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Kaninchenzüchter dringend gesucht

Baden-Württemberg / Lesedauer: 8 min

Kaninchenzüchter betreiben ihr Hobby mit viel Hingabe und Herzblut – Im Südwesten leiden sie aber unter Nachwuchssorgen
Veröffentlicht:26.08.2017, 11:01

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40 kleine Kaninchen spitzen ihre Ohren, wenn Moritz und Melanie Burth abends zur Fütterung in den Stall kommen. Das Stroh raschelt, aufgeregt hüpfen die Kaninchen durch ihre Boxen. Mit dunklen, glänzenden Augen warten sie auf ihre tägliche Ration Heu, Pellets und Kraftfutter. Die Tiere der Rassen Zwergwidder blau und Zwergrex castorfarbig wachsen, gedeihen und vermehren sich prächtig. Das junge Ehepaar Burth dagegen gehört einer aussterbenden Spezies an: Sie sind Kaninchenzüchter.

„Ich glaube, man muss in die Kaninchenzucht reinwachsen“, sagt Moritz Burth. Er selbst züchtet schon seit 17 Jahren und ist Vorsitzender des Kaninchenzuchtvereins in Ravensburg. Als Kind lernte er die Zucht zu Hause kennen. Auch seine drei Brüder waren zunächst Kaninchenzüchter, gaben ihr Hobby aber nach und nach auf. Seine Frau Melanie stieg dagegen vor sechs Jahren mit einer eigenen Rasse ein. Insgesamt halten die Burths nun rund 40 Kaninchen der Rassen Zwergwidder und Zwergrex. Auch ein deutscher Riese, eine der größten Kaninchenrassen in Deutschland, lebt bei ihnen. „Blümchen“ gehört aber Tochter Leonie und wird nicht auf Ausstellungen gezeigt. Dieses Kaninchen ist eines der wenigen im Stall, das einen Namen trägt. Auch Melanie Burth hat ihrem Lieblingskaninchen einen Namen gegeben: „Barney“ ist schon sieben Jahre alt und fester Bestandteil der Zucht. Ihn nimmt sie besonders gerne aus dem Käfig, um über das kurze, glatte Fell zu streichen. Aufs Sofa zum Kuscheln nimmt sie aber keines der Kaninchen mit, auch „Barney“ nicht.

Umgang mit Tieren fasziniert

Vor allem fasziniert sie natürlich der Umgang mit den Tieren an ihrem Hobby, erzählen Moritz und Melanie Burth. „Das Schönste ist, wenn die Kleinen aus ihrem Nest krabbeln, wenn man sie dann aufwachsen sieht und sieht, wie schön sie werden“, sagt Melanie Burth. Außerdem sei der Reiz auszustellen und mit seinen schönsten Kaninchen in den Wettkampf zu gehen immer wieder spannend, ergänzt Moritz Burth. „Interessant ist auch, dass man immer mitdenken muss bei der Zucht. Man muss sich an die Vererbungslehre halten und dann ist auch immer etwas Glück dabei, ob die Kaninchen so werden, wie man sich erhofft hat.“

Bei den Zwergwiddern kommt es zum Beispiel auf die Ohrenlänge, die richtige Größe und das Gewicht an. Auch bei den Zwergrex-Kaninchen sind die Vorgaben bei Ausstellungen und Wettbewerben streng: Das Normalgewicht von 1,2 bis 1,4 Kilogramm muss genau eingehalten werden, die Ohren sollten sechs Zentimeter lang sein. Immer wieder hätten ihr Mitglieder des Kaninchenzuchtvereins geraten, auf eine andere Rasse zu wechseln, da die castorfarbigen Zwergrexe besonders schwer zu züchten seien. Doch Melanie Burth will ihre karamellbraunen Lieblinge nicht aufgeben. Es brauche eben ein paar Jahre, bis man als Züchter zuverlässig Erfolge erziele, wie etwa ihr Mann: 2011 gewann Moritz Burth mit einer Zuchtgruppe von vier Zwergwiddern den deutschen Meistertitel. 386,5 von 400 Punkten erzielten seine vier Tiere damals. „Das ist ein nahezu perfektes Ergebnis“, erklärt er stolz. Die Urkunde hängt im Stall. „Für mich ist die Kaninchenzucht keine Arbeit“, erklärt Burth. Sondern der perfekte Ausgleich im Alltag: Abschalten, sich um Tiere kümmern und in der Natur sein. Hektik sei dabei fehl am Platz: „Bei den Kaninchen komme ich zur Ruhe.“

Werbung um Jugendliche

Dass sie ein eher exotisches Hobby betreiben, ist dem Ehepaar Burth bewusst. Aktuell hat der Ravensburger Verein 80 Mitglieder. 15 davon züchten aktiv und drei wiederum davon sind Jugendliche zwischen acht und 17 Jahren. Den Verein plagen schon seit ein paar Jahren schwindende Mitgliederzahlen und Nachwuchssorgen. Der Ravensburger Verein sei im Vergleich zu anderen im Kreisverband Oberschwaben-Allgäu aber noch recht jung. Der Schnitt liege unter 50 Jahren, erklärt Vorstand Burth. Doch trotzdem stimme das Klischee im Allgemeinen schon: „Die meisten Kaninchenzüchter sind Rentner“, sagt Moritz Burth. „Diese Generation kennt es nicht anders. Eigentlich alle älteren Züchter aus unserem Verein sind mit Kaninchen als Nutztier zu Hause aufgewachsen.“ Heute liege dagegen das einzelne Zwergkaninchen als Haustier im Trend: leise, klein und genügsam. „Der Schritt vom tierbegeisterten Kind zum Züchter ist aber schon noch groß“, sagt Melanie Burth. Sie leitet im Verein die Jugendabteilung. Neben den drei aktiven Jungzüchtern sind auch noch vier weitere Jugendliche in der Gruppe. Gemeinsam gehen sie auch schon mal ein Wochenende auf eine Hütte, besuchen den Skyline-Park oder die Wilhelma in Stuttgart. „Wir wollen den Kindern und Jugendlichen zeigen, dass sie mit ihrem Interesse nicht alleine sind,“ erklärt Burth. Sie hat bei einem Treffen von Kreisjugendleitern erfahren, dass viele Vereine in der Region ebenfalls um Nachwuchs kämpfen. Eigentlich, so scheint es ihr, habe nur der Fußballverein stabile Mitgliederzahlen. Mit Jungtierschauen, einem Sommerfest und einem Streichelzoo an Ostern wirbt der Ravensburger Verein um Jugendliche.

Die Tendenz der Züchterzahl sei schon seit Jahren rückläufig, sagt Wolfgang Elias, Sprecher des Zentralverbandes deutscher Rassekaninchenzüchter „Wir kämpfen um Nachwuchs und suchen ständig junge Menschen, die sich für die Kaninchenzucht entscheiden.“ Das wohl größte Manko des Hobbys sei der Zeitaufwand, sagt Elias. Anders als bei anderen Freizeitbeschäftigungen wie etwa Fußball könne man eben nicht so einfach ein Training ausfallen lassen. „Als Züchter muss man täglich für die Tiere da sein und sie versorgen.“ Jedes Jahr habe der Zentralverband der Kaninchenzüchter ein paar tausend Mitglieder weniger, schätzt der Verbandssprecher. Am besten gehe es dabei den Vereinen im Süden. Die Landesverbände Baden, Württemberg-Hohenzollern und Bayern seien die von der Mitgliederzahl her stärksten, vor allem bei den Jugendlichen. In Baden seien 2500 Jungzüchter aktiv, in Württemberg-Hohenzollern rund 3000 und in Bayern knapp 2000. Deutschlandweit sind derzeit 12 000 Jugendliche als Züchter aktiv, 2004 waren es noch 21 000. „Ich glaube, vielen ist heutzutage die Verantwortung für so ein Hobby zu groß“, sagt Moritz Burth.

Frischfleischgarantie

Neben Schauen und Ausstellungen sei auch durchaus das Thema Selbstversorgung noch aktuell, erklärt Wolfgang Elias. Kaninchenzucht diene nach wie vor der Fleischgewinnung. Familie Burth zum Beispiel isst im Jahr ein bis zwei Kaninchen, ein paar geben sie im privaten Rahmen in der Verwandtschaft ab. „Wer züchtet, muss damit leben, dass manche Tiere geschlachtet werden. Wir distanzieren uns aber ganz klar vom Kaninchenmästen“, erklärt Verbandssprecher Elias. Bereits die Römer hielten Kaninchen in abgesperrten Gärten, vor allem als Frischfleischlieferanten.

Erstmals in Deutschland urkundlich erwähnt wurden Kaninchen dann im 12. Jahrhundert in einem Kloster an der Weser. Doch so richtig in Schwung kam die Kaninchenzucht hierzulande erst nach dem deutsch-französischen Krieg 1870. Deutsche Soldaten brachten die Zucht aus Frankreich mit. Kaninchen waren zuverlässige Fleischlieferanten, die deutlich weniger Platz benötigten als Schwein oder Kuh. Heute werde bei der Zucht auf Fleischgewinnung aber kaum noch Wert gelegt, erklärt Michael Häußler, Sprecher des Landesverbandes Württemberg-Hohenzollern: „Man will mit der gezielten Zucht Schönheit, Fellqualität und ideale Körperformen erreichen und sich auf Ausstellungen mit anderen Züchtern in einem friedlichen Wettbewerb messen. Hauptziel der Rassekaninchenzucht ist auch die Arterhaltung bedrohter Kaninchenrassen, wie etwa Englische Widder, Rheinische Schecken oder Deutsche Großsilber.“ Die Kaninchenzucht sei ein erhaltenswertes deutsches Kulturgut.

Nur geschulte Menschen sollen züchten

Dabei sollten nur wirklich gut geschulte Menschen Kaninchen züchten, erklärt Anna-Laura Knorpp, Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes: „Gerade die Kaninchenzucht erfordert viel Kenntnis, da die Tiere über einen besonders empfindlichen Verdauungstrakt verfügen, der bei falscher Fütterung aus dem Gleichgewicht gerät und die häufigste Todesursache bei Kaninchen darstellt. Ferner ist der tägliche Arbeitsaufwand nicht zu unterschätzen. Das Halten und Züchten von Kaninchen darf nicht als Hobby verstanden werden.“ Für den Tierschutzbund sei das Züchten von Kaninchen nur eingeschränkt ein erhaltenswertes Kulturgut. „Für uns steht das Wohl des Einzeltieres im Vordergrund. Wird das gefährdet, dann kann auch kein Kulturgut das rechtfertigen.“ Grundsätzlich sei es eigentlich relativ egal, ob ein Kaninchen zum Zwecke der Zucht, der Fleischgewinnung, als Versuchstier oder für den Privathaushalt gehalten wird, erklärt Knorpp: „Der Anspruch der Tiere an eine artgerechte Haltung mit ständigem Zugang zu Futter und genügend Auslauf ist stets derselbe.“ In der Privathaltung beobachte der Tierschutzbund langsam Fortschritte: Gruppenhaltung der Haustiere in größeren Gehegen werde immer üblicher. Für Moritz und Melanie Burth ist es wichtig, dass ihre Tiere gesund und munter sind. Sie überprüfen täglich den Zustand ihrer Kaninchen und erkennen zum Beispiel am Glanz des Fells, wenn es einem Tier nicht gut gehen sollte.

Kreisverbände werden sich zusammenschließen

Aussterben wird ihre Freizeitbeschäftigung trotz Nachwuchssorgen nicht, glauben die Ravensburger Züchter. Aber es werde wohl immer stärker vorkommen, dass sich einzelne Kreisverbände zusammenschließen, vor allem um Schauen und Ausstellungen vorzubereiten. Denn parallel zu den schwindenden Mitgliederzahlen werde es auch immer schwieriger, freiwillige Helfer für Ausstellungen zu finden. „Die nächste Landesausstellung wird deswegen gemeinsam von Württemberg-Hohenzollern und Bayern organisiert. Das wird 2018 ausprobiert“, erklärt Moritz Burth. Die Familie bereitet sich derzeit aber auf eine noch größere Schau vor: Im Dezember fahren sie mit dem Kreisverband Oberschwaben-Allgäu mit ihren schönsten Jungtieren zur Bundesschau nach Leipzig. Das Ziel dabei ist für beide Züchter klar: mit ihren blau- und castorfarbenen Kaninchen wieder einmal unter die besten fünf Züchter Deutschlands kommen.