht unbedingt eine teure Wacholderspirituose sein. „Ein klassischer Gin wie der Gordon´s, Bombay Sapphire, Tanqueray oder Beefeater tut es immer“, sagt er. Die erste Sorte, der ein wenig aus der Reihe tanzte, sei der Hendrick´s gewesen. „Der ist mit Gurke und Rose aromatisiert“, erklärt Kreft. Das sei völlig neu gewesen. 1999 kam dieser Gin auf dem Markt.

Kreft sieht den Boom ein wenig kritisch. „Das ist viel Spielerei“, sagt er.„Man muss es mal so sehen: Wir haben früher den Gin Tonic immer mit Schweppes gemischt und einem der Klassiker wie Gordon´s“, sagt er. Niemand habe sich beschwert.

Der Brenner Steinhauser aus Kressbronn ist stolz auf den Geschmack seines Gins, der ebenfalls ausgezeichnet wurde. Er steht an einem Stehtisch vor der Brennmaschine und schenkt sich ein Glas Gin ein. Er schwenkt das bauchige Glas, riecht dran und nippt. „Der Gin hat 48 Prozent und ist trotzdem sehr mild“, sagt er. Die Europäische Union gibt vor, dass Gin einen Mindestalkoholgehalt von 37,5 Prozent haben muss. Steinhauser hat sich bei seinem für 48 Prozent entschieden. „Gin wird ja in der Regel mit Tonic Water gemischt wird. Bei einem Alkoholgehalt von 37,5 Prozent wäre das Getränk einfach zu leicht“, sagt der 54-Jährige.

Gin mit leicht bräunlicher Farbe

Derzeit ruht die Brennmaschine bei Steinhauser. In den Sommermonaten brennt er nicht. „Ende August, Anfang September werden wir wieder Gin aufsetzen“, erklärt er. Doch bevor die Sommerpause für den Brennapparat anstand, flossen noch einmal einige Liter Gin durch den Hahn. Denn Steinhauser hat etwas Neues entwickelt: Ein Gin, der im Holzfass reift und deshalb eine leicht bräunliche Farbe hat. Sein Ziel ist ein Absatz im fünfstelligen Bereich pro Jahr – für Gin.