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Landes-CDU sucht die Schuld in Berlin

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Unionspolitiker im Südwesten erklären Verluste mehrheitlich mit Merkels Kurs und der Großen Koalition
Veröffentlicht:25.09.2017, 20:57

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Am Tag danach scheint über der Landeshauptstadt zwar die Sonne. Doch führende CDUler fühlen sich auf Nachfrage, „als stehe schweres Wetter“ bevor. Dunkle Wolken ziehen vor allem über Landeschef Thomas Strobl auf. Denn Wahlsieger sehen anders aus.

Das zweitschlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte hat die Partei in Baden-Württemberg eingefahren. Sie verlor 11,3 Prozentpunkte gegenüber dem Triumph von 2013. Das selbst gesteckte Ziel von 40 plus X hat Strobl klar verpasst. Die Union verlor in Baden-Württemberg sogar stärker als im Bundestrend.

Zum zweiten Mal innerhalb von 18 Monaten fühlen sich nun viele in der Union als Opfer der Kanzlerin. Damals hatte die CDU unter Guido Wolf ebenfalls eine schmerzhafte Niederlage eingefahren, sie fiel erstmals hinter die Grünen zurück. Gerade das Wolf-Lager hatte dafür die Kanzlerin verantwortlich gemacht, die 2015 Zehntausende Flüchtlinge ins Land ließ. Bei Bundestagswahlen gehe es erst recht nicht um die CDU im Land – mit dieser Botschaft trösteten sich die CDUler am Montag. „Das ist ein schmerzliches und ernüchterndes Ergebnis. Aber für die Wahlentscheidung waren bundespolitische Themen ausschlaggebend“, so Fraktionschef Wolfgang Reinhart.

Sein Stellvertreter Winfried Mack wurde auf der der Suche nach Verantwortlichen deutlicher: „Viele Menschen haben sich über die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin 2015 geärgert. Wenn man immer wiederholt, es seien keine Fehler passiert, regen sich die Menschen noch mehr auf. Denn es sind Fehler gemacht worden.“ Stattdessen habe man das Thema Flüchtlinge gemieden. „Die AfD hat es mit Hasswerbung besetzt und alle anderen haben wie das Kaninchen auf die Schlange gestarrt, statt diese Fragen zu diskutieren. Das ist nach hinten losgegangen.“

Ganz anders sieht das die Heidenheimer EU-Abgeordnete Inge Gräßle. Wer nur die AfD als Grund für das schlechte Ergebnis anführe, springe zu kurz. Die CDU müsse sich grundsätzlich modernisieren. „Ich kann in der Flüchtlingspolitik keine Fehler erkennen. Solche Analysen führen auf den Pfad, der zur AfD und ins Unglück führt“, so Gräßle. Stattdessen habe die CDU zu wenig darüber geredet, welche Erfolge sie seit 2015 erzielt habe – etwa mit einem der schärfsten Asylgesetze in Europa. Nun Grenzschließungen oder Obergrenzen zu fordern, bedrohe Deutschlands Ansehen als internationaler Wirtschaftsstandort.

Landeschef Strobl macht die Große Koalition in Berlin verantwortlich für das schlechte Abschneiden in Baden-Württemberg. „Dass das nicht spurlos an Baden-Württemberg vorbeigeht, ist klar. Noch dazu haben wir sehr starke Grüne, wieder eine sehr starke FDP und leider auch eine deutlich zweistellige AfD.“ Das Ergebnis hat aus seiner Sicht also Gründe außerhalb der Performance der Landespartei. Nun sieht er sich selbst und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als mögliche Verhandler, wenn in Berlin über eine Jamaika-Koalition verhandelt wird.

Dennoch bedeutet das Ergebnis eine weitere Hypothek für Strobl. Er hat als Innenminister in der grün-schwarzen Landesregierung zwar viele CDU-Themen durchgesetzt. Doch Fraktionsvize Mack mahnt: „Es geht um Fragen nach Kultur und Identität. Die CDU muss gerade in Baden-Württemberg klare Antworten darauf geben. Das geht über Einzelmaßnahmen bei innerer Sicherheit oder Asylpolitik weit hinaus.“

Strobls Position ist CDU-intern ohnehin geschwächt. So gab er bei den Verhandlungen um die Polizeireform keine gute Figur ab. Er ließ Streitigkeiten in der CDU-Fraktion um den Sitz von Polizeipräsidien zu lange laufen. Ebenso kreiden ihm viele an, dass es ein Gerangel um Posten im Landesvorstand gab. Die Quittung: ein mieses Ergebnis bei der Wiederwahl zum Landeschef.

Besonders bewegt die CDU, wie sie Wähler zurückgewinnen kann, die zur AfD abgewandert sind. Die AfD punktete dort, wo sonst die CDU stark ist: Im ländlichen Raum und bei Nicht-Akademikern. Einig sind sich alle, dass man die AfD nicht kopieren dürfe. Dennoch fällt an diesem Tag oft der Satz, man müsse „Wähler abholen“ – und die stehen bei der AfD und damit rechts der Union. „Wir müssen deutlich machen, dass die konservative Wurzel genauso zu uns gehört wie die christliche und die liberale“, formuliert Fraktionschef Reinhart . Holger Kappel, Landeschef der CDU-Initiative „Werteunion“ hält den Kurs im Land zwar grundsätzlich für richtig. Aber: „Die Union hat wertkonservative Positionen aufgegeben. Ich kann verstehen, dass Wähler sich orientierungslos fühlen.“