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Attacke

Attacke auf den NSU-Ausschuss

Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Kritiker halten Beweise zurück – Politiker betonen Einigkeit und Aufklärungswillen
Veröffentlicht:22.05.2015, 20:52

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Gegenwind für den NSU-Ausschuss des Stuttgarter Landtages: Am Freitag ließ die Familie des 2013 in seinem Auto verbrannten Neonazi-Aussteigers Florian H. einen für 16 Uhr angesetzten Termin für die Übergabe von Beweismitteln aus dem Wagen platzen.

Stattdessen schrieb ein Anwalt der Familie H. dem Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler einen Brief. Yavuz Narin, der auch Nebenklagevertreter im Münchner NSU-Prozess ist, kritisiert darin den Ausschuss scharf: Einige Mitglieder hätten das Vertrauen der Familie H. „durch ungebührliche öffentliche Verlautbarungen, Indiskretionen und offenbar fehlende Fachkompetenz nachhaltig beschädigt“, so Narin. Der Anwalt stellt Bedingungen für die Übergabe von Beweisen, die die Polizei bei der ersten Untersuchung des Autos übersehen oder nicht weiter beachtet hatte. Damit ist der Ausschuss, der sich nun hauptsächlich mit dem Heilbronner Polizistenmord 2007 und den Verbindungen der Zwickauer Terrorzelle NSU in den Südwesten befassen will, wieder mitten im Fall H.

Begehrtes Handy

Neben einem Camcorder und einem Laptop geht es vor allem um ein Mobiltelefon. „Dieses Handy brauchen wir“, betonte Drexler am Freitag mehrfach. So will der Ausschuss klären, ob das Telefon der Zünder für den Autobrand gewesen sein könnte. Außerdem soll das Gerät Auskunft über ein mysteriöses Telefonat geben. Am Abend vor seinem Tod am 16. September 2013 hatte H. einen Anruf erhalten, der ihn Zeugen zufolge tief verstörte.

Alle drei Beweismittel hatte die Familie H. nach ihren Erfahrungen mit der Polizei dem Berliner Extremismusexperten Hajo Funke überlassen. „Ich habe sie einem IT-kundigen Kollegen übergeben, der sie untersuchen lassen wollte“, erklärt Funke gegenüber unserer Zeitung. Weil dies zeitaufwendig gewesen sei und der Stuttgarter Ausschuss Druck gemacht habe, habe er den „Rucksack mit den Gerätschaften“ am Ende ohne „positives Untersuchungsergebnis“ ungeöffnet per Mittelsmann an die Familie zurückbringen lassen. Nach Informationen von Drexler liegen im Rucksack nun nur noch Camcorder und Laptop, aber nicht das Handy. Der Ausschuss beauftragte Drexler am Freitag, mit der Familie H. und mit Funke zu sprechen. Man habe das gemeinsame Interesse, so viel wie möglich aufzuklären, betonten Obleute aller Parteien.

Anstifter gegen Politiker

Kritiker zweifeln daran: Kurz vor Narins Schreiben hatten ein Freiburger Anti-Rassismus-Bündnis und die Stuttgarter Initiative „Die Anstifter“ den Ausschuss in offenen Briefen kritisiert. „Die Anstifter“ fürchten, dass der Ausschuss nach gutem Start nachlässt. Sie stoßen sich daran, dass viele Abgeordnete es für glaubhaft halten, dass lediglich zwei Täter den Heilbronner Mord verübt haben – und nicht eine größere Gruppe. Außerdem kritisieren sie namentlich drei Politiker: Nikolaos Sakellariou (SPD) und Thomas Blenke (CDU), weil diese lange gegen den Ausschuss waren und nun selbst darin sitzen. Zudem Ulrich Goll (FDP), weil der zu Zeiten des Kiesewetter-Mords 2007 Justizminister war. Auch Narin nennt in seinem Brief Sakellariou direkt und Goll indirekt.

Der Untersuchungsausschuss übte am Freitag den Schulterschluss gegen die Attacken. Es gebe einen parteiübergreifenden Konsens zur Aufklärung.