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Abschiebegefängnis

Belegung im Abschiebegefängnis steigt

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Auslastung in einziger Haftanstalt dieser Art im Südwesten liegt bei aktuell 75 Prozent
Veröffentlicht:04.08.2016, 18:30

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Vor vier Monaten hat das einzige baden-württembergische Abschiebegefängnis in Pforzheim seinen Betrieb aufgenommen. Die Auslastung habe sich stetig gesteigert, wie das Innenministerium auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ erklärt. Sie liege mittlerweile bei etwa 75 Prozent. Derzeit warten 18 Männer in der Einrichtung auf ihre Abschiebung. Wenn das ehemalige Jugendgefängnis komplett für seine neue Nutzung umgebaut ist, soll die Kapazität von anfänglich 21 auf 80anwachsen.

Von den derzeit 18 Häftlingen warten laut Innenministerium acht auf ihre Rückführung ins Heimatland: Vier stammen aus dem Kosovo, vier weitere aus Albanien, Ägypten, Algerien und Marokko. Die anderen zehn Männer werden in EU-Länder zurückgebracht. Diese Überstellungen basieren auf der Dublin-Verordnung, wonach Menschen in demjenigen EU-Land ihr Asylverfahren durchlaufen müssen, in dem sie erstmals registriert wurden. Die meisten von ihnen werden nach Italien gebracht: Vier Männer aus Gambia sowie je einer aus Nigeria, Burkina Faso und dem Senegal. Zwei Afghanen sollen zurück nach Österreich gebracht werden, ein Iraker in die Niederlande sowie ein Mann aus Kamerun nach Spanien.

Ein bis zwei Wochen Aufenthalt

Die tägliche Durchschnittsbelegung liege bisher bei rund 13 Haftplätzen. „Dieser Wert ist in erster Linie durch die anfängliche Belegung ab dem Start des Betriebes zum 1. April bedingt“, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums. Im Juni lag die Auslastung bei 76 Prozent, „wobei im Juni an einzelnen Tagen sogar alle Haftplätze belegt waren“. Ein Sprecher des für Abschiebung zuständigen Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe erklärt, dass die Häftlinge im Schnitt eine bis zwei Wochen in Pforzheim bleiben.

Im Abschiebegefängnis sind ausschließlich Männer untergebracht. Sie sind hier, weil die Behörden befürchten, dass sie vor einer Abschiebung untertauchen – zum Teil, weil sie sich schon einmal einer Rückführung entzogen haben. Frauen bringt das Land in ein Abschiebegefängnis im rheinland-pfälzischen Ingelheim. Diese Einrichtung hatte das Land als Zwischenlösung auch für Männer genutzt, doch die Kapazitäten für Häftlinge aus anderen Bundesländern sind dort äußerst beschränkt. Im Juli 2014 hatte der Europäische Gerichtshof dem Land die Pflicht auferlegt, Abschiebehäftlinge besser unterzubringen. Männer wurden bis dahin in einem separaten Teil der Mannheimer Justizvollzugsanstalt, Frauen im Frauengefängnis von Schwäbisch Gmünd untergebracht. Derzeit laufen die Gespräche zwischen Innen- und Finanzministerium zu den weiteren Ausbauschritten. Künftig sollen in Pforzheim auch Frauen und Familien untergebracht werden können.

„Wir sind jetzt noch in der Anfangsphase“, erklärt Simon Raschke-Braun , der im Gefängnis arbeitet und örtlicher Vorsitzender der Gewerkschaft Strafvollzug ist. Wie fast alle seine Kollegen war er bereits hier beschäftigt, als die Einrichtung noch ein Jugendgefängnis war. „Die Strukturen müssen erst noch richtig wachsen.“ Dennoch betont er, dass alles bislang gut laufe. Ziel sei es, den Männern einen möglichst normalen Tagesablauf zu liefern – durch Sport- und Freizeitangebote. Schließlich seien sie keine Kriminellen, sondern warteten auf ihre Rückführung. „Wir sind für die Männer der erste Ansprechpartner.“ Das ursprünglich angedachte Angebot zu arbeiten, sei in der Erprobungsphase, sagt ein Sprecher des RP. Das Angebot werde gut angenommen. „Es handelt sich um eine Kreativgruppe, in der leichte Bastelarbeiten gefertigt werden.“

Kritik an Handeln der Behörden

Anwohner hatten befürchtet, dass es durch die neue Nutzung zu Problemen kommen könne – etwa durch protestierende Familienmitglieder vor den Gefängnismauern. Nichts dergleichen sei bisher passiert, erklärt der RP-Sprecher. Er wisse von keinerlei Konflikten – auch nicht zwischen Häftlingen und Personal oder unter den Häftlingen. Simon Raschke-Braun bestätigt das.

Auch dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg sind bisher keine Beschwerden über die Unterbringung in Pforzheim zu Ohren gekommen. Um sich selbst ein Bild von der Einrichtung zu verschaffen, sei ein Besuch im Herbst geplant, erklärt die Vorsitzende Angelika von Loeper. Was sie allerdings anprangert, ist der Weg, wie einige Häftlinge in Pforzheim gelandet sind. Der Flüchtlingsrat hat Fälle dokumentiert, in denen ausreisepflichte Menschen von der Ausländerbehörde einbestellt wurden. Statt sich dort aber um Formalia zu kümmern, wurden diese Menschen ins Abschiebegefängnis gebracht. „Wenn so eine Praxis um sich greift, ist jeder Gang zur Behörde mit Angst behaftet“, erklärt von Loeper. In einem Fall wurde ein junger Mann aus einer Schule in Reutlingen geholt und nach Pforzheim gebracht. „Wir finden es in jedem Fall unmöglich, jemanden aus der Schule rauszuholen“, so Loeper.