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Ungleichheit

Der neue Feminismus-Streit in den USA

Politik / Lesedauer: 4 min

Kampagne in den USA wendet sich gegen Kampf für Frauenrechte, doch noch immer sind die Unterschiede groß
Veröffentlicht:22.09.2014, 20:35

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Feminismus? War da was? Frauen in den USA halten davon nichts und positionieren sich im Internet klar und deutlich. Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen allerdings sind überzeugt: Die Ungleichheit zwischen Mann und Frau ist noch lange nicht behoben.

Washington - Als Betty Friedan das Epochenwerk des Feminismus zu Papier brachte, wohnte sie mit ihrem Mann Carl und drei Kindern in einer Elf-Zimmer-Villa im malerischen Flusstal des Hudson. Carl verdiente gut als Manager der Werbebranche, das Paar konnte sich eine Nanny leisten, sodass Betty an drei, vier Tagen in der Woche zu Recherchen ins nahe New York pendelte. Es änderte nichts daran, dass sie sich eingeengt fühlte wie in einem goldenen Käfig. Akademisch überaus begabt, hatte Betty Friedan ihr Psychologiestudium summa cum laude abgeschlossen, sie schrieb freiberuflich für Magazine.

Doch so qualifiziert sie auch war, eine Karriere wie die ihres Mannes blieb ihr verwehrt. 1963 erschien ihr Buch „The Feminine Mystique“ („Der Weiblichkeitswahn“), eine schonungslose Abrechnung mit der als selbstverständlich hingenommenen Reduzierung der Frau auf Ehe und Mutterschaft.

Gut fünfzig Jahre später erklärt eine Kampagne in den sozialen Netzwerken für nicht mehr zeitgemäß, was Friedan einst eingeklagt hatte, die „Kreuzritterin des Feminismus“, wie sie in einem Nachruf der „ New York Times “ genannt wurde. Auf Tumblr, einer Blogging-Plattform, stellen Mädchen und Frauen reihenweise kurze Texte ins Netz, um sich zu distanzieren. Meist sind es handgeschriebene Statements auf Linienpapier, in aller Regel versehen mit einem fotografischen Selbstporträt.

„Mein Haus ist kein Gefängnis“

„Ich brauche den Feminismus nicht, weil ich nicht unterdrückt werde. Mein Mann ist kein Unterdrücker, mein Haus kein Gefängnis, meine Kinder sind keine Last“, ist zu lesen. Oder: „Mein Ex-Mann, der mich misshandelt hat, steht nicht stellvertretend für alle Männer, und ich glaube nicht, dass sie alle eine kollektive Verantwortung tragen für die Handlungen einiger Mistkerle.“ Sie leide nicht unter einem Opferkomplex, schreibt eine Dritte, während eine Vierte anmerkt: Dies seien nicht die 1920er-Jahre, „ihr seid keine Suffragetten, ihr seid keine Märtyrer“. Sie brauche weder Feminismus noch Maskulinismus, meldet sich eine Schülerin launig zu Wort. „Das Einzige, was über mein Leben bestimmen sollte, ist mein eigenes Leistungsvermögen.“

Begonnen hat es vor einem Jahr, doch richtig in Fahrt kommt die Kampagne erst jetzt. Was zur Folge hat, dass der Protest lauter wird.

Zu denen, die Einspruch einlegen, gehört Madeleine Kunin , einst als erste Frau ins Gouverneursamt des kleinen Bundesstaats Vermont gewählt. „Das ist doch alles nichts Neues“, sagt sie in einem Interview über die vermeintlichen Reformerinnen. Von Anfang an sei der Begriff Feminismus kritisiert worden, „ich erinnere mich an die 1960er-Jahre, an den Lesezirkel, in dem wir ‚The Feminine Mystique‘ lasen. Schon damals war unsere Gruppe fifty-fifty gespalten.“ Lieber solle man definieren, was Feminismus bedeute, nämlich, Frauen die Möglichkeit zu geben, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Und da habe die Gesellschaft Nachholbedarf.

Niemand, gibt Kunin zu bedenken, käme beispielsweise auf die Idee, einen Mann zu fragen, wer sich wohl um seine Kinder kümmere, wenn er sich um einen wichtigen Posten bewerbe. Anders bei Frauen. Dass in einer Familie auch die Frau arbeite, hatte die Ex-Gouverneurin bereits 2012 in ihrem Buch „The New Feminist Agenda“ doziert, sei zwar inzwischen die amerikanische Norm. Aber die sozialen Strukturen rund um Familie und Arbeitswelt hätten damit nicht Schritt gehalten. Ob beim bezahlten Elternurlaub oder erschwinglicher Kinderbetreuung, in fast jeder Hinsicht bildeten die Vereinigten Staaten das Schlusslicht der industrialisierten Welt.

Frauen verdienen weniger Geld

Deborah Rohde, Jura-Professorin an der Stanford University, nimmt das Lohngefüge genauer unter die Lupe. Noch immer verdienen Frauen in Vollzeitanstellung nur 77 Prozent dessen, was Männern gezahlt wird. In der letzten Dekade sei die Lücke nicht kleiner geworden, konstatiert Rohde. An den Universitäten haben zwar mittlerweile Studentinnen die Nase vorn: Mit fast 60 Prozent der College-Abschlüsse stechen sie ihre männlichen Kommilitonen klar aus. Selbst in einer traditionellen Männerdomäne wie beim Studium zum Master of Business Administration, der Ausbildung in Unternehmensführung, erwerben sie ein Drittel aller Diplome. Doch in den Topetagen der Spitzenfirmen des Fortune-1000-Indexes ergibt sich ein anderes Bild – gerade mal vier Prozent der Unternehmenslenker sind weiblich.

In der Politik ist man ein Stück weiter, wenn auch lange nicht so weit, wie es Betty Friedan sich erträumt hatte. Während in den Parlamenten der 50 Bundesstaaten knapp ein Viertel der Sitze auf Frauen entfällt, sind es im Kongress zu Washington bloß 18 Prozent. In der Weltrangliste, die auflistet, in welchem Maße Frauen in öffentlichen Ämtern vertreten sind, fasst es Rohde zusammen, liegen die USA auf dem 78. Platz. Noch hinter Bangladesch.