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Finanzpakt

Kreise wehren sich gegen „goldene Zügel“

Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Landräte wollen von der Regierung keine Förderprogramme, sondern eigenständig haushalten
Veröffentlicht:24.10.2016, 18:39

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Anfang November wollen sich die kommunalen Spitzenverbände und Finanzministerin Edith Sitzmann zur nächsten Runde im Ringen um einen neuen Finanzpakt treffen. Das kündigte Landkreistagspräsident Joachim Walter (CDU) am Montag in Reutlingen am Rande der 38. Landkreisversammlung an. Doch die Fronten scheinen verhärtet. Walter machte deutlich, dass er weitere Zugeständnisse zur Sanierung des Landeshaushalts ablehnt. Doch genau das erwartet Ministerpräsident Winfried Kretsch-mann (Grüne), wie dieser betonte.

„Eigentlich streiten wir nur über die Finanzen“, sagte Kretschmann vor rund 350 Zuhörern von Politik und Wirtschaft – und das täten Land und Kommunen doch immer. Baden-Württemberg statte seine Städte, Gemeinden und Kreise besser aus als viele andere Länder. „Man kann nicht sagen, dass man da einen geschwächten Patienten zur Ader lässt. Die Kommunen in Baden-Württemberg stehen hervorragend da.“

Investitionen zurückgestellt

Das bestreitet Landkreistagspräsident Walter nicht. Er sagt aber, dass die Kreise wegen der zu erwartenden Kosten für die Flüchtlingsintegration viele Investitionen zurückgestellt hätten. „Da ist ein nicht unerheblicher Investitions- und Sanierungsstau festzustellen“ – besonders bei Krankenhäusern und Schulen. Auch nach den bisherigen Verhandlungsrunden sei das vom Land beschworene Defizit im Haushalt „überhaupt nicht nachvollziehbar“.

Von den Steuern, die ans Land fließen, gehen im Südwesten automatisch 23 Prozent an die Kommunen – 2016 sind dies laut Regierung 10,7 Milliarden Euro. Wie im bisherigen Finanzpakt vereinbart, behält das Land derzeit 315 Millionen Euro ein. Dieser sogenannte Vorwegabzug soll sich nach Wunsch von Grün-Schwarz fast verdoppeln. Im Gegenzug, betonte Kretschmann, unterstütze das Land die Kommunen zusätzlich auf vielfältige Weise – etwa durch einen angestrebten Integrationspakt, oder bei der Sanierung von maroden Schulgebäuden, was zunächst aber durch eine Gesetzesänderung ermöglicht werden müsste.

Für Walter sind solche Förderprogramme, oder „goldene Zügel“, wie er sagt, nicht akzeptabel. Er bezeichnete es als „kaum zu beschreibende Widersprüchlichkeit und Ignoranz, wenn uns in den Finanzverhandlungen gesagt wird: Erst nehmen wir Euch 300 Millionen weg und geben Euch über den Integrationspakt wieder 160 Millionen zurück und möglicherweise profitiert ihr Kommunen auch noch von einem Sanierungstopf.“

Hohe Belastungen

Nicht nur bei den Integrationskosten für Flüchtlinge bedürfe es Finanzmittel, betonte Walter. Der Investitionsstau bei den Krankenhäusern summiere sich laut einem Gutachten auf 3,5 Milliarden Euro. 78 Prozent ihres Geldes geben die Kreise für Sozialaufgaben aus – und der Gesetzentwurf zum Bundesteilhabegesetz verschärfe in seiner heutigen Form die Situation weiter. Walter sprach von einer prognostizierten Mehrbelastung von 200 Millionen Euro für Baden-Württemberg. Laut Walter gibt es also genügend Gründe, die Kommunen nicht noch weiter finanziell zu belasten.

Heute berät das Kabinett über den Haushalt 2017. Bis Dezember ist laut Kretschmann noch Zeit, eine einvernehmliche Lösung im Streit zwischen Land und Kommunen hinzukriegen. „Ich hoffe, dass wir in letzter Sekunde zu einem guten Kompromiss kommen“, sagte er. „Die Tür bleibt offen.“ Der bisherige Finanzpakt läuft dieses Jahr aus.