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Leben ohne Zirkus ist für sie undenkbar

Baierz / Lesedauer: 3 min

Der Traditionszirkus Henry überwintert in Baierz – Für die Tiere werden Futterspenden gebraucht
Veröffentlicht:07.12.2012, 13:05

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„ Der Zirkus ist in der Stadt! Doch diesmal gilt dieser Ausruf allerdings nicht der Ankündigung von Clowns, Tieren und Artisten in der Manege. Der Traditionszirkus Henry hat sein Winterlager in Bad Wurzach aufgeschlagen. Auf einem Hof in Baierz ist die Zirkusfamilie rund um ihr Oberhaupt Georg Frank untergekommen. Eltern, Kinder, Enkelkinder und dazu 60 Tiere überwintern jetzt, in der spielfreien Saison, dort.

Der Zirkus Henry, übrigens ein reiner Familienbetrieb, hat eine lange Tradition. 1812 wurde er gegründet. „Wir sind der älteste Familienzirkus in Deutschland“, sagt Georg Frank stolz. Das heißt, 2012 hat der Zirkus sein 200-Jahr-Jubiläum feiern können. Georg Frank ist Zirkusdirektor in siebter Generation. Seine neun Kinder bilden die achte, und die16 Enkelkinder sogar die neunte Generation. In 200 Jahren haben die Mitglieder des Zirkus’ Henry viel erlebt, viel Schönes, aber auch viel Schlimmes. Von der Enteignung durch die Russen, über Sturmschäden bis zu Bränden reicht der Erfahrungsschatz. Und die Zeiten sind für kleine Zirkusse nicht unbedingt einfacher geworden. War früher ein Zirkus in der Stadt, waren die Artisten tagelang eine Sensation im Ort. Das ist heute längst nicht mehr so. Heute leben viele Zirkusfamilien von der sprichwörtlichen Hand in den Mund. Aufgeben ist für die Familie jedoch nie eine Option gewesen: „Zirkusleute kennen es nicht anders“, sagt Georg Frank.

Der 65-Jährige selbst ist sogar im Wohnwagen zur Welt gekommen. Und aus dem will er auch heute nicht raus, wie er schmunzelnd sagt. Das Haus, das zu dem Hof in Baierz gehört, steht leer. Drinnen gäbe es Heizung, fließend Wasser und allen Komfort. Dennoch, die Familie bleibt in ihren Wohnwagen. Was ist für die Zirkusleute Luxus? „Wenn jeden Tag das Wasser läuft und die Schläuche nicht einfrieren“, sagt Tochter Nadine Mai . Aus denen müssen sie zur Zeit jeden Abend das Wasser komplett herauslassen, damit sich darin kein Eis bildet. Ob sie sich ein „normales“ Leben vorstellen können? „Wir möchten nicht tauschen“, sagt Horst Mai, Ehemann von Nadine und Schwiegersohn von Georg Frank. Auch er stammt aus einer Zirkusfamilie. „Wir können uns nichts anderes vorstellen“, ergänzt er. Und sein Schwager Alois Frank erklärt: „Wir machen nicht Zirkus um zu leben, sondern wir leben, um Zirkus zu machen.“

Menschen, die nicht dort hineingeboren werden, würden dieses unstete Leben nicht lange aushalten. Auch da hat Georg Frank so seine Erfahrungen mit jungen Leuten, die aufgrund von romantischen Vorstellungen mitreisen möchten, aber nach wenigen Tagen das Handtuch warfen.

Von Ende November bis Ende Februar macht der Zirkus Winterpause. Drei Monate, in denen die Familie mal an einem Ort lebt. Aber auch drei Monate ohne Vorstellungen. Das bedeutet, drei Monate ohne Einnahmen. Zum Sozialamt möchte Georg Frank jedoch nicht gehen. Er und seine Zirkusfamilie möchten weiterhin durch ihre Arbeit Geld verdienen, und so gibt es über den Winter zwar keine ganzen Vorstellungen, aber wer eine Feier oder Veranstaltung plant, kann Artisten oder Dompteure für einzelne Vorführungen mieten (siehe Kasten).

Allein für seine Tiere – Kamele, Lamas, Alpakas, Pferde und Affen sind darunter – hofft Frank auf Futterspenden. Zehn Zentner Heu und zwei Zentner Kraftfutter würden laut Frank täglich gebraucht. Er hofft deshalb, dass sich in der Region Landwirte oder auch Bäckereien finden, die altes Heu oder Brot spenden würden. Für alle, die den Zirkus in den Wintermonaten unterstützen, möchte die Familie im Frühjahr dann eigens eine Vorstellung geben. Wer die Zirkusfamilie jetzt schon kennenlernen möchte, ist ab sofort jeden Sonntag ab 11 Uhr auf dem Hof, Baierz 1, willkommen. Ohne Eintritt können Jung und Alt dort insbesondere die Tiere anschauen.