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Kinnbart

Betreiber von Neonazi-Internetseite müssen sich vor Gericht verantworten

Baden-Württemberg / Lesedauer: 2 min

Im Internerportal „Altermedia“ haben Nutzer unter anderem gegen Ausländer gehetzt und den Holocaust geleugnet
Veröffentlicht:14.09.2017, 21:06

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Der jüngere Mann mit rotem Kinnbart soll der Kopf gewesen sein, die drei älteren Frauen daneben, teils ergraut, sollen sich um die rechtsextremen Inhalte gekümmert haben. Die Bundesanwaltschaft ist sicher: Die Menschen auf der Anklagebank beim Staatsschutzverfahren in Stuttgart haben über Jahre im Internet Hass gegen Ausländer, Flüchtlinge oder Juden geschürt, Naziparolen und volksverhetzende Gedanken verbreitet und den Holocaust geleugnet.

Als mutmaßliche Betreiber des inzwischen verbotenen Neonazi-Internetportals „ Altermedia “ müssen sie sich wohl bis ins nächste Jahr hinein vor dem Oberlandesgericht verantworten. Zum Auftakt sagen sie nichts.

Nicht von Meinungsfreiheit gedeckt

Volksverhetzung kann laut Bundesanwaltschaft mit mehreren Jahren Haft bestraft werden. Frühere Betreiber der Plattform waren 2011 in Rostock mit mehr als zwei Jahren belegt worden. 30 Fälle mit besonders heftigen Beschimpfungen, etliche Vergleiche mit Tieren oder Ungeziefer, Morddrohungen oder Verleumdungen hat die Karlsruher Behörde herausgefiltert. Alles Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt seien, wie Bundesanwältin Alexandra Geilhorn berichtet.

Über Stunden zitieren sie und ein Kollege Beschimpfungen und Verleumdungen von der im Januar 2016 vom Bundesinnenministerium verbotenen und abgeschalteten Plattform. Etliche Verstöße gegen die Menschenwürde wurden entdeckt. Für gewöhnlich grüßten sich die Nutzer der Plattform mit Naziparolen, hieß es. Die Bundesanwaltschaft bezeichnete „Altermedia“ als bis zur Abschaltung führendes rechtsextremistisches Internetportal im deutschsprachigen Raum. Die Seite habe „der massenhaften und systematischen Verbreitung rechtsextremistischen und nationalsozialistischen Gedankenguts“ gedient. Neben verbotenen Grußformeln und Parolen seien volksverhetzende Äußerungen veröffentlicht worden: von Gewaltaufrufen gegen in Deutschland lebende Ausländer bis hin zu Leugnung des Holocausts.

Als Schlüsselfiguren gelten ein 28 Jahre alter, arbeitsloser Informatiker aus dem Schwarzwald sowie eine 48 Jahre alte Call-Center-Mitarbeiterin aus Nordrhein-Westfalen. Das Verfahren gegen einen 54-Jährigen, der in Lloret de Mar (Spanien) lebt, wurde abgetrennt – als Grund wird Verhandlungsunfähigkeit genannt. Mitangeklagte sind eine in Nürnberg geborene 63-Jährige sowie eine 61-Jährige aus Berlin. Beide sollen auf der Internetseite über Jahre Foren wie „Volk und Rasse“ oder „Heimat und Hof“ moderiert haben.

14 Verhandlungstage angesetzt

Begründet wird die Anklage mit der Gründung einer kriminellen Vereinigung zum Betrieb der Plattform. Die Angeklagten seien als Gruppe mit definierten Aufgaben organisiert gewesen. Bundesanwältin Geilhorn räumt ein, dass die Verfolgung solcher Taten zuletzt schwerer geworden sei. Foren seien längst überholt, die Szene auf andere Kanäle im Internet abgewandert und kaum zu greifen.

Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat für das Staatsschutzverfahren zunächst 14 Verhandlungstage terminiert – bis in das nächste Jahr hinein.