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Sind Lehrer im Südwesten zu schlecht ausgebildet?

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Kultusministerin Eisenmann kündigt Änderungen bei der Lehrerfortbildung an
Veröffentlicht:18.02.2017, 16:45

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Die Lehrerfortbildung im Land wird sich ändern. Das kündigte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Samstag in Stuttgart an. „Eine Veränderung in der Struktur der Schulverwaltung liegt auf der Hand“, sagte sie in Bezug auf die an diesem Tag mehrfach kritisierten Fortbildungsangebote für Lehrer. Die Ministerin hatte die mit Bildungspolitik befassten Beiräte, Verbände, Gewerkschaften, Behörden und sonstige Gruppen zum Austausch eingeladen, um gemeinsam das schlechte Abschneiden baden-württembergischer Schüler bei der jüngsten Studie des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) unter die Lupe zu nehmen.

Bei der im Herbst vergangenes Jahr veröffentlichten Studie waren die sprachlichen Kompetenzen der Neuntklässler im Land abgesackt. Ehemals gemeinsam mit Bayern Spitzenreiter im Ländervergleich, rangiert der Südwesten nun auf den unteren Rängen in Deutsch und Englisch. Entscheidender ist laut Petra Stanat , Direktorin des Berliner IQB, dass die Ergebnisse im Vergleich zur gleichen Studie von 2009 im Land gesunken seien. In vielen Gesprächen seit Veröffentlichung der Studie habe sie gelernt: „Durchschnitt geht in Baden-Württemberg gar nicht“, so Stanat.

Als mögliche Ansatzpunkte verwies Stanat darauf, dass Lehrer im Südwesten seltener an Fortbildungen teilnähmen – doch gerade beim individualisierten Unterricht und bei spezieller Förderung der Schüler wünschten sich die Lehrer mehr Weiterbildung. Joachim Straub vom Landesschülerbeirat erklärte hierzu: „Binnendifferenzierung findet an vielen Schulen nicht statt.“ Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen laut Stanat zudem, dass fachfremder Unterricht die Qualität mindere. „Da haben wir Defizite“, bestätigte Eisenmann. Der Anteil fachfremden Unterrichts liege im Land bei 23 Prozent, im deutlich leistungsstärkeren Schleswig-Holstein hingegen bei null Prozent.

Der Anteil sei an Grundschulen besonders hoch, ergänzte Doro Moritz von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft und forderte, stärker wissenschaftliche Erkenntnisse zu nutzen. Und sie sagte: „Wir brauchen dringend mehr Kompetenz im Umgang mit Heterogenität.“ Auch Stanat betonte die Bedeutung von wissenschaftlicher Begleitung in der Bildung. „Wir müssen mehr zwischenevaluieren“, so die IQB-Direktorin.

Eine „deutliche Stärkung der Fachlichkeit“ forderte Ingeborg Schöffel-Tschinke vom Landesschulbeirat. Gerade diejenigen Lehrer, die fachfremd unterrichteten, bräuchten mehr schulnahe Weiterbildung. „Wir brauchen eine konzeptionelle Weiterentwicklung der Fortbildung.“ Auf ein Problem hierbei machte Carmen Haaf vom Landeselternbeirat aufmerksam: „Eine erhöhte Fortbildungsquote hätten einen weiteren Unterrichtsausfall zur Folge“, und der sei bereits hoch, selbst im Pflichtunterricht. Bernd Saur vom Philologenverband regte an, das Referendariat für Lehrer wieder auf zwei Jahre zu verlängern zugunsten eines fundierteren Unterrichts. Praxisnahe Weiterbildung sei nicht nur für die Lehrer – und zwar in Teams – wichtig, sagte Matthias Wagner-Uhl vom Verein für Gemeinschaftsschulen. Gerade Schulleiter bräuchten Fortbildungen und genügend Zeit, um ihre Schule weiterentwickeln zu können.

Schulstruktur kein Faktor

Die unterschiedlichen Schulstrukturen dienten hingegen nicht als Erklärung, sagte Stanat mit Verweis auf die guten Ergebnisse Bayerns mit seinem dreigliedrigen System und Schleswig-Holsteins mit seinen zwei Schulformen. Doch sagte sie: „Stabilität könnte hilfreich sein.“ Genau die habe es, unter anderem wegen der Einführung der Gemeinschaftsschule, in den vergangenen fünf Jahren nicht gegeben, erklärte etwa Gerhard Brand vom Verband Erziehung und Wissenschaft. Auch Karin Broszat vom Realschullehrerverband beklagte die „destabilisierenden Faktoren“ der vergangenen Jahre, die sich auch auf die Motivation der Lehrer ausgewirkt hätten. Herbert Huber vom Berufschullehrerverband ergänzte: „Ziel muss ein Schulfriede unter den Schulen sein.“

„Wir haben das beste Lehrer-Schüler-Verhältnis aller Bundesländer, aber trotzdem magere Ergebnisse“, sagte Stefan Küpper vom Arbeitgeberverband. Drum sei eine Konzentration auf Effizienz und Effektivität im Schulsystem nun überfällig. „Wir haben Ressourcen im System“, bestätigte auch Kultusministerin Eisenmann, „aber nicht den Überblick, ob sie an den richtigen Stellen eingesetzt sind.“ Unter anderem mit Hilfe des Landesrechnungshofs werde dies nun durchleuchtet.

Für Reformen zur Qualitätssteigerung werde sich das Kultusministerium Zeit nehmen, sagte Eisenmann. „Bildungspolitik eignet sich nicht für Hopplahopp-Verfahren.“ Doch sie kündigte bereits an: „Wir werden das Thema Aus- und Weiterbildung angehen“, wie auch die Fachlichkeit der Lehrer. Gemeinsam mit den Bildungsexperten wolle sie Zielvereinbarungen für mehr Qualität an den Schulen im Land entwickeln.