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Kritik

Fokus auf Bayern schadet Baden-Württemberg

Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Scharfe Kontrollen an Übergängen zu Österreich reißen Lücken an der deutsch-schweizerischen Grenze
Veröffentlicht:20.01.2017, 20:47

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Über Österreich kommen immer weniger Flüchtlinge nach Deutschland, der Weg über die Schweiz ist dagegen im Laufe des letzten Jahres beliebter geworden. Trotzdem schicke die Bundespolizei noch immer alle verfügbaren Kräfte nach Bayern, kritisiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) – und zwar zulasten Baden-Württembergs.

„Die österreichische Grenze ist personell gut ausgestattet und wird noch von Abordnungen aus anderen Ländern unterstützt“, sagt Jörg Radek, GdP-Vize und zuständig für den Bereich Bundespolizei, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Um dort umfassende Kontrollen durchzuführen, entblößen wir uns in Baden-Württemberg .“ Zwar reisen immer noch mehr Flüchtlinge über Österreich ein als über die Schweiz, doch der Abstand schrumpft.

Kollegen werden abgezogen

Dennoch können die Beamten in den Bundespolizeidirektionen in Weil am Rhein und in Konstanz nur von der Personalausstattung der bayerischen Dienststellen in Rosenheim und Freyung träumen. Und nicht nur das: „Bundespolizisten aus Baden-Württemberg werden sogar noch abgezogen, um in Bayern und an anderen Schwerpunktdienststellen zu unterstützen“, kritisiert Radek. So seien in Weil am Rhein nur noch 60 Prozent des vorgesehenen Personals vor Ort, der Rest wird anderweitig eingesetzt.

Diese Ungleichheit führt Radek auf den Druck der CSU zurück: „Der Einsatz an der deutsch-österreichischen Grenze ist politisch motiviert, um den Burgfrieden der Unionsparteien aufrecht zu halten.“ Das CSU-regierte Bayern hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) massiv aufgefordert, die Kontrollen zu verschärfen. Dieser akzeptierte auf Drängen der CSU zudem, dass Beamte der bayerischen Landespolizei ihre Bundeskollegen an der Grenze unterstützen dürfen. So werden an einigen Autobahnübergängen nach Österreich Rund-um-die-Uhr-Kontrollen gewährleistet. Dass Schleuser von der Autobahn recht ungefährdet auf die benachbarte Landstraße ausweichen können, wird durch diese Zusammenarbeit freilich auch nicht verhindert.

Das baden-württembergische Innenministerium bewertet die Lage an der Schweizer Grenze als „schwierig“. Minister Thomas Strobl (CDU) war in dieser Woche zu Besuch in Weil am Rhein. „Wir werden zusammen mit dem Bund die Migrationszahlen genau im Auge behalten und schauen müssen, ob es sinnvoll wäre, an dieser Grenze die Grenzschutzaktivitäten hochzufahren – bis hin, wenn notwendig, zum gleichen Status von Grenzkontrollen wie an der deutsch-österreichischen Grenze“, bekräftigte Strobl dort.

Davon ist man noch weit entfernt. Die GdP hat ausgerechnet, dass allein in Baden-Württemberg – würde man hier dieselben Maßstäbe an die Grenzsicherung legen wie in Bayern – für Kontrollen und Fahndung insgesamt 1500 Bundespolizisten zusätzlich nötig wären. Radek fordert deswegen, zumindest die vorhandenen Beamten an ihren eigenen Standorten einzusetzen und „die Abordnungspraxis auf den Prüfstand zu stellen“.

Allein am Dienstag dieser Woche registrierten Konstanzer Bundespolizisten innerhalb von 20 Stunden 20 illegale Einreisen aus der Schweiz. Die weitere Entwicklung unterliege zahlreichen Faktoren, sagte ein Sprecher – neben jahreszeitlichen Einflüssen etwa auch politischen Entwicklungen. „Von daher können wir keine Prognose abgeben, wie sich die Zahlen weiterhin entwickeln werden.“