StartseitePanoramaEi, was für Schmuckstücke in Kempten!

Schmuckstück

Ei, was für Schmuckstücke in Kempten!

Kempten / Lesedauer: 7 min

Goldschmied Joachim Rall fertigte nach dem Vorbild von Fabergés Zareneiern außergewöhnliche Anhänger
Veröffentlicht:20.04.2014, 17:05

Artikel teilen:

Hart gekocht, schokoladig süß oder kunstvoll bemalt – in diesen Tagen haben Eier Hochsaison. Man kann sie aber nicht nur essen oder an den Osterzweig hängen, sondern auch um den Hals tragen, als Schmuckstück nach dem Vorbild Fabergés . Dafür bedarf es aber eines entsprechenden Budgets und guter Beziehungen – zur Juweliersfamile Rall in Kempten. Goldschmied Joachim Rall fertigte zwölf Jahre lang diese außergewöhnlichen Schmuckstücke, die bei Liebhabern und Sammlern reißenden Absatz fanden.

Für den ganz jungen Joachim Rall war es so gut wie abgemacht, dass er die lange Tradition seiner alten Goldschmiedefamilie in der noch älteren Gold- und Silberstadt Schwäbisch Gmünd einmal fortsetzen werde. Zu gern trieb er sich in der Werkstatt des Vaters herum und ließ sich von dem handwerklichen Geschick der Goldschmiede und den wertvollen Materialien faszinieren. Aber einige Jahre später, als Heranwachsender, kamen ihm doch leise Zweifel. Wenn er etwas vom Vater wollte, war der meist mit einem Kunden beschäftigt und durfte nicht gestört werden. Und auch abends gab es oft kein Herankommen an ihn, da er bis spät in die Nacht in seiner Werkstatt zu tun hatte. Wenn man so lange arbeiten muss, um Geld zu verdienen, so ging es Joachim Rall damals durch den Kopf, dann ist der Beruf des Goldschmieds vielleicht doch nicht so ganz das Wahre. Diesem wohl eher pubertären Schwanken folgte aber bald wieder die Gewissheit, dass Joachim Rall eine Goldschmiedelehre machen und in fünfter Generation das Geschäft weiterführen werde. Genau so kam es auch, und nicht nur bei ihm selbst.

Ralls spätere Frau Hanne, die ihr Berufsleben als Angestellte bei einer Bank begonnen hatte, entschied sich ebenfalls für eine Ausbildung als Goldschmiedin im Betrieb ihres künftigen Gatten. Dass dabei auch die Liebe mit ihm Spiel war, darf man vermuten, aber an Neigung und Talent für den neuen Beruf hat es der jungen Frau wahrlich nicht gemangelt, wie ihr Lehrabschluss als Kammersiegerin der Handwerks-kammer Ulm eindrucksvoll beweist. Später erwirbt sie, wie zuvor schon ihr Mann, den Meistertitel als Goldschmiedin und legt die Prüfung zur Gestalterin für Schmuck und Gerät ab.

Künstlerischer Anspruch

Was fasziniert Joachim Rall so sehr am Beruf des Goldschmieds? „Es erfüllt mich mit Freude und Stolz“ , sagt er, „aus Edelmetall und Edelsteinen Schmuckstücke mit künstlerischem Anspruch und von langem Bestand herzustellen“. Und er verweist dabei auf den Granulationsschmuck der Etrusker, der heute noch in Museen zu besichtigen ist. Rall bestätigt auch die Vermutung, dass Goldschmied ein Begabungsberuf ist, den man nur erfolgreich erlernen und ausüben kann, wenn einem die Natur die notwendigen Voraussetzungen mitgegeben hat. Dazu gehöre zum einen ein zeichnerisches Talent, das in der Ausbildung weiter gefördert und entwickelt wird, auch beispielsweise durch Sach- und Aktzeichnen, und zum anderen eine ausgeprägte Begabung zur handwerklichen Arbeit im Miniaturformat. Hier sieht Rall auch Parallelen zum Uhrmacher, nur mit dem Unterschied, dass dieser technisch-kleingliedrig arbeitet, der Goldschmied hingegen künstlerisch-kleingliedrig.

Das Jahr 1987 markiert einen wesentlichen Meilenstein in der Geschichte dieser Goldschmiedefamilie. Joachim und Hanne Rall übernahmen das Juweliergeschäft Kinzel in Kempten , das eine ähnlich lange Tradition wie ihr Schwäbisch Gmünder Betrieb hat, und führen dieses seither unter dem Namen Kinzel & Rall fort. Inzwischen gehört auch ein Uhrenhandel nebst Uhrmacherwerkstatt dazu. Für ein Goldschmiede- und Juweliergeschäft, das hinsichtlich Wert und Qualität von Material und Handwerkskunst so hohe Ansprüche an sich selbst stellt, können dem Beschaffungs- wie auch dem Absatzmarkt keine engen Grenzen gesetzt sein. Rall kauft seine Edelsteine weltweit ein, die Diamanten hauptsächlich in Antwerpen, Idar Oberstein und Tel Aviv. Vor allem im Hinblick auf den Einkauf, auf das richtige Erkennen und Bewerten der Qualität haben sich die beiden Ralls auch zu Diamantengutachtern und Edelsteinexperten ausbilden lassen.

Prominente Kundschaft

Die Kundschaft ist ebenfalls international. Dass sich darunter auch so mancher prominente Name befindet, kann man sich denken. Aber Joachim Rall gibt keinen davon preis, denn Diskretion ist in dieser Branche eine Selbstverständlichkeit. Nur soviel lässt sich der Juwelier entlocken, dass er auch schon für das eine oder andere Fürstenhaus gearbeitet hat.

Apropos Adel: 1986 hatte Joachim Rall in der Kunsthalle der Münchner Hypo-Kulturstiftung eine Ausstellung von Ostereiern aus der Werkstatt des weltberühmten Goldschmieds Carl Peter Fabergé gesehen, der seit 1885 eine Reihe kostbarer Eier für die russischen Zaren gefertigt und damit ein glanzvolles Kapitel der Geschichte der Goldschmiedekunst geschrieben hat. Seit dem Besuch dieser Ausstellung ließ Rall dieses Thema nicht mehr los, erst recht nicht, nachdem er 1994 zusammen mit 20 Kollegen eine Reise nach St. Petersburg unternommen und sich dort mit Begeisterung auf die Spuren Fabergés begeben hatte. Als er auch aus dem Kundenkreis die Ermunterung erfuhr, doch einmal etwas im Sinne der Kunst Fabergés zu machen, reifte die Idee zu einer Serie von Juwelen-Eiern, die er ab 1994 in die Tat umsetzte. Von da an fertigte die Werkstatt Ralls über zwölf Jahre hinweg jedes Jahr ein Ei in kostbarem Material, mit besonderem Design und in einer jeweils anderen Goldschmiede-Technik. Die Auflage wurde auf zwölf Exemplare pro Jahr limitiert. Die Juwelen-Eier greifen zwar den künstlerischen Ansatz von Fabergé auf, aber sie ahmen ihn nicht einfach nach. Die Eier der Kemptener Goldschmiede haben ihre eigene Formensprache und sind mit nur wenigen Zentimetern Größe deutlich kleiner als die Arbeiten des russischen Meisters.

Goldenes Millenium-Ei

Das erste Ei war ein sogenanntes Schleifchen-Ei. Es besteht aus einem tiefblauen, in Eiform geschliffenen Lapislazuli. Das goldene Schleifchen trägt einen Rubin in der Mitte und kleine Diamanten an beiden Enden des Bändchens. Ein anderes Beispiel ist das goldene Millenium-Ei des Jahres 2000 mit fein granulierten Monden und Sternen, in deren Zentrum naturfarbene Diamanten im Brillantschliff funkeln. Bis auf einen Satz mit der Nummer 1, den das Goldschmiedehaus für sich selbst behalten hat, befinden sich alle Juwelen-Eier in Privatbesitz.

Zu keinem Zeitpunkt in diesen zwölf Jahren musste sich Joachim Rall Gedanken über die Absetzbarkeit dieser Kostbarkeiten machen, die als Satz den Wert in der Größenordnung eines Mittelklassewagens repräsentieren. Die Eier waren sogar so begehrt, dass kein einziges Exemplar in den offiziellen Verkauf gelangte. Vielmehr fieberten die Sammler jedes Jahr dem nächsten Entwurf der Kemptener Goldschmiede-Werkstatt entgegen. Manche der Juwelen-Eier zieren heute an einer Kette einen Frauenhals, andere hängen an einem eigens gefertigten Eierbaum, einige werden gut gesichert in Tresoren aufbewahrt. Auch wenn die Originale dieser Juwelen-Eier längst vergriffen sind, können sich Interessierte trotzdem noch an deren Anblick erfreuen. Kinzel & Rall haben dazu ein Büchlein mit den Abbildungen und Beschreibungen der Eier herausgebracht (ISBN 978-3-00-021489-9; 19,95 Euro inkl. Versand).

Bei Familienunternehmen, so heißt es, sei der Wechsel von der zweiten zur dritten Generation besonders kritisch. Diese Klippe hat die Goldschmiedefamilie Rall längst umschifft. Bei ihr ist sogar der Übergang zur sechsten Generation bereits gesichert, auch wenn es bis dahin noch etwas dauern wird. Beide Töchter sind nach dem Abitur in die Fußstapfen der Eltern getreten. Janine hat ihre Goldschmiedeausbildung in Florenz und Schwäbisch Gmünd mit Auszeichnung abgeschlossen und steht kurz vor der Meisterprüfung. Ihre jüngere Schwester Ines erlernt ebenfalls den Beruf der Goldschmiedin an der Goldschmiedeschule und Zeichenakademie in Hanau und hat auch schon ein Auslandssemester in Oslo absolviert. „Druck der Eltern“ , so betont Joachim Rall, „hat es bei der Berufswahl der Töchter nicht gegeben.“ Aber sehr überrascht waren er und seine Frau wohl auch nicht, denn mittlerweile hat sich längst gezeigt, dass die Freude am und die Begabung fürs Goldschmiedehandwerk bei den Ralls in den Genen liegt.