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Einstellungsrekord

Einstellungsrekord in der Justiz

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Nie wurden so viele Richter und Staatsanwälte eingestellt – Das birgt auch Probleme
Veröffentlicht:07.01.2018, 20:48

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Im vergangenen Jahr hat das Land 223 Richter und Staatsanwälte eingestellt – laut Justizministerium so viele wie noch nie.

Ein Großteil davon gründet auf natürlicher Fluktuation wie Pensionierungen, doch kamen auch 74 neue Stellen dazu. Dass auch in den kommenden beiden Jahren neue Stellen geschaffen werden, lobt Matthias Grewe ausdrücklich. Der Vorsitzende des Vereins der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg mahnt allerdings an, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Denn: „Der Wettbewerb um gute Köpfe wird stärker.“

Es kommt nicht oft vor, dass ein Verbandsvertreter den für ihn zuständigen Minister lobt. Genau das tut Grewe aber. „Dem Minister samt Ministerialdirigenten ist es gelungen, dem Ministerium ein größeres Gewicht zu verleihen.“ Justizminister Guido Wolf (CDU) bezeichnet er als „erfolgreich, mir gegenüber offen und sehr gut vernetzt“ – nicht nur mit seinen CDU-Ressortkollegen, sondern auch mit den Grünen. So sei es Wolf auch gelungen, endlich den Stellenmangel im Justizbereich abzubauen: Für 2018/2019 sieht der Doppelhaushalt weitere 91 Stellen für Richter und Staatsanwälte vor. „Deshalb habe ich gar keinen Grund, mich zu beschweren“, sagt der Direktor des Amtsgerichts Ravensburg.

Wolf verfolgt seit seinem Amtsantritt einen Plan: „Unser Ziel ist, in dieser Legislaturperiode dem jahrzehntelangen Personalmangel in der Justiz abzuhelfen.“ Ein System zur Berechnung des Personalbedarfs in der Justiz namens Pebbsy dient Wolf als Grundlage. Es hatte mehr als 200 fehlende Stellen festgestellt. „Zwischenzeitlich haben wir bereits 165 Neustellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen. Wir liegen also hervorragend in der Zeit“, sagt Wolf, der die verbliebene Lücke bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 schließen will. „Wenn er das erreicht“, sagt Grewe, „ist das aller Ehren wert. Er ist auf einem guten Weg.“

Im vergangenen Jahr hat er 223 Richter und Staatsanwälte eingestellt. Das ist ein Rekord: Im Schnitt traten seit 2007 jährlich 100 Juristen weniger ihren Dienst an. Von den 342 Bewerbern im vergangenen Jahr stammte etwa ein Drittel aus anderen Bundesländern. Die Konkurrenz unter den Ländern werde sich in den kommenden Jahren weiter verstärken, sagt Grewe und verweist auf eine Berechnung des Deutschen Richterbunds. Diese prognostiziert eine gewaltige Pensionierungswelle. Basis sind die Geburtsjahre der Richter und Staatsanwälte. In Baden-Württemberg gehen laut Studie ab 2024 viele Juristen in den Ruhestand. „Das kann schwierig werden für uns, denn in den Ost-Ländern wurden nach der Wende alle Richter und Staatsanwälte ab Jahrgang 1961 eingestellt.“ Und deren Pensionierung folgt kurz darauf. Sprich, es werden in weiten Teilen Deutschlands zahlreiche Stellen zu besetzen sein.

Teilzeitmodelle und anderes

„Es wird ein enger Markt“, blickt Grewe in die Zukunft und fordert, noch bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Justizminister Wolf betont, dass dies bereits geschehe. „Beispielsweise haben wir große Anstrengungen unternommen, um die Familienfreundlichkeit mit Teilzeitmodellen, auch in Führungspositionen, und Kinderbetreuungsangeboten zu verbessern“, sagt er. Im Bund macht er sich zudem dafür stark, dass auch Referendare ihre Ausbildung in Teilzeit absolvieren können. Und er will sich für mehr Frauen in Spitzenpositionen einsetzen. „Wenn wir heute bei Neueinstellungen einen Frauenanteil von über 60 Prozent haben, dann muss sich das künftig auch in den Führungsämtern widerspiegeln“, sagt Wolf. Doch wetteifern nicht nur andere Länder um kluge Köpfe. „Unsere eigentliche Konkurrenz sind die mittelständischen Anwaltskanzleien“, sagt der Landeschef des Vereins der Richter und Staatsanwälte Grewe. Die Verdienstmöglichkeiten seien dort deutlich besser. Für seinen Berufsstand spreche hingegen die Möglichkeit, die Zeit flexibel zu gestalten sowie in ganz unterschiedlichen Bereichen arbeiten zu können. Auch ließen sich Familie und Beruf im Landesdienst besser vereinbaren. „Bei uns gibt es alle möglichen Teilzeitmodelle. Das ist ein Riesenpfund, das keine Anwaltskanzlei bieten kann“, so Grewe.

Drei Wünsche hat er aber noch, auch mit Blick auf zu erwartende Engpässe bei der Bewerberzahl. „Der Staat sollte eine andere Zuwendung an den Tag legen“, sagt er und meint damit kleine Zeichen der Wertschätzung – etwa Mittel für eine Weihnachtsfeier.

Wie jüngst der Beamtenbund mahnt auch er an, die Reduzierung der Beihilfe wieder abzuschaffen. „Da war man schon mal familienfreundlicher“, sagt Grewe. Und zuletzt plädiert er dafür, dem Berufsbild der Richter und Staatsanwälte gesellschaftlich einen höheren Wert beizumessen. „Die Justiz ist die Dritte Gewalt im Staat, die dem Parlament und der Regierung gleichberechtigt gegenübersteht.“