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Intersky: Chronik eines Niedergangs

Baden-Württemberg / Lesedauer: 5 min

Intersky: Chronik eines Niedergangs
Veröffentlicht:07.11.2015, 07:00

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Ein ewiges Auf und Ab ist eher nicht das, was man sich im Flugzeug wünscht. Die Geschichte der Intersky allerdings war in den vergangenen Jahren tatsächlich von allerlei Turbulenzen geprägt.

Mal schien es steil hinaufzugehen, dann war man wieder gefährlich nah über dem Nullpunkt. Nun ist die Bregenzer Fluggesellschaft am Boden. Das einzige Flugzeug, das ihr geblieben ist, hebt erst mal nicht mehr ab vom Bodensee-Airport in Friedrichshafen . Der Flugverkehr ist eingestellt.

Schon die Gründung des Unternehmens im Spätherbst 2001 mutete an wie ein Harakiri-Akt. Es war die Zeit unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. In New York und Washington hatten Terroristen Flugzeuge als Waffen zum Massenmord eingesetzt, die Luftfahrtbranche war in einer schweren Krise. Und die Österreicherin Renate Moser hatte ein Problem: Gemeinsam mit ihrem Mann Rolf Seewald besaß sie ein Flugzeug, dass sie nicht loswerden konnte. Keiner wollte es kaufen. Also gründete das Paar eine eigene Fluggesellschaft, die Intersky Luftfahrtgesellschaft.

Eine Frau unter Männern

Es ist nicht so, dass das Paar neu in der Branche gewesen wäre. Moser hatte früher einmal als Pressesprecherin des Wiener Flughafens gearbeitet, Seewald betrieb seit 1973 die zunächst in Altenrhein am Schweizer Bodenseeufer angesiedelte Gesellschaft Rheintalflug, die für die Lufthansa Regionalflüge in Deutschland und Österreich abwickelte. Kurz vor den Terroranschlägen hatte er die Firma verkauft – das erste Intersky-Flugzeug war ein Überbleibsel davon.

„Was sollte ich machen?“, erzählte Moser einmal im Gespräch mit Journalisten zur Gründung der Firma. „Nichtstun für den Rest meines Lebens konnte ich mir nicht vorstellen.“ Damals war sie 58 Jahre alt. Intersky wurde ihr Baby – und Moser eine Ausnahmeerscheinung in der von Männern dominierten Luftfahrtbranche: Weit und breit war sie die einzige Frau, die eine Fluggesellschaft führte.

Vom ursprünglichen Heimatflughafen Bern verlagerte Intersky sein Geschäft ab 2004 nach Friedrichshafen. Für den Bodensee-Flughafen wurden die innerdeutschen Flüge zum wichtigsten Angebot. Für Intersky waren es gute Jahre. Insbesondere die Verbindung nach Köln wurde zur Goldgrube, trotz der ab 2008 einsetzenden Finanzkrise.

Vielleicht war das Geschäft einfach zu gut. Denn auch die Konkurrenz witterte eine Chance. Im April 2010 kam Germanwings nach Friedrichshafen – und griff Intersky mit eigenen, billigeren Köln-Flügen frontal an. Dass Fluggäste auf einer Inlandsstrecke zwischen zwei Anbietern wählen konnten, das gab es in Deutschland sonst nicht.

Und es ging auch nicht gut. Das Problem: Hinter Germanwings stand die Lufthansa , ein Dax-Konzern mit weltweitem Streckennetz. Hinter Intersky stand Renate Moser.

Die operative Führung des Familienbetriebs hatte inzwischen allerdings Mosers Sohn Claus Bernatzik übernommen. Der wollte sich das Geschäft nicht vermiesen lassen und stieg in einen ruinösen Wettbewerb ein. Am Ende hatte das Unternehmen sechs Millionen Euro Schulden angehäuft. Schließlich wich Intersky nach Düsseldorf aus.

Der Kampf hinterließ bei Intersky nicht nur finanziell seine Spuren. Bernatzik musste gehen, seine Mutter übernahm erneut das Kommando. Da war Renate Moser 69 Jahre alt. Offizieller Trennungsgrund waren „unterschiedliche Vorstellungen über die weitere Entwicklung des Unternehmens“. In Interviews ließ Bernatzik allerdings keinen Zweifel daran, dass sich das Zerwürfnis nicht aufs Berufliche beschränkt hat. Es habe ein „emotionales Problem zwischen Mutter und Sohn“ gegeben, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“ 2011.

Während der Sohn den Betrieb in einem schwierigen Geschäftsumfeld überschaubar halten und eine Maschine verkaufen wollte, setzte die Mutter auf Expansion.

Dass die nicht im Alleingang zu stemmen war, wurde mit der Zeit immer deutlicher. Den Kampf David gegen Goliath hatte man schon einmal verloren, also wollte Moser Intersky ein bisschen mehr zu einem Goliath machen. Neue Partner mussten her.

Ein Millionär steigt ein

Es kamen der Nürnberger Modehaus-Millionär Hans Rudolf Wöhrl, der sich schon lange neben der Textilbranche als zweites Standbein ein Luftfahrt-Imperium aufgebaut hatte, und sein Schwiegersohn Peter Oncken. Im Februar 2012 stiegen sie mit 74,9 Prozent der Anteile ein, kurz darauf gab Moser ihre Anteile ab, blieb aber Geschäftsführerin. Am Unternehmen war ihre Familie weiterhin über eine Stiftung beteiligt.

Mit der Expansion wollte es aber auch unter der neuen Führung nicht so recht klappen. Positive Meldungen wie die Indienststellung neuer Flugzeuge und wiederholte Wachstums-Beschwörungen wechselten sich ab mit Nachrichten, dass das Unternehmen einfach nicht aus den roten Zahlen herauskam.

Ende 2013 konnte die Fluggesellschaft ihren damals 200 Angestellten das Weihnachtsgeld nicht pünktlich zahlen – es kam erst im März, und dann auch nur in Raten. „So dramatisch wie es aussieht, ist die Lage nicht“, beteuerte Wöhrl-Schwiegersohn Oncken, damals Geschäftsführer.

Geplatzte Pläne

Steigende Gebühren und Steuern wie die 2011 neu eingeführte Luftverkehrsabgabe machten die Sache für Intersky nicht einfacher. Die Suche nach einer Nische zwischen den großen Fluggesellschaften einerseits und den Billigfliegern andererseits nahm bisweilen erstaunliche Formen an: Erst in diesem Sommer machte das Unternehmen Pläne öffentlich, zwei Flugzeuge samt Crew nach Äquatorialguinea zu vermieten, um im Auftrag der dortigen Gesellschaft Punto Azul Linienflüge in andere afrikanische Staaten anzubieten. Eine ähnliche Idee hatte Wöhrl schon für eine Zusammenarbeit mit dem Karibikstaat St.Lucia gehabt.

Weder der eine noch der andere Plan wurde Realität. Gleichzeitig wollte der neue Chef Roger Hohl, mit gerade einmal 30 Jahren Anfang 2015 zum Geschäftsführer ernannt, das Unternehmen als Charterflieger für Fußballmannschaften positionieren. Auch für die Abschiebung von Asylbewerbern ließ Intersky seine Maschinen fliegen. Und seit Herbst 2014 bediente die Fluggesellschaft wohl die kürzeste Verbindung Deutschlands: Maschinen, die in Friedrichshafen mit Ziel Köln/Bonn starteten, gingen in Memmingen schon wieder hinunter, um weitere Passagiere aufzunehmen. Womöglich waren es am Ende einfach zu viele verschiedene Ideen, aber kein schlüssiger Plan.

Vier der bislang fünf Intersky-Flugzeuge sind nun weg. Das fünfte gehört Mosers Ehemann Rolf Seewald. Was tun, wenn man plötzlich ein Flugzeug hat, aber keine Verwendung dafür?

Die Frage dürfte Renate Moser bekannt vorkommen. Sie hat sich ihr schon einmal gestellt, in jenen Tagen im Spätherbst 2001.