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Land gibt 525 Millionen Euro für Kliniken

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Streit um Standort Riedlingen mühsam beigelegt – Krankenhaus-Träger mahnen
Veröffentlicht:05.04.2017, 00:37

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Einen Rekord konnte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart verkünden: Das Land fördert Krankenhausbauten in diesem Jahr mit 525,5 Millionen Euro – so viel wie nie zuvor. Doch in der frohen Botschaft steckt eine unangenehme Wahrheit. Die Kliniklandschaft muss sich verändern und dabei werden Krankenhäuser schließen. Die Diskussion darum hat längst begonnen, etwa in Riedlingen (Kreis Biberach). Landkreise und Kliniken teilen den Jubel über die hohe Fördersumme nicht.

Kliniken fahren Minus ein

Schon im Vorfeld des Termins in Stuttgart hatte die Versicherung AOK gefordert, von den 250 derzeit bestehenden Häusern müssten mittelfristig 50 schließen. Die Zeit von „Feld-Wald-und-Wiesen“–Kliniken sei vorbei, hatte Landeschef Christopher Hermann verkündet. In großen Zentren sei die Qualität höher. Eine ähnliche Zahl hatte auch Lucha für die Zukunft als realistisch genannt. Am Montag betonte er, dass der Trend zu großen Krankenhäusern gehen müsse. Nur dort sei hochspezialisierte Medizin möglich.

Das unterstreicht eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger. Sie zeigt: Rund zwei Drittel der größten regionalen Klinikverbünde machen derzeit Defizite – egal, ob die Krankenhäuser in Großstädten oder auf dem Land stehen. Erfolgreich sei, wer sich stark spezialisiere oder groß genug sei, um viele Leistungen auf hohem Niveau zu bieten. Wer etwa bestimmte OPs anbiete, müsse dafür ausreichend qualifiziertes Personal anlocken – und genug Patienten. „Studien zeigen, dass eine hohe Zahl von Eingriffen nicht unbedingt zu einer höheren Qualität führt, aber eine Mindestanzahl muss erreicht sein, um Qualität zu gewährleisten“, so Peter Magunia, Gesundheitsexperte bei Roland Berger.

Kliniken müssten Patienten und Hausärzten außerdem einen guten Service bieten. Sprich: direkte Ansprechpartner für Mediziner, die ihre Patienten an eine Klinik überweisen oder kurze Wartezeiten. Außerdem hätten jene Häuser Erfolg, die ihre Mitarbeiter in Veränderungsprozesse einbeziehen.

Fazit: Viele Patienten mögen sich eine Klinik in der Nähe wünschen, die viele Krankheiten kurieren kann. Doch dafür fehlt das Geld. Auch deshalb schließen in Baden-Württemberg seit 2007 pro Jahr zwei bis drei Krankenhäuser.

Einigung im Kreis Biberach

Was das heißen kann, erleben Bürger und Verantwortliche derzeit in Riedlingen. Dort sollen nach Wünschen von Stadt, Bürgerinitiative und Landkreisen von 70 Betten im örtlichen Krankenhaus noch 30 bis 40 erhalten bleiben. Der Träger, der Klinikkonzern Sana, hält das Konzept für voraussichtlich nicht wirtschaftlich. Er hat sich aber darauf eingelassen, um die letzte Chance für ein Krankenhaus in Riedlingen zu wahren. Lucha hatte dafür geworben, Alternativen zu prüfen – etwa ein medizinisches Versorgungszentrum mit Arztpraxen. Die Verantwortlichen in Biberach und Riedlingen fühlten sich unter Druck gesetzt. Denn Lucha wollte Zuschüsse für einen geplanten Neubau des Sana-Klinikums in Biberach nur bewilligen, wenn Betten in Riedlingen abgebaut würden. Das sei ein sinnvolles Gesamtkonzept.

Am Montag hatten sich aber alle Beteiligten darauf geeinigt, es zunächst doch mit dem verkleinerten Krankenhaus zu versuchen. Aus Sicht von Kreis und Kommune ein guter Weg: Sie betonten, alles zum Gelingen des Konzeptes beizutragen. Lucha beugte sich, weil es einen geltenden Beschluss für den Erhalt des Krankenhauses Riedlingen aus der Zeit vor seiner Amtsübernahme gibt. Er bleibt aber skeptisch: „Die Erfahrung lehrt, dass es solche Projekte sehr schwer haben.“ Er warf dem Landkreis vor, „Froschkuttel-Faschings-Alarm“ gemacht zu haben, statt sich konstruktiv in die Gespräche einzubringen.

Kritik der Landkreise

Gegenwind bekommt der Minister auch vom Landkreistag und der Krankenhausgesellschaft (BWKG). Beide Verbände vertreten Träger von Kliniken. Grundsätzlich ist man dem Minister dankbar, gibt er doch soviel Geld für die Krankenhäuser wie keiner seiner Länderkollegen. Doch Lucha rechne sich die Fördersumme schön. Grund: Das Land ruft knapp 64 Millionen Euro aus einem Bundestopf ab. Das Geld fließt nur an Projekte, die Strukturprobleme lösen – zum Beispiel Zentralkliniken stärken und kleinere Standorte schließen. Dieselbe Summe schießt das Land zu, sonst gibt Berlin nichts. „Diese Landesmittel sollten eigentlich zusätzlich fließen und nicht als Teil des allgemeinen Förderprogramms für Krankenhausbauten“, kritisiert Alexis von Komorowski vom Landkreistag. So hätten es Grüne und CDU vereinbart. Bernd Einwag vom BWKG ergänzt: „Die Länder sind gesetzlich verpflichtet, Krankenhausbauten komplett zu finanzieren. Auch Baden-Württemberg tut das nicht, es fehlen noch 150Millionen Euro.“