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Zauneidechse

Verzögerungen beim Bau der ICE-Trasse

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Strecke Stuttgart-Ulm: Bahn fürchtet Zeitverlust wegen Vorgaben zum Echsenschutz
Veröffentlicht:07.04.2016, 19:27

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Sie dürfte nicht das Lieblingstier von Bahningenieuren sein: Die Zauneidechse hat es zu Bekanntheit gebracht, weil sie an Bahndämmen optimale Lebensbedingungen vorfindet und zu den streng geschützten Arten zählt. Zum wiederholten Mal kommt sie den Planern des umstrittenen Großprojekts Stuttgart 21 in die Quere. Weil an einem Abschnitt bei Kirchheim/Teck eine Population der Tiere gefunden wurde, müssen diese umgesiedelt werden. Die Bahn rechnet mit Zeitverlusten von bis zu einem Jahr auf diesem Bauabschnitt.

Das jedenfalls hat Manfred Leger , verantwortlich für den Bau des neuen Stuttgarter Bahnhofs und der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm, am Donnerstag in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ verraten.

Naturschützer allerdings halten dieses Manöver für den Versuch, aus der Echse einen Sündenbock zu machen. Sie vermuten, die Bahn wolle von eigenen Versäumnissen bei Planung und Ausführung ablenken. „Dass die Eidechsen jetzt als Grund für Bauverzögerungen herhalten müssen, dürfte viel mit der Diskussion zu tun haben, ob das Versprechen der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 im symbolischen Jahr 2021 noch zu halten ist“, sagte Christine Fabricius, Naturschutzreferentin der Umweltschutzorganisation BUND in Baden-Württemberg, der „Schwäbischen Zeitung“. Das weist die Bahn entschieden zurück. „Ohne Eidechsen könnten wir jederzeit mit dem Bau beginnen“, so ein Sprecher.

Auswirkungen auf Südbahn-Takt

Eigentlich sollen zum Fahrplanwechsel Ende 2021 sowohl der Tiefbahnhof in der Landeshauptstadt als auch die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke Stuttgart-Ulm in Betrieb gehen. Darauf warten zahlreiche Bahnkunden in Oberschwaben und am Bodensee, denn dann soll über die Südbahntrasse auch diese Region in neuem, verbessertem Takt an den Rest des Bahnnetzes angeschlossen werden. Ob dieser Zeitplan und der Kostenrahmen zu halten sind, haben die Vorstände des Projektes nach Aussagen des Vorstandsvorsitzenden Leger in den vergangenen Monaten prüfen lassen. Das Ergebnis soll bald vorliegen. Über einen Zeitpunkt, um die Einschätzungen zu veröffentlichen, sagt ein Bahnsprecher: „Fragen Sie das ein Vierteljahr, nachdem wir die Ergebnisse haben.“

Klar ist: Die Bahn hat nach eigenen Angaben bereits mehrere Monate wegen des Eidechsenfundes verloren. Die Tiere wurden von Experten entdeckt, die wie vorgeschrieben die im Auftrag der Bahn ökologische Folgen der Arbeiten ständig im Blick haben. Nun muss der bereits durchgewunkene Plan für den Abschnitt „Albvorland“ geändert und noch einmal vom Eisenbahnbundesamt (EBA) für gut befunden werden. Da die Eidechsen nur im Frühjahr vor der Brut und im Herbst vor der Winterruhe eingefangen werden können, droht weiterer Zeitverlust, sollte die Genehmigung nicht im Sommer vorliegen.

Ausstehende Genehmigung

Außerdem wartet die Bahn auf eine EBA-Genehmigung für die Flughafenkurve kurz hinter Stuttgart . „Eigentlich hätte die Genehmigung 2015 erfolgen müssen“, so Leger. Im EBA heißt es dazu: Seit Ende Januar seien alle Papiere aus Stuttgart da. Nun arbeite die Behörde an der Genehmigung, wie lange dies dauere, sei offen. Die alleinige Verantwortung für die Verzögerung will das EBA nicht tragen. „Grundsätzlich gilt: Die Bahn priorisiert ihre Projekte. Das EBA setzt seine personellen Ressourcen entsprechend dem aktuellen Bedarf und der Priorität ein“, sagte ein Sprecher. Außerdem liege nur etwas mehr als ein Zehntel der Laufzeit eines Planfeststellungsverfahren in Händen der Bonner Behörde.

2000 bis 4000 Euro pro Eidechse

Die Bahn muss sich rund um Stuttgart 21 mit Mauer- und Zauneidechsen beschäftigen. Erstere leben vor allem im Stuttgarter Stadtgebiet. Laut Bahn kostet es zwischen 2000 und 4000 Euro, ein einzelnes Exemplar umzusiedeln. Hierin enthalten sind unter anderem die Kosten für Gutachten, Kauf oder Pacht von Ersatzflächen und für das Einfangen der Tiere mit Schlingen. Im Fall der Mauer-eidechsen machte die Bahn einen DNA-Test, um zu klären, ob es sich um heimische oder eingewanderte Arten handelt. Die Bahn muss für das Großprojekt 10000 Eidechsen umsiedeln. Zauneidechsen sind in Baden-Württemberg nach Auskunft des BUND nicht besonders selten, in Europa insgesamt aber bedroht. Sie zählen nach EU-Recht zu den besonders schützenswerten Tieren. Artenschutz sei per se sinnvoll, heißt es beim BUND: Verschwinden aus einem Ökosystem einzelne Arten, gerate dieses aus dem Gleichgewicht, die Folgen seien nur schwer abzuschätzen. (tja)