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Linker Eklat im Bundestag

Politik / Lesedauer: 4 min

Friedrichshafener Bundestagsabgeordnete entschuldigt sich bei Gregor Gysi
Veröffentlicht:13.11.2014, 20:06

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Die Israel-Kritiker David Sheen und Max Blumenthal haben Linksfraktionschef Gregor Gysi im Bundestag bedrängt – nun streitet seine Partei über Konsequenzen. Der Abgeordnete Michael Leutert forderte die beiden Abgeordneten Inge Höger und Annette Groth , die die beiden eingeladen hatten, zur Niederlegung ihres Mandats auf. Fraktionsvize Sahra Wagenknecht wies die Forderung zurück: „Die Hetzjagd hier haben ja nicht die Abgeordneten gemacht“.

Die beiden Abgeordneten haben sich inzwischen für den Vorfall entschuldigt. Christoph Plate hat die Friedrichshafener Linken-Abgeordnete Annette Groth zu dem Vorfall befragt.

Sie stehen in der Kritik, Sie hätten mit Max Blumenthal und David Sheen zwei Antisemiten in die Linken-Fraktion eingeladen.

Herr Blumenthal und Herr Sheen sind scharfe Kritiker der Politik der israelischen Regierung. Sie als Antisemiten zu bezeichnen, halte ich für falsch. Beide sind doch selber Juden. Linkssein ist heute in Israel sehr schwierig. Linke sind Anfeindungen ausgesetzt und werden immer häufiger bedroht.

Max Blumenthal vergleicht die israelische Regierung mit dem Naziregime und spricht von Judeo-Nazis, das ist ja keine Kleinigkeit.

Ich lehne solche Vergleiche ab. In den letzten Jahren habe ich lernen müssen, dass die Debatte innerhalb des Judentums zum Teil sehr hart geführt wird. Bei Blumenthal allerdings habe ich solche Vergleiche bisher nicht gehört und nicht gelesen.

Haben Sie denn Verständnis dafür, dass Gregor Gysi, der selber aus einer jüdischen Familie kommt, diese Veranstaltung im Namen der Linken-Fraktion untersagt hat?

Durch den mit falschen Aussagen gespickten Artikel von Herrn Weinthal in der Berliner Morgenpost vom 07.11. wurde die Debatte um Herrn Blumenthal und Herrn Sheen in einer unvorstellbaren Weise aufgeladen. Leider war es im Vorfeld der Veranstaltung nicht mehr möglich, zu den falschen Aussagen von Herrn Weinthal eine Diskussion zu führen und die falschen Behauptungen zu widerlegen. Gregor Gysi hat ausdrücklich erklärt, dass er die in dem Artikel unterstellten Aussagen nicht getroffen hat.

Noch einmal die Frage: Haben Sie Verständnis dafür, dass Gysi gesagt hat: So nicht.

Gregor Gysi hat in einer sehr schwierigen Situation aufgrund der Anschuldigungen in dem Artikel von Herrn Weinthal gehandelt. Dies ist seine Aufgabe.

Das heißt, Gysi wurde an der Nase herumgeführt?

Herr Weinthal ist für seine einseitige Sicht auf den Palästinakonflikt bekannt. Mit seinem Artikel wollte er eine Veranstaltung von zwei Kritikern der israelischen Politik bewusst diskreditieren. Leider haben wir hier im Vorfeld der Veranstaltung nicht schnell genug mit Gegenargumenten reagiert.

Auch Gysi hat Sie nicht gefragt?

Nein. Der Artikel von Herrn Weinthal kam kurz vor der Veranstaltung heraus. Er führte zu einer aufgeheizten Debatte, die leider nicht mehr versachlicht werden konnte. Beide, Blumenthal und Sheen, sind renommierte Journalisten und Kenner der Situation in Israel.

Frau Groth, warum verfolgen Max Blumenthal und David Sheen Herrn Gysi bis auf die Toilette?

Die Situation war schlimm. Herr Blumenthal und Herr Sheen waren total aufgebracht, sie wollten eine Erklärung dafür haben, dass Gregor Gysi sie angeblich als Antisemiten bezeichnet habe. Sie wollten wissen, warum er gegen die Veranstaltung ist. Leider haben wir den Fehler gemacht, zu versuchen, in einer solchen Situation ein Gespräch zu ermöglichen.

Sie sitzen für die Linke im Parlament, die ist die Nachfolgepartei der SED. In dieser DDR-Staatspartei gab es über Jahre antisemitische Tendenzen. Hat sich die Linke jemals mit Antisemitismus befasst?

Ich halte das für eine Behauptung. Ich komme ja nicht aus der SED, wie Sie wissen, da bin ich die falsche Adressatin. Es gibt eine Studie über Antisemitismus in der Linken; die Linke hat sich intensiv mit der eigenen Geschichte auseinandergesetzt. Ich hätte mir gewünscht, dass CDU und FDP auch nur ansatzweise die eigene Geschichte so aufgearbeitet hätten, wie dies in der Partei Die Linke geschehen ist. Ich bin selbst in Apartheid-Namibia aufgewachsen. Mein Vater hat sich dort als Pfarrer gegen die Apartheid engagiert, deswegen bin ich sehr sensibel, was Ungerechtigkeit und Rassismus angeht.

Es gibt in Blogs und an anderen Orten die Forderung, dass Sie und Ihre Fraktionskollegin bitte aus der Links-Fraktion austreten.

Dies habe ich gelesen.

Auf Gysi und Frau Pau scheinen Sie nicht gut zu sprechen zu sein.

Natürlich sind wir nicht in allen Fragen gleicher Meinung. Mit beiden habe ich einige Initiativen, z.B. gegen den Alltagsrassismus gegen Roma, gestartet. Gregor Gysi und ich respektieren einander.

Das Video des Vorfalls können Sie sehen unter schwaebische.de/gysi