StartseiteRegionalBaden-WürttembergStädte kritisieren Verkehrsfinanzierung

Verkehrsfinanzierung

Städte kritisieren Verkehrsfinanzierung

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Verband fordert von Minister Hermann Vorrang für „große und sinnvolle Projekte“
Veröffentlicht:13.01.2016, 19:38

Von:
Artikel teilen:

Der Begriff selbst ist ein Zungenbrecher, doch er betrifft viele Kommunen im Land: Das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) regelt, wie viel Geld Stuttgart zu Infrastrukturprojekten in Städten und Gemeinden zuschießt. Dass Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Förderung umgestellt hat, sorgt vor allem bei der Opposition für Kritik. Nun macht auch der Städtetag gegen die Novelle mobil.

Mit praktischen Beispielen, wie in Remseck. Die 23000-Einwohner-Stadt am Nordrand Stuttgarts ist seit 1998 mit einer Stadtbahnlinie an das Nahverkehrsnetz der Landeshauptstadt angeschlossen. Pendler aus dem Umland kommen mit dem Auto zum Park & Ride-Umstieg, um mit der Linie U 14 ins Herz der staugeplagten Feinstaubstadt Stuttgart zu rollen.

Finanziert wurde der millionenteure Ausbau der Linie damals überwiegend mit LGVFG-Geld. Heutzutage könnte sich Remseck das überhaupt nicht mehr leisten, sagt Oberbürgermeister Dirk Schönberger (parteilos). Denn Hermann hat die Förderquoten für kommunale Infrastrukturprojekte von 75 auf 50Prozent der förderfähigen Baukosten zurückgefahren. Außerdem steht das Land nicht mehr für außerplanmäßige Preissteigerungen gerade. Wenn es teurer wird auf dem Bau, bleibt das an der Kommune hängen.

Manche Projekte vor dem Aus

Für Städtetags-Geschäftsführerin Gudrun Heute-Bluhm ein Fehler, denn ein Ausbau des Schienen-Nahverkehrs in Stuttgart sei doch eigentlich ausdrücklich erwünscht. „Der kommunale Eigenanteil an den jeweiligen Vorhaben hat sich durch die Absenkung der Förderquote verdoppelt, was bereits jetzt die Leistungsfähigkeit vieler Kommunen und Verkehrsprojekte übersteigt und damit das Aus für so manches Projekt bedeutet“, assistiert Wolfgang Arnold, Landeschef des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Das trifft nach Ansicht von Heute-Bluhm nicht nur Remseck: Ob Lärmschutzwand im Schwarzwald, Bahnübergang in Oberschwaben oder Straße in Hohenlohe – für das regionale Verkehrsnetz wichtige Investitionen würden ausbleiben, weil den Kommunen der Eigenanteil fehlt. Um auf die Probleme hinzuweisen, will der Städtetag nach Remseck auch andere Orte im Land besuchen – unter anderem Wangen im Allgäu. Dabei fordert Heute-Bluhm nicht nur mehr Geld, sondern auch eine andere Verteilung. „Der Ansatz, bei gleichbleibendem Fördervolumen möglichst viele kleine Maßnahmen zu fördern, wird zu Lasten der großen und sinnvollen Verkehrsprojekte gehen“, erklärt sie. Übersetzt: Weniger Fahrradwege oder Pedelec-Stellplätze, mehr Großprojekte. Wobei die ganz großen – ab 50 Millionen Euro – allerdings Sache des Bundes sind.

Der VDV zum Beispiel hätte gerne LGVFG-Geld für die Sanierung maroder Schienenwege und alter Fuhrparks. Wolfgang Arnold, der auch Technikchef der Stuttgarter Straßenbahnen und somit der U 14 ist, sieht Bedarf. Auch in Remseck, denn die inzwischen 17Jahre alte Linie brauche eine Überholung. Doch stattdessen habe Hermann den jährlich mit 165,2 Millionen Euro gefüllten LGVFG-Topf mit neuen Fördermöglichkeiten weiter geleert.

Das Geld für das Förderprogramm wird als „Entflechtungsmittel“ noch bis 2019 vom Bund an das Land durchgereicht, danach soll es solche Zuschüsse nicht mehr geben. Woher das LGVFG-Geld danach kommen soll, muss die nächste Landesregierung entscheiden. Die gute Nachricht: Alle gehen davon aus, dass der Topf auch über 2019 hinaus weiter befüllt wird, immerhin gibt der Bund dem Land mehr Geld aus der Umsatzsteuer.

Mitnahmeeffekte vermeiden

Im Verkehrsministerium verteidigt man die Umstellung der Fördersätze. Auch dass der Straßenbau nicht mehr 60, sondern nur noch 40Prozent der Förderung bekommen soll. „Es gibt genauso viel Geld wie bisher. Es wird nur anders verteilt“, sagt ein Sprecher von Verkehrsminister Hermann. Anders als unter Schwarz-Gelb würden nun eben mehr Projekte zeitnaher verwirklicht. Die gesenkte Förderquote habe zudem Steuerungswirkung: Da die Kommunen selbst mit viel eigenem Geld in der Pflicht seien, würden „Mitnahmeeffekte“ vermieden. Sprich: Die Städte beantragen nur das, was sie auch wirklich brauchen.

Natürlich würde man gerne mehr in das Schienennetz stecken, doch es gelte nach wie vor das Ziel der Haushaltskonsolidierung. Sollte Grün-Rot im März wiedergewählt werden, wolle man aber auch darüber nachdenken, inwieweit Erhaltungsmaßnahmen förderfähig seien.