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Genossinnen übernehmen die Macht

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Südwest-SPD wählt neuen Vorstand – Unmut über designierte Generalsekretärin bleibt
Veröffentlicht:21.10.2016, 19:03

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Von Harmonie wird beim SPD-Landesparteitag heute nicht viel zu spüren sein – auch wenn die Genossen in der Kongress- und Konzerthalle „Harmonie“ in Heilbronn tagen. Sicher ist, dass Leni Breymaier zur neuen Landesvorsitzenden gewählt werden wird. Deutlich strittiger ist hingegen ihr Vorschlag, Luisa Boos zur Generalsekretärin zu küren. Nicht nur deshalb gibt es Unmut in Teilen der Partei. Ein weiterer Grund ist, dass es außer dem Personalwechsel an der Spitze kaum Zeichen der gewünschten Erneuerung gibt.

„Ich bin froh, wenn ich 48 Stunden älter bin“, sagt Leni Breymaier der „ Schwäbischen Zeitung “ am Freitag. Sie weiß, dass es Diskussionen und Streit geben wird. Beides ist der langjährigen baden-württembergischen Verdi-Vorsitzenden nicht fremd. Dabei verkörpert sie selbst ziemlich genau das, was sich ein Großteil der Parteimitglieder wünscht – einen Gegenentwurf zum glücklosen Noch-Vorsitzenden Nils Schmid.

Unter Schmid als Spitzenkandidat sackte die SPD bei der Landtagswahl im März um mehr als zehn Prozentpunkte auf 12,7 Prozent ab und landete hinter der AfD. Einen Amtsbonus als stellvertretender Ministerpräsident und Superminister für Wirtschaft und Finanzen konnte Schmid nicht einfahren. Für die Basis war klar: Der 43-Jährige ist zu kopflastig, zu unnahbar, steht eher für Nullverschuldung statt für soziale Gerechtigkeit. Leni Breymaier ist die einzige Bewerberin für seine Nachfolge. Sie ist eine Frau, ist leidenschaftlich und direkt und positioniert sich klar auf dem linken Flügel der Partei. Dass ihr nun trotzdem Gegenwind ins Gesicht bläst, liegt an der von ihr gewünschten Generalsekretärin.

Alte Verletzungen

Die Gewerkschafterin hat die 31-jährige Luisa Boos als Nachfolgerin für Katja Mast, die wie Schmid nicht mehr kandidiert, für den Posten vorgeschlagen. Auch Boos gehört zum linken Flügel der Partei. Diese Doppelspitze ist für manchen ein zu strammer Marsch nach links. Sie sei zu unerfahren und dem Amt nicht gewachsen, kritisieren andere. Zudem hat Boos in ihrer Zeit als Juso-Vizechefin gemeinsam mit anderen Jusos in einer internen Facebook-Gruppe mit dem Namen „Revolutionäre Zelle in BaWü“ anderen in der Jugendorganisation Verletzungen zugefügt, die offenbar bis heute nicht ganz verheilt sind. Auch wenn Boos erklärt, dass die Gräben mittlerweile zugeschüttet seien, verbreiten die Verletzten die alten Nachrichten. Dennoch wird Boos wohl als neue Generalsekretärin gewählt werden, weil die designierte Landeschefin auf ihr besteht.

Der Konflikt hat ihre Anfangseuphorie gedämpft. Und auch, dass sie laut Teilnehmer bei einer Landesvorstandssitzung Inhalte vertraulicher Gespräche ausgeplaudert habe. Im Gegenzug spricht die 56-Jährige ebenfalls von Vertrauensmissbrauch – sonst hätte sie vorher für Boos werben können, bevor die Personalie öffentlich wurde. Einige Genossen werden sicher auch ihrem Unmut über den Erneuerungsprozess Luft machen. Getan hat sich seit der desaströsen Landtagswahl nicht viel, dabei sollten eigentlich Inhalte und Struktur überarbeitet werden. Wofür die SPD steht, kann sich bis zur Bundestagswahl unter Breymaier noch herauskristallisieren – sie erhebt den Anspruch auf den Spitzenplatz auf der Landesliste.

Doch die Strukturen sind weiterhin verfestigt. Die gebürtige Ulmerin sagt selbst: „Ich halte die Struktur für überholt.“ Als langjährige Vize-Landeschefin wisse sie, dass die bislang vier Stellvertreter in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. Viel lieber wäre ihr ein einziger starker Stellvertreter, aber: „Ich bekomme auf keinen Fall bei diesem Parteitag die nötige Zweidrittelmehrheit dafür. Die Regionen haben zum Teil Bedenken, ihren Einfluss zu verlieren.“ Nach der Bundestagswahl, wenn die Nervosität etwas geringer ist, soll eine Strukturkommission das Thema angehen.

Schwierige Konfliktlinien

Breymaier versteht sich zwar als Linke, will aber die Vorsitzende aller Strömungen in ihrer Partei sein. Es gibt große Konfliktlinien: zwischen den Linken und den pragmatischen Netzwerkern ebenso wie zwischen der Parteibasis, dem Landesvorstand und der sehr selbstbewussten, wenn auch stark geschrumpften Landtagsfraktion. Spannend ist, ob sich für den Bezirk Südbaden die Landtagsabgeordnete Gabi Rolland oder ihre Fraktionskollegin Sabine Wölfle durchsetzen wird. Für Nordbaden ist Lars Castellucci gesetzt, für Nordwürttemberg hat sich Frederick Brütting, Bürgermeister aus Heubach, durchgesetzt – beide gelten als Netzwerker. Und für Südwürttemberg bleibt es bei der Parteilinken Hilde Mattheis. Ein „ausgewogenes Personaltableau“, findet Breymaier und kündigt an: „Es wird eine tolle Zeit in der SPD mit mir als Vorsitzende.“