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Hügelgrab

Hügelgräber im Urlauer Tann geben Rätsel auf

Leutkirch / Lesedauer: 3 min

Hügelgräber im Urlauer Tann geben Rätsel auf
Veröffentlicht:24.08.2012, 19:00

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Keltische Hügelgräber im Urlauer Tann? Klingt spannend, und, ja, es gibt sie tatsächlich. Man muss allerdings schon sehr genau hinschauen, um sie zu entdecken.

Und das im doppelten Sinne: In natura sind die eisenzeitlichen Grabstätten gut versteckt im Wald, verborgen unter Brombeersträuchern und Gebüsch. Im Bebauungsplanentwurf für das „Sondergebiet Ferienpark Allgäu/Leutkirch-Urlau“, den geplanten Center Parc also, findet sich der entsprechende Hinweis kurz und knapp auf Seite 25: „Im Südwesten, am Rand des Muna-Areals, liegen nach Angaben der Denkmalschutzbehörde zwei bis drei Hügelgräber; diese mitsamt unmittelbar angrenzenden Flächen sind vor Überbauung oder sonstigen Veränderungen/Eingriffen zu schützen.“

Albrecht Roth , mehr als 25 Jahre lang ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landesdenkmalamts (LDA) und ausgewiesener Experte in Sachen Bodendenkmale im Raum Leutkirch, bestätigt: „Im Muna-Wald liegen Hügelgräber. Aber es gibt keinerlei Unterlagen dazu.“ Zugänglich waren und sind die Gräber nämlich bis heute nicht. Er selbst, berichtet Roth, sei in den 80-er Jahren vom damaligen Standortkommandanten Koopmann ins Muna-Gelände eingeladen worden. Dabei habe er die Hügelgräber erkannt und dem LDA gemeldet. „Durch die strikte militärische Abschirmung geschützt, waren die Hügel dieser Gruppe illegalen Ausgräbern in den letzten Jahrzehnten nicht zugänglich“, heißt es in Roths 2011 erschienenen Veröffentlichung „Bodendenkmale im Raum Leutkirch“. Und: „Sie könnten bei fachgerechter Ausgrabung sicher mehr über Alter, Beigaben, Bestattungsrituale und anderes verraten.“

Mit der fachgerechten Ausgrabung ist das freilich so eine Sache: Zum einen sei das Landesdenkmalamt personell so knapp besetzt, dass nur noch Notgrabungen vorgenommen würden, macht der Hobbyarchäologe klar. Zum anderen gelte heute, anders als zu früheren Zeiten, die Ansicht, dass jede Ausgrabung zerstörerisch wirken könne. Für den Urlauer Tann bedeute dies: „Das Hügelfeld ruht, und es soll ruhen.“

Das soll auch dann so bleiben, wenn Center-Parcs seine Ferienanlage baut. „Die Hügelgräber liegen so weit am Rand des Geländes, dass sie nicht tangiert sind“, sagt Albrecht Roth. Im Bebauungsplan sollen entsprechende Festsetzungen den Schutz der Gräber gewährleisten. Fazit im Planentwurf: „Die Belange des Denkmalschutzes werden gemäß Anforderungen der Höheren Denkmalschutzbehörde berücksichtigt.“

Doch der Urlauer Tann hat noch mehr an vor- und frühgeschichtlichen Hinterlassenschaften zu bieten: Südlich des bisherigen Muna-Geländes, oben auf dem Sporn nahe der Straße nach Hinznang, findet sich gleich eine ganze Gruppe von Grabhügeln. „Totenstadt mit Aussicht?“, fragte der Archäologe Dr. Christof Morrissey in einem Aufsatz über frühkeltische Grabhügel im Landkreis Ravensburg. Denn mehrfach wurden hier vorgeschichtliche Friedhöfe in exponierter Höhenlage gefunden. In der Region rund um Leutkirch allerdings sind die Urlauer Grabstellen die einzigen.

Zwar meist stark verflacht, sind die Grabhügel dort doch noch deutlich auszumachen. Immerhin sind sie teilweise bis zu einem Meter hoch. „Fast alle“, schreibt Albrecht Roth in seiner Dokumentation, „wurden im 19. Jahrhundert von Hobby-Forschern ergraben und der frühen Eisenzeit (Hallstattzeit) zugeordnet.“ Was seriöse Archäologen ärgert: Immer wieder haben Raubgräber mit Sonden und Metalldetektoren nach Schätzen gesucht und dabei die Hügel zerstört. Unklar ist, wo die einst geborgenen Grabbeigaben abgeblieben sind. Keramik, Waffen, Tracht- und Schmuckgegenstände etwa, von denen Unterlagen des LDA berichten. „Wo die begrabenen Kelten vom Urlauer Tann ihre Dörfer oder Weiler hatten, ist noch unbekannt“, schreibt Albrecht Roth dazu.

Ein weiteres Rätsel gibt der aufgeschüttete Abschnittswall, nur wenige Meter von den Hügelgräbern entfernt, auf. Darin nämlich fanden sich Scherben verschiedenster Gefäße, die sich als bronzezeitliche Keramik entpuppten. „Sie müssen aus nächster Nähe stammen“, ist sich der Hobbyarchäologe sicher. Es muss also eine bronzezeitliche, sprich keltische Siedlung im Urlauer Tann gegeben haben, deren Überreste später, vielleicht bei der Aufschüttung des Walls für eine mittelalterliche Fliehburg, dorthin verfrachtet wurden. Denkbar also, dass es auf dem Bergsporn bereits eine bronzezeitliche Begräbnisstätte gegeben hat. „Viele Fragen, bisher keine Antworten“, bringt Roth die Geheimnisse des Urlauer Tanns auf den Punkt.